Sozialhilfe

In ihrer Sitzung am 15./16. September 1999 hat die Bürgerschaft zur Eingabe Nr. 546/99 beschlossen: Im Zusammenhang mit der Eingabe Nr. 546/99 (Ghanaische Staatsangehörige; hier: Duldung) wird der Senat ersucht,

­ mitzuteilen, wie andere Bundesländer den Aufenthaltsstatus von Ausländern regeln, die einen Antrag nach § 80 Absatz 5 Verwaltungsgerichtsordnung gestellt haben,

­ zu prüfen, ob Ausländer, die einen solchen Antrag gestellt haben und die gemäß einer Abrede zwischen den Verwaltungsgerichten und der Ausländerbehörde deshalb nicht abgeschoben werden, eine Duldung erhalten können, um ein bestehendes Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

Hierzu teilt der Senat mit:

1. Anlass/Vorgeschichte Hintergrund des Ersuchens bildet das sog. Stillhalteabkommen zwischen dem Verwaltungsgericht Hamburg und dem Einwohner-Zentralamt, wonach die Ausländerbehörde bei Verfahren zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes (Anträgen auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels gemäß § 80 Absatz 5 Verwaltungsgerichtsordnung) bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen grundsätzlich absieht, um keine vollendeten Tatsachen zu schaffen. Während dieser Eilverfahren verfügen die Betroffenen in der Regel nicht (mehr) über einen gültigen Aufenthaltstitel, so dass in dem zugrunde liegenden Eingabefall trotz eines noch anhängigen verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens die Versagung einer weiteren Arbeitserlaubnis zur Fortsetzung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses und damit eine entsprechende Sozialhilfebedürftigkeit zulasten des Hamburgischen Sozialhilfeträgers drohte.

Die Frage des ausländerbehördlichen Vorgehens bei noch anhängigen aufenthaltsrechtlichen Verfahren nach § 80 Absatz 5 Verwaltungsgerichtsordnung war bereits Gegenstand eines Antrages ­ Drucksache 16/2545 -, mit dem der Senat ersucht wurde zu berichten, wie sichergestellt werden kann, dass die... Betroffenen ihre aufenthaltsrechtliche Situation dokumentieren und sich hinreichend legitimieren können. Dem Antrag lag ­ anders als in dem Eingabefall ­ vorrangig die Besorgnis zugrunde, die Betroffenen seien nicht in der Lage, sich z. B. bei polizeilichen Kontrollen hinreichend zu legitimieren. Der Antrag wurde nach Berichterstattung im Innenausschuss zwar für erledigt erklärt, die Senatsvertreter sagten aber zu, die Anzahl der Betroffenen zu ermitteln (vgl. Bericht des Innenausschusses, Drucksache 16/2736).

Das Landeskriminalamt veranlasste daraufhin bei den örtlichen Polizeidienststellen ­ beginnend ab dem 1. August 1999 für die Dauer von acht Wochen ­ eine Sondererhebung zur Quantifizierung derjenigen Fälle, bei denen vollziehbar ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer trotz eines noch anhängigen verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts über einen längeren Zeitraum in polizeilichem Gewahrsam behalten wurden. Im Rahmen dieser Sondererhebung waren keine Rückmeldungen über derartige Fälle zu verzeichnen.

Die zuständige Fachbehörde hat bislang aus verwaltungspraktischen Gründen ­ insbesondere wegen des erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwandes ­ davon abgesehen, den Betroffenen für die Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes förmliche Duldungen oder sonstige ausländerbehördliche Bescheinigungen auszustellen, und die Betroffenen darauf verwiesen, den Umstand einer Antragstellung zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels gemäß § 80 Absatz 5 Verwaltungsgerichtsordnung erforderlichenfalls durch Vorlage einer Kopie der Antragsschrift oder anwaltliche Bestätigung glaubhaft zu Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 15./16. September 1999 (Drucksache 16/2934) zur Eingabe Nr. 546/99 machen. Obwohl diese Fälle in der polizeilichen Praxis keine nennenswerte Rolle spielen, wären bei jährlich ca. 600 aufenthaltsrechtlichen Eilverfahren (1998: 585Duldungen bzw. sonstige Bescheinigungen auszustellen und ggf. in kurzen Abständen nach Ermittlung des jeweiligen aktuellen Verfahrensstandes zu erneuern, da eine realistische Einziehungsmöglichkeit derartiger Bescheinigungen nach Abschluss des Eilverfahrens nicht besteht. Das wäre zur Ausstellung derartiger Bescheinigungen in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle schon deshalb nicht der richtige Adressat, weil nach der inzwischen vollzogenen Dezentralisierung ausländerbehördlicher Aufgaben ­ vgl. Drucksache 16/437 ­ in der Regel die Bezirksämter die an dem Verfahren nach § 80 Absatz 5 Verwaltungsgerichtsordnung beteiligten behördlichen Dienststellen sind. Es handelt sich nämlich um Fälle der Ablehnung einer (ggf. auch aus dem illegalen Aufenthalt heraus beantragten) Aufenthaltsgenehmigung, für die grundsätzlich eine bezirkliche Zuständigkeit besteht. Vor dem Hintergrund der erheblichen Arbeitsbelastung der bezirklichen Dienststellen gilt es zu entscheiden, ob sie jetzt mit weiteren, zusätzlichen Aufgaben belastet werden, zumal die Erforderlichkeit dieses zusätzlichen Verwaltungsaufwandes wegen einer lediglich abstrakten Gefahr etwaiger Legitimationsprobleme bei polizeilichen Kontrollen während der Nachtstunden (an Wochenenden und Feiertagen hält das Einwohner-Zentralamt zur Klärung aufenthaltsrechtlicher Fragen einen Bereitschaftsdienst vor) gerade auch nach dem Ergebnis der polizeilichen Sondererhebung nicht vermittelt werden kann.

Auch das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 2. Februar 1998 (6 BS 23/98, 1998, S. 98) bestätigt, dass aus dem sog. Stillhalteabkommen zwischen dem Verwaltungsgericht und dem kein Anspruch auf Erteilung einer Duldungsbescheinigung erwächst.

2. Zu den Gegenständen des bürgerschaftlichen Ersuchens im Einzelnen

Handhabung in den übrigen Ländern

Die zur Ermittlung der Regelungslage in den übrigen Ländern durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt und Thüringen hierzu keine förmlichen Erlassregelungen bestehen. Die ausländerbehördliche Praxis ist danach uneinheitlich. Im Einzelnen haben die Innenministerien/-senatsverwaltungen der übrigen Länder Folgendes mitgeteilt:

­ Baden-Württemberg: Im Regelfall würden bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vollzogen, wobei die Ausstellung förmlicher Duldungsbescheinigungen während der Eilverfahren nicht allgemeine Praxis ist.

­ Bayern: Die ausländerbehördliche Praxis entspreche der in Hamburg.

­ Berlin: Im Falle einer ausländerbehördlichen Zusicherung gegenüber dem Verwaltungsgericht, dass eine aufenthaltsbeendene Maßnahme vorerst nicht vollzogen werde, werde eine Grenzübertrittsbescheinigung mit verlängerter Ausreisefrist ausgestellt.

­ Brandenburg: Die Verwaltungsgerichte bäten im Einzelfall um eine vorläufige Aussetzung der Abschiebung.

Während der Dauer der Eilverfahren wird... eine förmliche Duldungsbescheinigung grundsätzlich nicht erteilt.

­ Bremen: Die ausländerbehördliche Praxis entspreche der in Hamburg.

­ Hessen: Überwiegend brächten die Verwaltungsgerichte gegenüber den Ausländerbehörden die Erwartung zum Ausdruck, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen vorerst unterbleiben. Überwiegend pflegen die hessischen Ausländerbehörden den Betroffenen eine Bescheinigung darüber auszustellen, dass... derzeit noch ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren schwebt.

­ Mecklenburg-Vorpommern: Die Ausländerbehörden würden von den Verwaltungsgerichten regelmäßig gebeten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vorerst abzusehen. In diesen Fällen würden Grenzübertrittsbescheinigungen oder Duldungen... ausgestellt.

­ Niedersachsen: Aufenthaltsbeendende Maßnahmen werden im Regelfall... weitergeführt, auf Bitte der Verwaltungsgerichte werde allerdings in der Regel von solchen Maßnahmen abgesehen. Den Betroffenen wird üblicherweise dann eine Duldung erteilt.

­ Nordrhein-Westfalen: Die Ausländerbehörden sähen in der Regel vorerst von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ab und erteilten dann regelmäßig eine Duldung. Dies gelte nicht nach erfolglosem erstinstanzlichen Verfahren für weitere Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht.

­ Rheinland-Pfalz: Im Allgemeinen werde der Erwartung der Verwaltungsgerichte, aufenthaltsbeendende Maßnahmen vorerst zurückzustellen, entsprochen. Nur eine Ausländerbehörde erteile in diesen Fälle generell Duldungen. Im Übrigen würden gesonderte ausländerbehördliche Bescheinigungen nicht erteilt bzw. Duldungen nur in bestimmten Ausnahmefällen erteilt.

­ Saarland: Das Verwaltungsgericht bittet im Einzelfall, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vorerst abzusehen. Nicht in jedem Fall wird... eine Duldung erteilt.

­ Sachsen: Die Verwaltungsgerichte bitten im Einzelfall, von Abschiebungen vorerst abzusehen. Eine gesonderte aufenthaltsrechtliche Bescheinigung wird nicht erteilt.

­ Sachsen-Anhalt: Nach dem dortigen Erlass ist das Verwaltungsgericht darauf hinzuweisen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen fortgesetzt werden. (Ausnahme in den Fällen des § 36 Absatz 3 Satz 8 Asylverfahrensgesetz).

­ Schleswig-Holstein: Die Ausländerbehörden sähen regelmäßig von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ab. Zum Teil würden Duldungen erteilt, zum Teil nicht.

­ Thüringen: Bittet das zuständige Gericht die Ausländerbehörde, bis zur Entscheidung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen, so kann eine Duldung gemäß § 55 Absatz 3 erste Alternative erteilt werden. § 55 Absatz 4 ist zu beachten. die Zahl für 1999 kann wegen der sukzessive erfolgten Teildezentralisierung ausländerbehördlicher Dienststellen und damit verbundenen Doppelerfassungen bei der Rechtsabteilung des Einwohner-Zentralamts und den bezirklichen Rechtsämtern nicht ohne erheblichen Aufwand ermittelt werden, dürfte aber ebenfalls rund 600 betragen.

Prüfung der Möglichkeiten einer Duldungserteilung zur Fortsetzung bestehender Arbeitsverhältnisse

Die der Eingabe Nr. 546/99 zugrunde liegende Fallgestaltung einer konkreten Gefahr der Versagung einer weiteren Arbeitserlaubnis zur Fortsetzung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses wegen fehlender aufenthaltsrechtlicher Legitimation betrifft nach Einschätzung der zuständigen Fachbehörde nur einen geringen Anteil der jährlich ca. 600 aufenthaltsrechtlichen Eilverfahren in Hamburg.

Für diese begrenzte Zahl von Fällen, bei denen die Fortsetzung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ohne eine aufenthaltsrechtliche Legitimation gefährdet ist und bei denen die Möglichkeit der Fortsetzung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses durch Vorlage eines gültigen Arbeitsvertrages sowie einer hierfür (noch) gültigen Arbeitserlaubnis glaubhaft gemacht werden kann, werden die den Prozess und damit auch die Akten führenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bezirklichen Rechtsämter bzw. des Einwohner-Zentralamtes künftig die Ausreisefrist entsprechend der Dauer des Stillhalteabkommens verlängern und sie mit dem Zusatz versehen, dass ausländerrechtlich der Weiterbeschäftigung/Weiterarbeit nichts entgegensteht. Bei noch nicht abgelaufener Ausreisfrist ist nämlich die Verlängerung der Arbeitserlaubnis nach § 5 Nr. 4

Arbeitsgenehmigungsverordnung möglich, einer förmlichen Duldungserteilung bedarf es also nicht, um dem Anliegen des bürgerschaftlichen Ersuchens Rechnung zu tragen.

Der mit dieser Fristverlängerung, die im ausländerrechtlichen Automationsverfahren PAULA dokumentiert wird, verbundene Verwaltungsaufwand wird hier noch für vertretbar gehalten, um die legale Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu ermöglichen und Sozialhilfebedürftigkeit zulasten des Hamburgischen Sozialhilfeträgers abzuwenden.

Anders als bei der Erteilung einer förmlichen Duldung unterliegt die Verlängerung der Ausreisefrist keinen besonderen Formvorschriften, insbesondere bedarf es nicht der speziellen Klebeetiketten, deren Verwendung ein spezielles Sicherheitsmanagement erfordert, für das insbesondere die hauptsächlich betroffenen bezirklichen Rechtsämter nicht eingerichtet sind. Die Verlängerung der Ausreisefrist kann deshalb direkt durch die den Prozess und damit auch die Akten führenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bezirklichen Rechtsämter bzw. des Einwohner-Zentralamtes erfolgen und es bedarf keines aufwändigen Aktentransfers zu anderen Dienststellen. Die Rechtsämter der Bezirke und das Einwohner-Zentralamt werden darauf hingewiesen, künftig in dieser begrenzten Zahl von Fällen entsprechend zu verfahren.

In der weit überwiegenden Mehrzahl der übrigen Fälle, bei denen lediglich abstrakte Gefahren etwaiger Legitimationsprobleme während der Nachtstunden bestehen, wird dagegen auch künftig von dem auch mit der Verlängerung der Ausreisefrist verbundenen zusätzlichen Verwaltungsaufwand Abstand genommen.

3. Petitum

Der Senat bittet die Bürgerschaft um Kenntnisnahme.