Hochrechnungen der Finanzbehörde

Nicht nur das Budget-Basisjahr 1995, sondern auch die zunächst monatlich stark schwankenden Hochrechnungen der Finanzbehörde erregen noch zwei Jahre später die Gemüter.

Heute nicht mehr. Die Hochrechnungsergebnisse sind stabil und mit dem Auf und Ab an den Börsen sind wir Härteres gewöhnt.

Papiere für die Politik:

Der erste Projektbericht erreicht am 25. Juli 1997 den Senat. Aus Brainstormings mit den Beteiligten sind inzwischen kleine Konzepte und - besonders wichtig - Maßnahmen geworden. Sicher, gerade im ersten Reformjahr ist die Lücke zwischen den Papieren, dem, was Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gerichten und Staatsanwaltschaften umsetzen und was am Ende tatsächlich mehr Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger darstellt, schwer zu schließen. Noch drei weitere Projektberichte informieren jährlich über den Umsetzungsstand.

Die Am 11. August gibt es ein erstes Highlight, weniger in den konkreten Auswirkungen vor Ort, als im Sinne des Leitgedankens: Stärkung der dezentralen Eigenverantwortung. Die Lenkungsgruppe beschließt über die Reorganisation des Fortan ist die Justizbehörde nur noch zuständig für die strategische Gesamtplanung und übergreifende Anwendungen. Über die Ausstattung von Soft- und Hardware in den Gerichten und Staatsanwaltschaften entscheiden diese zukünftig selbst. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wechseln aus der Zentrale - sie gehen vor Ort.

Stille Post:

Etwa zur gleichen Zeit: Stille Post am Platz - wie das Justizforum am Sievekingplatz gern genannt wird. Es kursiert das Gerücht, die Justizbehörde wolle eine kennzahlengestützte Steuerung durchsetzen. Aufgeregte Anrufe beim Senator. Hintergrund ist ein Papier des KStabes zur Bildung von Qualitätszirkeln, das in der Projektleiterkonferenz diskutiert werden soll.

Erleichterung drei Jahre später: Beim Finanzgericht, Amtsgericht und dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht führen Qualitätszirkel zu Verbesserungen der Abläufe und der Kommunikation.

Die Gesellschaft Hamburger Juristen, der Hamburgische Anwaltverein, die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen und der Kommunikationsverein Hamburger Juristen laden Anfang 2000 zu einer zweitägigen Fachtagung ein. Das Thema: Justiz in der Modernisierungsfalle? - Zur Bedeutung der Qualitätsdiskussion im Reformprozess.

Die Diskussion: Nicht ideologisch, sondern ganz konkret.

Modernisierung abstrakt Organisationsreform als Beitrag zum modernen Rechtsstaat ist am 18. September 1997 das Thema einer Fachtagung zum einjährigen Bestehen des Projekts. Bedeutende Referentinnen und Referenten sprechen über bedeutende Modernisierungsthemen.

Neu sind Erfahrungen aus den Niederlanden zum Justizmanagement mit dem sogenannten DGO-Modell: Wenn die Justizmanagerin oder der Justizmanager als Agent des Ministeriums auftritt, funktioniert es nicht. Gut, dass Hamburgs Justiz von anderen lernen kann.

Modernisierung konkret:

Und das passiert - hier nur in Auszügen - ganz konkret: Getreu dem Motto Gemeinsam fährt es sich besser, weiht das Landgericht am 25. August nach bereits bestehenden Mustern seine Geschäftsstelle Tandem V ein. 17 Mitglieder des Service-Teams erledigen technikunterstützt und räumlich ansprechend untergebracht mit 15 Richterinnen und Richtern Verfahren zügiger, auskunftsfähig und vertretungsfest.

Im Herbst befragt das Verwaltungsgericht erstmals Anwaltschaft und Verwaltungsjuristinnen und -juristen zur Erreichbarkeit, zu den Öffnungszeiten der Servicestellen, zu den Abläufen und zur Verständlichkeit. Halten Sie in der Regel den Auskunftsservice des Gerichts (Wachtmeisterei/Verwaltung) für sehr gut - gut - könnte besser sein - eher schlecht? lautet z. B. eine der Fragen. Ähnliche Fragen stellen zweieinhalb Jahre später auch Oberlandesgericht und Landgericht ihren Anwältinnen und Anwälten.

Ab November 1997 können mit Solum-Star beim Amtsgericht alle Grundbuchauszüge von den dazu Berechtigten (z.B. Notaren) online eingesehen werden. Die Bearbeitungsdauer für Neueinträge verkürzt sich erheblich auf 2 Wochen.

Das Finanzgericht hat sich von der Teilnahme an Telefontrainings bis zur Beschilderung die Kundenfreundlichkeit auf die Fahnen geschrieben.

Arbeitskräftemangel in Glasmoor

Auf einer Tagung der JVA Glasmoor vom 12.-14. November 1997 in Malente wird auch für den Justizvollzug deutlich, dass die Modernisierung der Anstaltsorganisation erste Früchte trägt.

Die Anstalt hatte die Möglichkeit, Einnahmen, die über einen festgelegten Betrag erwirtschaftet wurden, zu 50% für eigenbestimmte Maßnahmen zu verwenden.

Durch die Investition in die Anstaltsbetriebe sind diese noch leistungsfähiger geworden. Noch stärker motivierte Mitarbeiter erledigen daraufhin die Arbeiten immer vertragstreuer. Um die vollen Auftragsbücher termingemäß abzuarbeiten, müssen sogar Gefangene, die als Hausarbeiter tätig waren, in die Arbeitsbetriebe versetzt werden.

Ratzeburger Protokoll:

Vor dem Hintergrund eines begrenzten städtischen Budgets beraten die Leitungen der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Ämter in Ratzeburg im November 1997 über Budgetierungsmodelle. Wie kann es noch besser gelingen, das Parlament davon zu überzeugen, dass in Zukunft mehr Ressourcen erforderlich sind, um eine leistungsfähige Justiz zu sichern? Heraus kommt das Ratzeburger Protokoll. Es enthält - unterzeichnet von den Leitungen der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Ämtern - Erklärungen zu einer Budgetierung, die sich an den Ergebnissen orientiert und zum Bemühen, Mehrbedarfe intern auszugleichen.

Lieblingskind wird weiter gepflegt:

Fast zeitgleich wird Frau Senatorin Dr. Peschel-Gutzeit neue Justizsenatorin. Das Projekt Justiz 2000 ist künftig nicht nur ein Schwerpunkt, der in der Koalitionsvereinbarung für die neue Legislaturperiode verankert ist. Vielmehr erfährt das Projekt auch von der neuen Hausspitze aktive Unterstützung und neue Impulse aus einer großen Stadt im Osten.

Was heute sichtbar auf zwei Beinen laufen kann, nämlich in Hamburgs Justiz beschäftigte Justizmanagerinnen bzw. -manager - direkt unter, aber eben unter den Gerichtspräsidenten erfährt in der Lenkungsgruppensitzung am 5. Januar 1998 erstmals eine vertiefte Diskussion.

Das Verwaltungsgericht stellt mit seinem Modell Verwaltungsdirektor seine Überlegungen zum Justizmanagement vor. In Folge der Beantwortung eines Ersuchens findet im November 1998 eine Expertenanhörung im Rechtsausschuss statt. Weitgehend Einigkeit besteht darüber, dass mehr und kontinuierlicher für Personalentwicklung, Fortbildung und Ausbildung beim Gerichtsmanagement gearbeitet werden muss.

Unterschiedliche Auffassungen gibt es zur organisatorischen Einbindung. Eine Gerichtsmanagerin oder ein -manager neben der Präsidentin oder dem Präsidenten - das geht nun wirklich zu weit - so die herrschende Meinung und schließlich auch die im November 1999 vorgelegte Parlamentsdrucksache.

Werbung für Hamburgs Justiz:

Andere Behörden und Gerichtsbereiche, andere Bundesländer und insbesondere die Politik sollen begreifen: Hamburgs Justiz modernisiert sich, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich bei fortlaufender Konsolidierung und nehmen Mehrarbeit in Kauf. Dies verdient mehr Unterstützung und Anerkennung, als der Justiz bisher zukommt. Deshalb gibt es im Frühjahr 1998 eine kleine Werbekampagne, jeweils ausgerichtet auf die unterschiedlichen Zielgruppen.

Das kleine Ein mal Eins zur Unabhängigkeit der Justiz löst immer wieder Erstaunen aus. Da hilft nur die berühmte Powerpoint-Folie Wer darf wem was sagen? Heulen und Zähneklappern - Budgets für Zahnärzte 30. Juni 1998: In zähen Verhandlungen gelingt es, die Ausgaben für die im Justizvollzug tätigen Zahnärzte auf ein Niveau zu senken, das deutlich unter den bisherigen Kosten liegt.

Erstmalig können die bisher laufend gestiegenen Kosten der medizinischen Betreuung der Gefangenen ohne Einbußen bei der Behandlungsqualität auf ein Maß festgeschrieben werden. Fortan gibt es wenigstens des Geldes wegen kein Heulen und Zähneklappern mehr.

Controlling kontrovers:

Im Sommer 1998 stellt die Arbeitsgruppe die Konkretisierung der Überlegungen aus Ratzeburg zur Budgetierung und zum Controlling am Beispiel des Amtsgerichts vor.

Wenig später erarbeiten im Herbst 1998 Richterinnen und Richter des Verwaltungsgerichts Hamburg zwei zum Teil sehr umfängliche und bundesweit beachtete Berichte zu den Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzbarkeit des Neuen Steuerungsmodells am Verwaltungsgericht Hamburg. Sie kommen im Kern zu dem Ergebnis, dass die Möglichkeiten der Übertragung des Neuen Steuerungsmodells auf das Verwaltungsgericht vom konzeptionellen Ansatz, den rechtlichen Rahmenbedingungen und der Praxistauglichkeit her erheblich begrenzt sind. Dabei verweisen die Kritikerinnen und Kritiker zu Recht auf Gefahren, die sich bei einer zu kleinteiligen, auf Einzelfallkontrolle gerichteten Anwendung für die richterliche Unabhängigkeit ergeben könnten. Die Frage, ob es um eine solche Kontrolle geht oder viel mehr gerade nicht, ...und wichtige Errungenschaften bleiben erhalten.

Falls nötig, werden sie sicher verpackt.