Strukturwandel

Dem Senat liegt der Abschlussbericht über den Ablauf des Modellversuchs Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vor. Dort heißt es in der Zusammenfassung: Die Erfahrungen mit dem Modellversuch Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind überwiegend positiv. Es hat sich gezeigt, dass Telearbeit im BMA unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Je höher die Qualifikation und je selbstständiger das Aufgabengebiet zu bearbeiten ist, desto unproblematischer kann Telearbeit praktiziert werden. Die familiäre Situation der Teilnehmer und Teilnehmerinnen hat sich bei allen entspannt. Bei der überwiegenden Anzahl der Teilnehmer und Teilnehmerinnen führte die Teilnahme am Modellversuch zu einer Steigerung der Motivation und der Arbeitszufriedenheit. Referenten / Referentinnen und Sachbearbeiter / Sachbearbeiterinnen können zu Hause konzentrierter und damit effektiver arbeiten, da sie dort in der Regel weniger gestört werden als in der Dienststelle. Nach Angaben der Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind durch die Telearbeit Fehltage wegen Erkrankungen eines Kindes entfallen.

Telearbeit konnte im BMA ohne Reibungsverluste in allen Laufbahngruppen immer dann praktiziert werden, wenn folgende Voraussetzungen vorlagen:

­ geeignetes Aufgabengebiet, d. h. wenig Eilaufträge und seltener ad hoc Zugriffsbedarf auf die (Papier)-Aktenverwaltung,

­ Zuverlässigkeit und Flexibilität des Mitarbeiters und der Mitarbeiterin,

­ Möglichkeit der kurzfristigen Rückkehr zur Dienststelle.

Als Erschwernis für einen unproblematischen Arbeitsablauf im Referat hat sich die fehlende Bereitschaft der Vorgesetzten, sich auf die veränderte Arbeitssituation eines Mitarbeiters / einer Mitarbeiterin einzustellen, herausgestellt. Der Einfachheit halber wurde bei Eilaufträgen auf Kollegen und Kolleginnen vor Ort zurückgegriffen.

(...) Abschließend bleibt festzuhalten, dass Telearbeit eines Referatsangehörigen immer auch von der Akzeptanz der Kollegen und Kolleginnen abhängig ist. Es sollte deshalb im Vorfeld darauf geachtet werden, dass das ganze Referat bzw. die Kanzlei die Telearbeit unterstützt.

Der Leitfaden für die Praxis für Telearbeit der Bundesministerien für Arbeit und Sozialordnung und für Bildung, Wissenschaft und Technologie von 1998 stellt fest, dass die Praxiserfahrungen bei großen und kleinen Betrieben durchaus sehr unterschiedlich sind. Er weist auch auf mögliche Nachteile für die Karriere und die soziale Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hin.

Zusammenfassend werden folgende Vor- und Nachteile bei der Telearbeit gesehen: Telearbeit beinhaltet potenzielle Vorteile sowohl für Arbeitgeber / Arbeitgeberinnen wie für Arbeitnehmer / Arbeitnehmerinnen. Für den / die einzelne / n Arbeitnehmer / Arbeitnehmerin kann der Nutzen folgender sein:

­ flexiblere Arbeits(zeit)vereinbarungen,

­ die Möglichkeit, mehr Verantwortung innerhalb des Arbeitsprozesses zu übernehmen,

­ die Vermeidung längerer Fahrzeiten zwischen Arbeits- und Wohnort.

Genauso ergeben sich für den Arbeitgeber mögliche Vorteile. Diese können beinhalten:

­ erhöhte Flexibilität (z. B. schnellere Arbeitsabläufe),

­ Reduzierung von Raumkosten,

­ höhere Produktivitäten der Angestellten,

­ rückläufige Fehlzeiten,

­ Reduzierung von Overheads,

­ besser motivierte Mitarbeiter / Mitarbeiterinnen, die infolge größerer Eigenverantwortung qualitativ höherwertige Arbeit liefern,

­ Bindung von Mitarbeitern / Mitarbeiterinnen an das Unternehmen,

­ verbesserte Arbeitsorganisation (z. B. schlanke Managementstrukturen).

Zu I.7.

Zur Unterstützung der Verbreitung von Telearbeit in Hamburger Unternehmen hat das Senatsamt für die Gleichstellung das ADAPT-Projekt Rahmenbedingungen der Telearbeit durchführen lassen, das kleine und mittlere Betriebe bei der Einführung alternierender Telearbeit und den damit verbundenen betrieblichen Anforderungen und Veränderungen begleitete und beriet. Ein Aspekt des Projektes war, diesen Entwicklungsprozess aktiv zu nutzen, um die berufliche Chancengleichheit von Frauen und Männern zu fördern.

Zwischenergebnisse wurden in einer Veranstaltung im November 1999 vorgestellt und mit Hamburger Betrieben erörtert. Es zeigte sich, dass Telearbeit von den Beschäftigten neue Qualifikationen verlangt und eine neue Arbeitsorganisation und Führungskultur voraussetzt.

Ergebnis des Projektes sind ein Leitfaden für die Prozesssteuerung und die Personal- und Organisationsentwicklung bei der Einführung von Telearbeit sowie Qualifizierungsmodule für die unterschiedlichen Beteiligten dieses Prozesses.

(Führungskräfte, Personalentwicklung, Telearbeitnehmer und Telearbeiterinnen).

Zu I.8.

Unter Federführung der Finanzbehörde ist in der Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. September 1999 ein Modellversuch zur Einführung von qualifizierter alternierender Telearbeit in der hamburgischen Verwaltung durchgeführt worden.

Mit der Einführung von Telearbeit verfolgt der Senat folgende Ziele:

­ Steigerung der Produktivität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch mehr Selbstverantwortung und Eigenmotivation,

­ Steigerung der Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit der hamburgischen Verwaltung als Arbeitgeber,

­ Erprobung neuer Arbeitsformen und Arbeitszeitmodelle,

­ flexible Anpassung der teilnehmenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ihre jeweilige familiäre Situation,

­ Verringerung von Raumproblemen,

­ Förderung von ziel- und ergebnisorientiertem Führungsverhalten,

­ Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Schwerbehinderte und Erleichterung ihrer Integration in das Erwerbsleben,

­ Einsparung von Fahrzeiten und -kosten durch Reduzierung der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz,

­ Beitrag zur Entlastung der Umwelt.

Mit der Erprobung sollte ermittelt werden, ob die mit der Einführung von Telearbeit verbundenen Ziele in der Praxis erreicht werden können.

An dem Modellversuch nahmen 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen (Durchführung datenschutzrechtlicher Prüfungen; Personalberichtswesen; Organisations- und Programmieraufgaben; Grundsatzfragen des Haushaltsrechts; umweltbezogener Gesundheitsschutz; juristische Beratung und Bearbeitung von Widerspruchsverfahren im Baurecht und hierarchischen Ebenen der Verwaltung) teil. Ihre häuslichen Arbeitsplätze wurden mit ausgestattet und über ISDN mit den jeweiligen Behördenrechnern vernetzt, so dass sie von zu Hause aus auf dieselben Systeme wie vom Arbeitsplatz der Dienststelle zugreifen konnten. Durch besondere technische Sicherheitsmaßnahmen wurde sichergestellt, dass ein Zugriff Unbefugter auf das hamburgische Telekommunikationsnetz nicht möglich war.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Modellversuchs verbrachten einen unterschiedlich hohen Zeitanteil an ihrem häuslichen Telearbeitsplatz, jedoch mindestens 20 % ihrer Arbeitszeit in der Dienststelle.

Im Rahmen der Erfolgskontrolle des Versuchs hat eine externe Unternehmensberatung im Auftrag der Finanzbehörde zwei Befragungen durchgeführt.1) Dabei wurden die Erfahrungen der an dem Modellversuch teilnehmenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihrer 10 Vorgesetzten sowie von Kolleginnen und Kollegen, die regelmäßige Arbeitsbeziehungen zu den Telearbeiterinnen und Telearbeitern unterhalten, in Form schriftlicher Befragungen erhoben.

Zusammenfassend hat die Erfolgskontrolle ergeben, dass die o. g. Zielsetzungen durch den Modellversuch ganz oder teilweise erreicht werden konnten. Dies dokumentieren eindeutig die positiven Beurteilungen aller drei Befragtengruppen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der technischen Realisierung verlief die Telearbeit bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern problemlos.

Erfahrungen der Telearbeiterinnen und Telearbeiter

Der Modellversuch hat die hohen Erwartungen, die die teilnehmenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits vor Aufnahme der Telearbeit geäußert hatten, voll erfüllt und teilweise noch übertroffen.

Es wurden vor allem folgende Vorteile genannt:

­ Erhöhung der Arbeitsproduktivität,

­ bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben,

­ ungestörteres Arbeiten am häuslichen Arbeitsplatz,

­ Erhöhung der Flexibilität,

­ Einsparung von Fahrzeiten und

­ die Möglichkeit, zu Hause selbstständiger arbeiten zu können.

Insgesamt zeigten sich fast alle Befragten davon überzeugt, durch Telearbeit an Lebensqualität gewonnen zu haben.

Erfahrungen der Vorgesetzten

Die Erhebungsergebnisse zeigen, dass die Vorgesetzten durch Telearbeit sowohl Vorteile für die Verwaltung als auch für die Beschäftigten erkennen:

­ mehr Flexibilität für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

­ Erhöhung der Mitarbeitermotivation durch höhere Arbeitszufriedenheit und

­ Steigerung der Mitarbeiterproduktivität durch konzentrierteres und ergebnisorientierteres Arbeiten.

Die im Rahmen des Modellversuchs erreichte Produktivitätssteigerung wird von den Telearbeiterinnen und Telearbeitern sowie den Vorgesetzten auf rund 15 % geschätzt. Beide Befragtengruppen halten weitere Steigerungen bis zu etwa 20 % für möglich. Im Hinblick auf die Ergebnisse anderer Studien erscheinen diese Werte durchaus realistisch.

Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen

Die Befürchtung, dass sich durch Telearbeit Störungen im Betriebsablauf oder erhebliche Mehrbelastungen für Kolleginnen und Kollegen ergeben könnten, haben sich nicht bestätigt.

Nur in wenigen Fällen mussten zusätzliche Tätigkeiten übernommen werden, die jedoch nur in geringem Maße als belastend empfunden wurden.

Ausblick:

Aufgrund der positiven Erfahrungen ist beabsichtigt, mit Beginn des Jahres 2001 alternierende Telearbeit als mögliche Form der Arbeitsorganisation für die Beschäftigten der hamburgischen Verwaltung anzubieten, wobei die Telearbeit so gestaltet werden soll, dass sie sowohl den Interessen der Beschäftigten als auch den Interessen der Behörden dient.

Die Ziele sowie die Rahmenbedingungen (s. Anlage 1) für alternierende Telearbeit und die Kriterien für die Auswahl von Telearbeitsplätzen (s. Anlage 2) werden in einer Vereinbarung nach § 94 des Hamburgischen Personalvertretungsgesetzes mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und Berufsverbänden des Öffentlichen Dienstes festgelegt. Die Vereinbarung wurde unterzeichnet.

Die Kosten für die Ausstattung eines Telearbeitsplatzes einschließlich der benötigten Hardware und Software, des ISDN-Anschlusses und Telefons sowie der Einbindung des Arbeitsplatzes über den Firewall des Landesamtes für Informationstechnik (LIT) belaufen sich nach den bisherigen Erfahrungen einmalig auf ca. 8000 DM. Die laufenden Kosten (Telekommunikationsgebühren, LIT-Gebühren) können bei Standleitungen im Durchschnitt mit monatlich ca. 500 DM veranschlagt werden. Diese Kosten sollen sich vor allem durch Produktivitätssteigerungen und Einsparung von Raumkosten amortisieren.

Die Einrichtung sowie die Beschäftigung auf einem Telearbeitsplatz ist für die Dienststellen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freiwillig. Ein Rechtsanspruch auf Einrichtung oder Beschäftigung auf einem Telearbeitsplatz besteht nicht. Über die Teilnahme interessierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der alternierenden Telearbeit entscheiden die Behörden und Ämter unter Beteiligung der Personalräte auf der Basis des o. g. Kriterienkatalogs. Im Rahmen der Auswahl sind verstärkt familiäre und gesundheitliche Gründe sowie soziale Aspekte zu berücksichtigen.

1) Einzelheiten sind in einer Dokumentation der Finanzbehörde Modellversuch Telearbeit in der hamburgischen Verwaltung dargestellt, die im Internet unter http: //www.hamburg.de/Behoerden/FB/Amt6/Telearbeit/erfahrungsbericht.htm aufgerufen werden kann.

Zur Regelung von Einzelheiten (z. B. Verteilung der Arbeitszeit auf häusliche Arbeitsstätte und Dienststelle; Festlegung von Kommunikationszeiten; Ausstattung des häuslichen Arbeitsplatzes) schließt die jeweilige Beschäftigungsbehörde mit jeder Telearbeiterin und jedem Telearbeiter eine entsprechende Einzelvereinbarung ab.

Zu II.1.

Der Senat hat bei der Entwicklung des Informationssystems und bei weiteren Aktionen zur Verbreitung der Telearbeit mit der Handelskammer und der Handwerkskammer sowie des Arbeitsamtes zusammengearbeitet. Zur Homepage der Handelskammer besteht auch ein Link im Informationssystem Telearbeit.

Zu II.2.

Durch das Hamburger Messeforum Telearbeit im Mittelstand im MAZ wurde der Öffentlichkeit und dem Mittelstand ein Angebot unterbreitet, sich mit der Problematik Telearbeit auseinander zu setzen. Verschiedene Foren sorgten für eine breite Aufklärung durch Vorträge und Diskussionen. An Informationsständen der Anbieter von Soft- und Hardware zur Telearbeit wurde die praktische Seite der Umwandlung von traditionellen Arbeitsplätzen zu Telearbeitsplätzen demonstriert.

Weitere Veranstaltungen, insbesondere des Senatsamtes für die Gleichstellung zu dem Thema, sorgten für eine breite Information in Hamburg. Das Informationsangebot im Internet wird laufend aktualisiert.

Zu II.3.

Das Thema Telearbeit eignet sich besonders für eine Zusammenarbeit über die Stadtgrenzen hinaus. Möglicherweise könnte bei entsprechender Verbreitung von Telearbeit Einfluss auf die Pendlerströme erzielt werden. Der Senat hat sich bereits früh darum bemüht, mit den norddeutschen Bundesländern Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ins Gespräch zu kommen. Da allerdings jedes Bundesland in unterschiedlichster Weise das Thema Telearbeit bearbeitet, ist es bis heute lediglich zu einem Erfahrungsaustausch gekommen.

Zu II.4.

Die Umwandlung von bestehenden Arbeitsplätzen in neue Formen der Arbeitsorganisation z. B. auch in Telearbeitsplätze ist ein Teil des Strukturwandels. Der Senat unterstützt diesen Wandel, indem er über das Informationssystem Telearbeit umfangreiche Informationen zur Verfügung stellt. Die Durchführung liegt bei den Unternehmen selbst. Modellprojekte und die regelhafte Einführung von Telearbeit sind bereits in vielen Betrieben im In- und Ausland durchgeführt worden. Gegenwärtig sieht der Senat keine Notwendigkeit, zusätzliche Projekte für kleine und mittlere Unternehmen durchzuführen.

Zu II.5.

Der Senat ist nicht der Meinung, dass neben den vorhanden Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weitere oder gar spezielle Regelungen zur Einführung von Telearbeit erforderlich seien (vgl. hierzu Beitrag zu I.3).