Steuer

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg Anlage XIV.1 - Drucksache 16/6000 kennt. Wie umfangreich der daraus folgende Informationsanspruch und die deswegen bestehende Informationspflicht des Staates gegenüber dem Bürger sein kann oder muss, um dem demokratischen Transparenzverständnis des Grundgesetzes zu genügen, ist aber letzten Endes - zumindest de jure - umstritten. In der politischen Diskussion spiegelt sich dieser rechtswissenschaftliche Streit um Informationsansprüche des Bürgers - etwa gegenüber der Verwaltung - in Abwägung zu Datenschutzinteressen Dritter.

2. Der Transparenzbegriff und der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit

Das Prinzip der Öffentlichkeit des Staatshandelns ist nicht nur aus Gründen des demokratischen Prinzips, sondern auch aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbar. Denn die Verlässlichkeit staatlichen Handelns wie auch der staatlichen Rechtsordnung ist nur dann gegeben, wenn sie sich - soweit Interessen des Bürgers in Rede stehen - gewissermaßen vor den Augen des Bürgers abspielt. Nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in ihrem inhaltlichen Kern sind daher die Institute der Verkündung von Rechtsnormen (Art. 82 Abs. 1 GG), der Verkündung von Gerichtsurteilen und der Bekanntgabe von Verwaltungsakten (zumindest gegenüber dem betroffenen Bürger) unverzichtbarer Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips, der auch durch verfassungsänderndes Gesetz nicht beseitigt werden dürfte.

a. Transparenz als Voraussetzung für die Befolgbarkeit von Normen und als Anforderung an Normengebilde (Verkündungsfrage, Verstehbarkeitsfrage) Transparenz, d.h. größere Sichtbarkeit und damit Publizität, wird in rechtsstaatlichen Systemen nicht zuletzt angestrebt, um die Zugänglichkeit des Rechts für den Bürger zu erhöhen. Besser bekanntes Recht birgt die Chance einer höheren Beachtung; mit

Im Hinblick auf parlamentarische Kommunikation und Partizipation Kissler, Parlamentsöffentlichkeit, in: Schneider/Zeh, § 36 Rn 14.

Auf diesen Streit hinweisend und ihn ausbreitend und dabei eine unbegrenzte Publizität staatlichen Handelns bestreitend Martens, Öffentlich, S. 59 ff., insbesondere S. 60 m.w.N. Martens spricht ausdrücklich drei verschiedene Problemkreise an, namentlich erstens die Frage der Teilhabe jedes Bürgers/Grundrechtsträgers aus Art. 5 GG und seines Informationsanspruches (Martens a.a.O., S. 62 ff.), zweitens insbesondere die Informationspflichten gegenüber der Presse (Martens a.a.O., S. 66 f.) sowie drittens die zulässigen Informationsmöglichkeiten durch den Staat (Martens, a.a.O., S. 68 ff., insbesondere S. 75 ff.), unter dem Topos Öffentlichkeitsaufklärung als Behördenaufgabe vgl. auch die Ausführungen bei Gröschner, DVBl. 1990, S. 619 ff.

Ausdrücklich Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20 II Rn 59.

Herzog in: Maunz-Dürig, GG, a.a.O.

Vgl. Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20 II Rn 59 a.E. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg Anlage XIV.1 - Drucksache 16/6000

Rechtskenntnis können individuelle Nachteile vermieden werden. Ferner ist die Publizität einer Norm ein Grund, weshalb die Norm verbindlich sein soll, mit anderen Worten: nur Rechtsnormen, die als bekannt vorausgesetzt werden können, sollen verbindlich sein dürfen. In komplexen Regelungssystemen erscheint letzteres nahezu unrealistisch. Sie arbeiten daher mit umfangreichen, systematischen Kodifizierungen. Mit ihnen, d.h. ihrer Publizität, soll die Geltung der Normen gerechtfertigt werden, weil der jederzeitige Zugang zu den einzelnen Normen gesichert sei. Die Hamburg betreffenden Verfassungen - Art. 82 GG, Art. 52, 54 HV46

- legen daher fest, dass jedes Gesetz erst mit seiner Verkündung in Kraft tritt.

Aber auch kodifizierte Systeme sind vor Intransparenz nicht geschützt. Insbesondere für das deutsche Steuerrecht wird gern fehlende Durchschaubarkeit oder bestenfalls solche unter Zuhilfenahme von Spezialisten bemängelt. Die Befolgung von Rechtssätzen setzt ihr Verstehen voraus.

Vgl. König, ZG 1999, 195 (198).

König, ZG 1999, 195 (198 f.).

Zur Transparenzerhöhung durch Kodifizierung vgl. König, ZG 1999, 195 (198); mit ähnlichen Ausführungen zur Notwendigkeit von Kodifikationen auch Martens, Öffentlich, S. 76 f., der aber die Kodifizierung und Publizierung für ausreichend hält, um die Legitimation zu begründen: Es wäre eine Illusion zu meinen, es gäbe ein Verfahren, das mit Automatik ohne Rücksicht auf die intellektuelle Aufnahmefähigkeit und psychische Aufnahmebereitschaft der Normadressaten die effektive Verbreitung der Kenntnis des Norminhalts sicherstellen könnte. Hinzu kommt, dass die im Staat der Gegenwart unablässig steigende Flut von Rechtsetzungsakten aller Art eine vollständige tatsächliche Notorietät des Rechts schon aus objektiven Gründen verhindert. Kein Mensch weiß genau, welche Normen in dieser Stunde gelten, kein Gesetzgeber, keine Behörde und kein Gericht, niemand im Volk. (...). Kann demnach niemand das gesamte Recht geistig präsent haben, so ist es rechtsstaatlich unabdingbar, um so mehr eine Publikationsweise zu fordern, die es ermöglicht, jede Rechtsnorm zumindest im Bedarfsfalle jederzeit unter gleichzeitiger Gewähr ihrer Authentizität aufzufinden. Diesen Erfolg verbürgt eine als Verkündung in einem unbeschränkt zugänglichen besonderen Gesetzblatt stringent formalisierte Publikation; (...) sie sind ausreichend bestimmt und doch elastisch genug (...).

Art. 82 GG lautet: (1) Die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze werden vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und im Bundesgesetzblatte verkündet. Rechtsverordnungen werden von der Stelle, die sie erläßt, ausgefertigt und vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung im Bundesgesetzblatte verkündet. (2) Jedes Gesetz und jede Rechtsverordnung soll den Tag des Inkrafttretens bestimmen. Fehlt eine solche Bestimmung, so treten sie mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben worden ist.

Art. 52 HV lautet: Der Senat hat die endgültig beschlossenen Gesetze innerhalb von vierzehn Tagen auszufertigen und im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt zu verkünden. Art. 54 HV lautet: Gesetze und Verordnungen treten, soweit in ihnen nichts anderes bestimmt ist, mit dem auf die Ausgabe des Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblattes folgenden Tag in Kraft.

Auch bei Rupp, WM 1993, 1503.

Ausdrücklich Rupp, a.a.O. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg Anlage XIV.1 - Drucksache 16/6000

Was aber trägt zur Unverständlichkeit des Rechts und damit zu Rechtsunsicherheit und Gefährdung von Rechtsgehorsam und -bewusstsein, bei? In Betracht kommen insoweit:

- die föderalen Strukturen des Rechts, d.h. Unklarheit, von welcher staatlichen Ebene die Einhaltung eines Ge- oder Verbots gefordert wird,

- die zunehmende Ausbreitung des EU-Rechts als Recht mit einer strukturellen Andersartigkeit sowohl im systematischen Aufbau als auch hinsichtlich seines Erlasses,

- sprachliche Eigenartigkeiten und Fehlleistungen in Gesetzen,

- die umfangreiche Verweisungstechnik, die es nicht ermöglicht, sich durch Lesen an einem Stück den Norminhalt zu erschließen sowie

- weite Generalklauseln und offene Tatbestände.

b. Transparenz als Sicherung rechtsstaatlicher Verfahren (Öffentlichkeitsfrage)

Nicht nur im Bereich der Gesetzgebung hat Transparenz rechtsstaatliche Bedeutung.

Sie findet sich wieder im Bereich der dritten Gewalt, der Justiz, namentlich im Zusammenhang mit der und in der Bedeutung von Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren.

Nach § 169 GVG sind die Gerichtsverhandlungen in Deutschland einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse öffentlich. Öffentlichkeit, mithin Transparenz, ist insofern Schutz vor Willkür.

3. Konflikt des am Demokratieprinzip ausgeprägten Transparenzbegriffes mit anderen Aspekten der Rechtsstaatlichkeit (Postulat der Gerechtigkeit / Notwendigkeit von Differenzierung / Voraussetzung sachlicher Begründung) am Beispiel der Problematik juristischer Überflechtung (insbesondere nach Helsper)

Mit und nach Rupp, a.a.O.

Wobei hinsichtlich der dogmatischen Begründung Streit herrscht. Einerseits wird eine verfassungsrechtliche Ableitung aus der Garantie der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 GG) vertreten, andererseits die Begründung über das notwendige Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtspflege; vgl. Martens, Öffentlich, S. 74 f.

Insoweit sei nur auf eine allgemein transparenzbezogene aktuelle Debatte hingewiesen, die sich mit der Korruptionsbekämpfung befasst bzw. insbesondere der Einführung umfangreicher Informationsansprüche der Bürger gegenüber der öffentlichen Verwaltung in sog. Informationsgesetzen widmet. Beispielhaft ist insoweit die Berliner Erklärung für Transparenz der öffentlichen Verwaltung vom 29.10.1999 der Transparency International, Deutsches Chapter e.V. Dem Verein ist nach eigenen Angaben 1998 die Theodor-Heuss-Medaille und 1999 der Freiheitspreis der schweizerischen Max Schmidheiny-Stiftung verliehen worden.