Das Schlagwort sparende Justiz musste durch etwas anderes ersetzt werden

Die Auswertung der Ergebnisse der insgesamt 376 ausgefüllten Fragebögen liegt jetzt vor. Danach deutet alles darauf hin, dass die Anwaltschaft mit der Organisation und den Leistungen des Gerichts durchaus zufrieden ist. Dies gilt zunächst für die Arbeit der Geschäftsstellen, für deren Erreichbarkeit, Sachkunde und Verhalten im telefonischen Umgang mit den Auskunftsuchenden auf einer Notenskala von 1 bis 5 Durchschnittswerte zwischen 2,7 und 1,95 erreicht wurden.

Ein ähnliches Ergebnis betraf - mit geringen Einschränkungen - die Kostensachbearbeitung. Gleichfalls im Bereich zwischen gut und mittelmäßig liegen die Ergebnisse bezüglich der Ausstattung der Bibliothek und der Sitzungssäle (nicht jedoch der Einzelrichterzimmer), während die Anzahl und Qualität der Sitzgelegenheiten in den Wartezonen eher negativ beurteilt wurde. Hier fehlt nach Meinung von mehr als 50% aller Befragten ein Ort, an dem ein ungestörtes Gespräch mit Mandanten oder anderen Beteiligten möglich ist.

Die Umfrage hat weiter ergeben, dass ein großes Bedürfnis nach telefonischer Kontaktaufnahme mit der Richterschaft besteht, um etwa Terminsabsprachen zu treffen oder Fristverlängerungen zu besprechen. Die Befragten haben hierzu angegeben, dass diejenigen Richterinnen und Richter des Gerichts, die im Einzelfall nicht direkt erreicht werden können, mit großer Zuverlässigkeit auf entsprechende Bitte hin zurückzurufen pflegen. Wie erwartet, stellt im Rahmen des im Übrigen eher positiven Bildes die Verfahrensdauer eine Ausnahme dar. So empfinden 2/3 der Befragten die Dauer als unangemessen lang. Dieser Umstand, der in der Skala der Wichtigkeit für die Gesamtbewertung weit vor allen übrigen Faktoren rangiert, musste sich demgemäß deutlich auf das Gesamtergebnis auswirken. Dass dennoch die Gesamtzufriedenheit in einem Bereich liegt, der als besser als nur mittelmäßig bezeichnet wurde, zeigt, dass der Service des Gerichts im Übrigen offenbar als ausgesprochen gut eingeschätzt wird. Soweit die Befragungsaktion dennoch in einzelnen Bereichen Kritik hervorgebracht hat, hat die Gerichtsverwaltung begonnen, für Abhilfe zu sorgen. So sind u.a. Verbesserungsmaßnahmen bezüglich der Einzelrichterzimmer und der Beleuchtung der Sitzungssäle in die Wege geleitet worden. Es bestehen Bestrebungen, eine Cafeteria einzurichten, die auch der Anwaltschaft zur Verfügung stände. Geprüft wird ferner die Sinnhaftigkeit und Realisierbarkeit der vielen weiteren praktischen Anregungen.

Zu hoffen bleibt, dass auf lange Sicht auch eine Verkürzung der Verfahrensdauer erreicht werden kann. Da dieser Mangel nicht auf organisatorischen Problemen, sondern in erster Linie auf der anhaltenden Personalknappheit im richterlichen Bereich beruht, stellt die ins Auge gefasste Einrichtung eines weiteren Zivilsenates einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass das OLG Anlass hat, sich in seinem Bemühen um Serviceorientierung und Nutzerfreundlichkeit bestätigt zu sehen. Und die Motivation, Kreativität und Bereitschaft zur Flexibilität, von der ich eben sprach, schien mir in diesem Bereich geringer entwickelt zu sein als in dem der Rechtsprechung als solcher.

MODERNE JUSTIZ KONKRET

Die Anwaltschaft gibt dem Landgericht die Note 2,5 von Kabir Latif, Landgericht Hamburg

Das Landgericht hat - ebenso wie das Oberlandesgericht - die hamburgische Anwaltschaft im Rahmen einer Fragebogenaktion um eine Meinungsäußerung gebeten. Das Ergebnis soll nachfolgend kurz skizziert werden: Von den ca. 5.600 in Hamburg zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten haben 477 den Fragebogen ausgefüllt, was einer Rücklaufquote von 8,5 % entspricht. Das Landgericht hat - auf einer Notenskala von 1 bis 5 die Gesamtnote 2,5 erhalten. Aus den Einzelergebnissen wird deutlich, dass die Anwaltschaft die positiven Entwicklungen der letzten Jahre durchaus zu würdigen weiß, aber gleichwohl noch Bereiche vorhanden sind, die einer Verbesserung bedürfen.

Die ersten Fragen bezogen sich auf die Orientierungsmöglichkeit im Ziviljustizgebäude, die Dekoration der Flure sowie deren Ausstattung mit Sitzgelegenheiten. Die Anwaltschaft hat diese Punkte mit durchschnittlich 3 minus bewertet. Hieraus ist zu ersehen, dass die durchgeführten Renovierungsmaßnahmen (z.B. im Bereich des Haupteingangs) sich auf die Gesamtbeurteilung ebenso positiv ausgewirkt haben wie der Service, der durch die Auskunftsloge geboten wird (Note 2,78). Der Service, den das Landgericht durch Sitzgelegenheiten zur Beratung in den Verhandlungspausen bietet, wird gut angenommen, ist aber aus Sicht der Anwaltschaft verbesserungswürdig. Die Note 3,5 zeigt, dass es dem Landgericht gelungen ist, den Balanceakt zwischen den Bedürfnissen der Anwaltschaft und den Erfordernissen des Brandschutzes (Freihalten der Fluchtwege) zu meistern. Die Ausstattung der Sitzungssäle wurde mit 3,14 benotet, was angesichts des Umstandes, dass das Landgericht gerade in den letzten Jahren mit einem finanziell hohen Aufwand den Zustand und die Einrichtung erheblich verbessert hat, enttäuschend ist. Neben der Anschaffung zeitgemäßer Konferenzanlagen wurden die Säle dekorativ hergerichtet und die Akustik durch das Abhängen der Decken wesentlich verbessert.

Die Bearbeitungsdauer bis zum Urteil und die Dauer der Kostensachbearbeitung wurden insgesamt als angemessen angesehen.

Die Möglichkeit der telefonischen Abfrage verkündeter Entscheidungen - ein seit vielen Jahren gebotener Service für die Anwaltschaft - sowie die Fragen nach sachkundiger Information, Höflichkeit und Beantwortung von Sachstandsanfragen wurden mit Noten von 1,99 bis 2,64 bewertet. Deutlich verbesserungswürdig ist allerdings die telefonische Erreichbarkeit der Geschäftsstellen, die mit der Note 3,59 eine Unzufriedenheit der Anwaltschaft zum Ausdruck bringt. Die Umfrage hat ferner ergeben, dass die Anwaltschaft einen hohen Bedarf hat, Richter und Kostensachbearbeiter telefonisch zu erreichen, wobei als Hauptgründe Terminabsprachen und Fristverlängerungen genannt wurden. Aus den Anmerkungen der Anwältinnen und Anwälte ergab sich die Anregung, dass die Kolleginnen und Kollegen häufiger zum Telefon greifen sollten, um Anliegen möglichst unbürokratisch zu erledigen.

Insgesamt hat sich ein Bild ergeben, welches auch das Landgericht ermutigt, den erfolgreich eingeschlagenen Weg der Kundenund Serviceorientierung fortzusetzen.

FREIE UND HANSESTADT HAMBURG - JUSTIZBEHÖRDE

- Februar 2001

Wenn das in manchen Bereichen gelungen ist, kann die Hamburger Justiz auf sich stolz sein. Ich persönlich glaube aber nicht - wenn ich das als einen kleinen Satz der Kritik sagen kann - so, wie ich die Justiz kenne in Hamburg und inzwischen auch anderswo, dass schon alles so hochglanzartig ist, wie es heute dargestellt wurde. Ich wünsche Ihnen allen deshalb, dass Sie so selbstbewusst in die Zukunft gehen, dass Sie auch mit allen verbleibenden Unzulänglichkeiten offen umgehen können. Dass Sie als Motto mitnehmen, dass das Leben fehleranfällig ist. Dass es nicht entscheidend ist, dass es keine Fehler gibt, sondern dass man Fehler erkennt, korrigieren kann und lernt, mit Fehlern umzugehen. Mit anderen Worten: Nur dann, wenn auch das Unzulängliche aufgegriffen und verarbeitet wird, gibt es eine Chance, es abzubauen.

Ich will zum Schluss meines ersten Statements den Satz nur aufgreifen, den Herr Prantl eben vermutlich mit einem etwas anderen Inhalt gemeint hat. Ja, es ist sehr vieles noch so wie im vorigen Jahrhundert. In den letzten 11 Monaten dieses Jahrhunderts ist zwar viel passiert, aber noch nicht alles, was erforderlich ist.

Prantl: Sie sagen, es soll bewahrt werden, was bewahrenswert ist. Wenn ich noch einmal, um zu insistieren, auf die Zivilprozessreform zurückkommen darf, tut sie denn das oder tut sie das nicht?

Hoffmann-Riem: Ich persönlich glaube, dass die Zivilprozessreform im Grundansatz richtig ist. Ich habe das auch publizistisch dargetan und stehe zu dieser Position. Ich glaube aber nur, dass die Zivilprozessreform funktionieren kann, wenn es leistungsfähige Gerichte gibt.

Und ein Punkt, bei dem ich persönlich sehr große Bedenken habe bei dieser Reform, ist nicht die Reduktion von Instanzen oder von Rechtsmittelmöglichkeiten, sondern die Fortsetzung des Zugs zum Einzelrichter. Wenn man Instanzen abbaut, muss es trotzdem auch für Richter Kontrollmöglichkeiten geben. Das Richterdasein, und das sage ich allmählich jetzt auch aus eigener Erfahrung, hat ja etwas mit auf-sich-selbst-gestellt-sein zu tun. Es ist ein monologisches Tätigwerden, wenn man nicht zum Dialog gezwungen ist. Und wenn es schon nicht die Möglichkeit gibt, innerhalb verschiedener Instanzen zur Fehlerkorrektur zu kommen, da muss das, was ich eben ansprach, als Prinzip der Fehlerkorrekturfreundlichkeit anders verstanden werden, nämlich als eingebaute Sicherung, dass die Fehler möglichst gar nicht in der einen Instanz, die häufig ja nur noch verfügbar sein wird, entstehen können. Deswegen glaube ich, dass die Möglichkeit zur Kollegialentscheidung eine wichtige Ergänzung zu dieser Justizreform ist und hoffe, dass es gelingt, dafür Ansätze zu schaffen. Aber im übrigen glaube ich, der Ansatz ist richtig. Er ist nicht nur richtig aus Gründen der Einsparung von irgend etwas, sondern er ist auch wichtig wegen eines anderen Akzentes. Schnelligkeit ist nämlich ein Teil von Gerechtigkeit.

Prantl: Ich danke Ihnen sehr. Herr Filges, wohl kein rechtspolitisches Projekt in der Geschichte dieser Republik hat die Anwaltschaft so attackiert wie diese ZPO-Reform. Es gehe, so sagen Deutscher Anwaltverein und Bundesrechtsanwaltskammer, alles viel zu schnell.

Man höre die Argumente der Anwaltsseite zu wenig, die Gesetzentwürfe würden auf den Tagung Justiz 2010ff.: welche Leistungen bietet die Justiz der Zukunft?