Behandlung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen in der Sexualerziehung

Die von der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung (BSJB) 1996 eingeführte Richtlinie für die Sexualerziehung zielt in ihren Inhalten unter anderem auch darauf, Schülerinnen und Schüler altersgemäß über verschiedene sexuelle Orientierungen zu informieren und sie im Umgang mit lesbischen Mitschülerinnen und schwulen Mitschülern darin zu bestärken, respektvoll und tolerant zu sein. Lesbische Schülerinnen und schwule Schüler sollen in ihrer Identitätsentwicklung gerade auch in der Phase des Coming-out unterstützt werden.

1. Welche unterstützenden Unterrichtsmaterialien werden für die Behandlung des Themenfeldes gleichgeschlechtliche Lebensweisen für Lehrerinnen und Lehrer sowie für Schülerinnen und Schüler seitens der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung bzw. über das Institut für Lehrerfortbildung, das Studienseminar oder andere Stellen angeboten und welche dieser Materialien berücksichtigen geschlechtsspezifische sowie interkulturelle Aspekte des Unterrichts?

Jede Hamburger Schule mit Sekundarstufe hat folgende von der zuständigen Behörde herausgegebenen Publikationen erhalten:

­ Sexualpädagogik in der Schule gestalten, Handreichung zur Qualifizierung von Lehrkräften der Sekundarstufen, 2000.

­ Lebensformen und Sexualität, Beiträge aus den Vortragsreihen des Modellprojekts Berufsbegleitende Sexualpädagogische Fortbildung, Heft 4, 2000.

­ Jugend-Liebe-Freundschaft-Sexualität, Die Medienliste: Filme, Videos, 2000.

In der vorstehend genannten Handreichung werden sowohl die Bereiche Homosexualität (in Kapitel 7) als auch kulturelle Aspekte der Sexualerziehung (in Kapitel 12) thematisiert. In Heft 4 der genannten Fachheftreihe sind folgende Artikel zu finden:

­ Thomas Grossmann: Sich outen oder sich verstecken? Schwule Jugendliche in der Schule - Homosexualität in der Schule.

­ Gabriela Herwig: Das sind ja auch Menschen...! Zur Situation lesbischer Mädchen in der Schule.

­ Daniel Kunz, Lucyna Wronska: Interkulturelle Sexualpädagogik in der schulischen Sexualerziehung.

­ Annette Rethemeier, Bärbel Ribbert: Interkulturelle Sexualpädagogik mit Mädchen. Ein Workshop für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren.

Der Anhang des Heftes 4 enthält unter anderem eine Liste der Beratungsstellen zum Thema Homosexualität in Hamburg.

Die Publikationen sind für Lehrerinnen und Lehrer geeignet, die sich mit der Thematik gleichgeschlechtlicher Lebensweisen bisher noch nicht sehr intensiv beschäftigt haben.

Weiterhin hat jede Schule die Sexualpädagogischen Materialien, herausgegeben von Uwe Sielert u.a., aus dem Beltz-Verlag erhalten. Unter der Rubrik Lust auf das eigene Geschlecht finden sich hier Materialien für den Unterricht.

Zurzeit wird der Elternratgeber Und wenn mein Kind anders ist? Informationen für Eltern homosexueller Söhne und lesbischer Töchter überarbeitet.

Das Thema Gleichgeschlechtliche Lebensweisen wird im Staatlichen Studienseminar im Rahmen der Aufgabengebiete grundsätzlich in den Hauptseminaren und den Fachseminaren Biologie und Geschichte/Sozialkunde/Politik behandelt. Dies geschieht in enger Kooperation mit der Beratungsstelle für Sexualerziehung des Instituts für Lehrerfortbildung. Die Referendarinnen und Referendare werden über die von der Beratungsstelle empfohlenen Materialien informiert, die sich auf geschlechtsspezifische (und interkulturelle) Aspekte des Unterrichts beziehen. Außerdem werden Referendarinnen und Referendare in Hospitationen und bei der Erstellung von Hausarbeiten von den Seminarleiterinnen und Seminarleitern beraten.

Die Beratungsstelle für Sexualerziehung im verfügt über eine Präsenzbücherei. Entsprechende Hinweise auf Literatur erfolgen auch in den vom angebotenen Veranstaltungen. Exemplarisch seien einige Materialien genannt:

a) als Hintergrundinformation:

­ Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport Berlin: Sie liebt sie. Er liebt ihn. Eine Studie zur psychosozialen Situation junger Lesben, Schwuler und Bisexueller in Berlin, Berlin 1999,

b) für die Unterrichtsgestaltung:

­ Jugendnetzwerk Lambda Nord e.V. und Landesjugendring Schleswig-Holstein e.V. (Hrsg.): homo hetero bi normal?! Sexuelle Orientierung ­ Methoden für die Jugendarbeit, 1999,

­ Ministerium für Frauen, Jugend, Wohnungs- und Städtebau des Landes Schleswig-Holstein (Hrsg.): Homosexualität als Thema im Sprach- und Literaturunterricht, 1999,

­ Uwe Sielert, Karlheinz Valtl (Hrsg.): Sexualpädagogik lehren, Didaktische Grundlagen und Materialien für die Aus- und Fortbildung, Kapitel Lesbische und schwule Lebensweisen, Weinheim und Basel 2000,

­ Karlheinz Valtl: Sexualpädagogik in der Schule, Didaktische Analysen und Materialien für die Praxis, Kapitel Heiße Eisen, Homosexualität, Weinheim und Basel 1998,

c) Geschichten und Romane:

­ Marion Dane Bauer: Am I blue? 14 Stories von der anderen Liebe, Hamburg 1996,

­ Doris Meißner-Johannknecht: Amor kam in Leinenschuhen, 1999,

­ Lutz van Dijk: Anders als du denkst, Geschichten über das erste Mal, Düsseldorf 1996,

d) für Jugendliche:

­ Ellen Bass, Kate Kaufmann: Wir lieben wen wir wollen, Selbsthilfe für lesbische, schwule und bisexuelle Jugendliche, Berlin 1999,

­ Joachim Braun: Ich will keine Schokolade... Das coming-out-Buch für Schwule, Reinbek bei Hamburg 2001,

­ Joachim Braun, Beate Martin: Gemischte Gefühle, Ein Lesebuch zur sexuellen Orientierung, Reinbek bei Hamburg 2000,

­ Hans Nolte (Hrsg.): out now, Das coming-out-Buch für Jungen, Hamburg 2000.

2. Welche Projekte oder Veranstaltungen wurden seit der Einrichtung des Fonds Behandlung gleichgeschlechtlicher Lebensformen im Schulunterricht (August 2000) über diesen Fonds finanziert?

Aus dem vom Senatsamt für die Gleichstellung eingerichteten Sonderfonds zur Förderung der Behandlung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen im Schulunterricht wurden bislang folgende Projekte finanziert:

­ Homosexuelle Lebensweisen, weibliche und männliche Homosexualität im Rahmen einer Unterrichtseinheit ab Klasse 10 (Gesamtschule Bergedorf).

­ Basisprojekt zum Thema Sexualethik, sexuelle Orientierung (Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer/Helene-Lange-Gymnasium, Oberstufe).

­ Pilotprojekt zum Thema Sexualerziehung mit dem Schwerpunkt sexuelle Orientierung/gleichgeschlechtliche Lebensweisen (Helene-Lange-Gymnasium).

­ Gleichgeschlechtliche Lebensformen im Rahmen eines Grundkurses Psychologie (Gymnasium Dörpsweg).

3. Wie werden Lehrerinnen und Lehrer vor dem Hintergrund einer in vielen Fällen sachlich angezeigten geschlechtergetrennten und interkulturellen Sexualerziehung darin unterstützt, das Themenfeld gleichgeschlechtlicher Lebensformen im Schulunterricht angemessen zu vermitteln?

In allen Veranstaltungen der Beratungsstelle für Sexualerziehung, bei der Vorstellung des Aufgabengebietes in Haupt- und Fachseminaren, in der Beratung einzelner Lehrerinnen und Lehrer und in der Begleitung einzelner Teams einer Schule wird der Bereich gleichgeschlechtliche Lebensweisen angesprochen. Es wird dabei darauf geachtet, dass gleichgeschlechtliche Lebensweisen integraler Bestandteil aller Unterrichtsthemen zur Sexualerziehung sind und nicht als Sonderthema allein in Zusammenhang mit Aids aufgegriffen werden. Lesbische Lehrerinnen und schwule Lehrer erhalten in der Beratungsstelle Adressen von Initiativen und von bundesweiten Treffen Betroffener.

4. Welche Veranstaltungen oder Seminare zum Themenfeld gleichgeschlechtliche Lebensweisen werden im Rahmen der Hochschulausbildung für Lehramtsstudentinnen und -studenten angeboten, welche Veranstaltungen oder Seminare (selbstständig oder in Kooperation) vom Studienseminar und welche vom Institut für Lehrerfortbildung und wie werden diese Angebote von den jeweiligen Zielgruppen angenommen?

Das Themenfeld gleichgeschlechtliche Lebensweisen wird an der Universität Hamburg in Veranstaltungen verschiedener Bereiche (wie z. B. Geschichtswissenschaft, Soziologie, Sexualforschung im UKE) behandelt, die auch Lehramtsstudierende besuchen können. Eine Auflistung aller Veranstaltungen, die das genannte Themenfeld mit behandeln, ist in der für die Beantwortung der Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten. Das Angebot wird im Übrigen demnächst durch die Einrichtung einer Professur für Queer Studies, für die das Berufungsverfahren bereits läuft, noch erweitert. Hinzuweisen ist ferner auf das auch Lehramtsstudierenden offen stehende Angebot der Arbeitsstelle für wissenschaftliche Weiterbildung der Universität, zu dem regelmäßig thematisch einschlägige Ringvorlesungen (wie z. B. Sexualität und Geschlecht oder Jenseits der Geschlechtergrenzen) gehören.

Das bietet seit Jahren Fortbildungsveranstaltungen für die in der Anfrage benannte Thematik an.

1998 und 1999 fanden die Veranstaltungen Lebensformen und Sexualität, Kindheit, Jugendphase und Sexualität und Vorstellung neuer Unterrichtsmaterialien, in denen die Thematik explizit aufgegriffen wurde, statt. Für 2001 sind die Veranstaltungen Vielfalt der Geschlechter, Gleichgeschlechtliche Lebensformen ­ ein Thema für den Schulunterricht... und zwei Veranstaltungen zur interkulturellen Sexualerziehung in Kooperation mit dem Beratungsfeld Interkulturelle Erziehung geplant.

In einem Modellprojekt, an dem Berlin, Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein beteiligt waren, sind in Hamburg 18 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausgebildet worden. Gegenstand dieser Fortbildung war ein Fortbildungsblock zur Thematik Sexuelle Orientierung und Wertvorstellungen. Parallel dazu gab es eine Vorlesungsreihe Jugendphase und Sexualität, zu der alle Lehrerinnen und Lehrer eingeladen waren. Prof. Dr. Karin Flake behandelte das Thema homoerotische Begehren von Mädchen in ihrem Vortrag Weibliche Adoleszenz ­ Körperkonzepte und Lebensentwürfe von Mädchen.

Inzwischen existiert am ein Multiplikatoren-Arbeitskreis, der Anfang des Jahres mit Unterstützung von Pro Familia zum Thema gleichgeschlechtliche Lebensweisen gearbeitet hat. Die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren bieten Fortbildungen für einzelne Schulen an.

Seit 1999 finden jährlich die Jugend-Filmtage besser drauf bzw. machs mit im statt. Zur Vorbereitung der Lehrerinnen und Lehrer findet ein Workshop statt, in dem Materialien vorgestellt werden. Folgende Filme werden zum Thema gleichgeschlechtliche Lebensweisen angeboten: Beautiful thing, Raus aus Amal und Boys dont cry. Nach dem Film besteht für die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit zur Diskussion. Im Foyer wird das Thema gleichgeschlechtliche Lebensweisen unter anderem am Info-Stand des Junglesben-Zentrums aufgegriffen.

Die Beratungsstelle für Sexualerziehung des unterstützt das Senatsamt für die Gleichstellung bei der Beratung von Schulen, die Mittel aus dem in der Antwort zu 2. genannten Fonds beantragt haben.

Die Beratungsstelle für Sexualerziehung ist regelmäßig im Arbeitskreis Sexualität der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG) vertreten. Im November 2000 fand mit Unterstützung der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung die Fachtagung Lieber Interkulturell statt.

5. Welche weiteren Möglichkeiten sieht der Senat, Lehrerinnen und Lehrer in Hamburg darin zu unterstützen, das Themenfeld gleichgeschlechtliche Lebensweisen geschlechtsspezifisch, altersangemessen und unter Berücksichtigung der teils sehr unterschiedlichen kulturellen Hintergründe der Schülerinnen und Schüler zu unterrichten?

Vorgesehen ist, dass die Beratungsstelle für Sexualerziehung des zusammen mit den Lehrerinnen und Lehrern, die den Fonds des Senatsamts für die Gleichstellung in Anspruch genommen haben, die Unterrichtsprojekte auswerten und dokumentieren. Es ist geplant, hieraus optisch ansprechendes Material für die Schulen zu entwickeln.

Weiterhin wird vom in Zusammenhang mit der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales verfolgt, ob die so genannte Kiste ­ es handelt sich um eine Materialienkiste zur schwul-lesbischen Aufklärung aus Nordrhein-Westfalen ­ auch in Hamburg eingesetzt werden kann.

Für Anfang 2002 ist vom Arbeitskreis Sexualität der HAG angeregt worden, eine Zukunftswerkstatt zur interkulturellen Sexualerziehung u.U. am durchzuführen.

Die Beratungsstelle für Sexualerziehung des nimmt an einer bundesweiten Koordination der Gesellschaft für Sexualpädagogik zum Thema gleichgeschlechtliche Lebensweisen in der Schule teil.

6. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit, Unterricht zum Themenfeld gleichgeschlechtliche Lebensweisen durch Sachkompetenz von außen zu bereichern, indem bei Bedarf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geeigneter Träger und Projekte (wie etwa: Pro Familia, Intervention e.V.) in beratender Funktion gezielt von den jeweiligen Lehrkräften in den Unterricht eingebunden werden und welche Möglichkeiten der Finanzierung sieht der Senat ggf.?

Bereits alle laufenden Schulprojekte haben in den Förderanträgen ihre Absicht zur Kooperation mit geeigneten außerschulischen Trägern und Projekten bekundet.

Fördermittel können auch für die Bezahlung von Arbeitsergebnissen, die von Externen erbracht werden, verwendet werden.