Bekämpfung der illegalen Prostitution in Hamburg und Schutz der Opfer von Menschenhandel

In den vergangenen Wochen haben laut Presseberichten mehrere Polizeiaktionen in Hamburger Bordellen und auf der Straße stattgefunden. Mehrere Prostituierte, die sich zum Teil illegal in Deutschland aufhalten, sollen dabei in Polizeigewahrsam genommen worden sein.

Einem Artikel der Zeitung. Die Welt vom 9. November 2001 zufolge soll eine Polizeiaktion auf dem Straßenstrich in St.Georg in der Nacht auf den 8. November 2001 den Auftakt zu einem Schwerpunkteinsatz gegeben haben.

Die Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Bereich des Menschenhandels hatte bisher in Hamburg einen hohen Stellenwert. Neben intensiven polizeilichen Aktionen zur Bekämpfung des Menschenhandels wird in Hamburg seit längerem intensiv auch auf die Belange der Opfer von Frauenhandel eingegangen.

Zur Bekämpfung des Menschenhandels und der damit verbundenen Ausbeutung ausländischer Frauen entwickelte die Polizei im November 1997 ein Konzept zur Bekämpfung der Modellprostitution.

Mit der Durchführung der kriminalpolizeilichen Ermittlungen und parallel mit der Betreuung der Opfer von Menschenhandel wurden die zuständigen Sachgebiete des Landeskriminalamtes (LKA 733 bzw. LKA 252) betraut.

Um den betroffenen ausländischen Frauen eine möglichst umfassende Unterstützung anbieten zu können, wurden Beratungs- und Betreuungsangebote geschaffen. Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, können sich unmittelbar als Zeuginnen für das Ermittlungsverfahren zur Verfügung stellen und in ein Betreuungsprogramm des LKA aufgenommen werden. Für die Dauer des Verfahrens erhalten die Zeuginnen eine ausländerrechtliche Duldung. Alternativ können die Opfer aber auch zunächst eine vierwöchige Bedenkzeit in Anspruch nehmen, um zu entscheiden, ob sie als Zeuginnen im Verfahren aussagen möchten. Während dieser Zeit werden die Frauen durch die Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel (KOOFRA) betreut. Ihnen wird eine entsprechende Ausreisefrist (Duldung) gewährt.

Zwischen KOOFRA und der Polizei Hamburg wurde am 29. November 1999 eine Vereinbarung getroffen, die ein enges Zusammenwirken sicherstellt. Damit wird den Frauen, die in Hamburg Opfer von Menschenhandel wurden, eine Betreuung zuteil, die es ihnen ermöglicht, ohne Druck oder Einflussnahme aus dem gewaltsamen Umfeld über das weitere Vorgehen (Zeugenaussage, Lösung aus dem Milieu, Rückkehr in das Heimatland) zu entscheiden. Ohne dieses Betreuungsangebot wären viele der betroffenen Frauen nicht in der Lage, sich aus ihrem bisherigen Umfeld und somit von den Tätern zu lösen.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. Wie viele Polizeiaktionen, die mit der Bekämpfung des Menschenhandels zusammenhängen oder sich gegen illegale Prostitution richten, hat es in Hamburg im Zeitraum vom 8. November bis zum 23. November 2001 in Bordellen, so genannten Modellwohnungen und auf der Straße gegeben?

2. Durch welche Dienststellen wurden die Polizeiaktionen veranlasst? War das Landeskriminalamt in die Entscheidung und die Abläufe eingebunden? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, weshalb nicht?

In der Zeit vom 7. November 2001 (Nacht auf den 8. November 2001) bis zum 23. November 2001 richteten sich vier Einsätze der Polizei Hamburg gegen ausländerrechtliche Verstöße, Menschenhandel und die Schleusungskriminalität durch bzw. zum Nachteil von sich prostituierenden Menschen.

Von diesen Einsätzen wurden zwei in Bordellen, einer in Modellwohnungen und einer im öffentlichen Raum durchgeführt.

Zwei der vier genannten Einsätze wurden vom Fachkommissariat zur Bekämpfung der Milieukriminalität (LKA 73) aufgrund staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren zur Vollstreckung von Durchsuchungsbeschlüssen des Amtsgerichtes Hamburg durchgeführt.

Aufgrund eines Hinweises aus einem anderen Ermittlungsbereich ergab sich ein weiterer Einsatz, der durch den Kriminaldauerdienst (LKA 22) des LKA wahrgenommen wurde.

Ein Einsatz wurde durch das Polizeikommissariat 11 (PK 11) veranlasst und von dort gemeinsam mit der Ausländerbehörde durchgeführt. Das LKA war über diesen Einsatz informiert und insoweit eingebunden. Nicht von dieser Aufzählung umfasst sind Einsätze, die sich darüber hinaus kurzfristig im Rahmen der täglichen Ermittlungsarbeit bzw. des Streifendienstes ergeben haben.

3. Lag in den in der Presse beschriebenen Fällen im Zeitraum vom 8. November bis zum 23. November 2001 ein Verdacht auf Menschenhandel bzw. Zwangsprostitution vor?

Wenn ja, in wie vielen Fällen? Bitte aufschlüsseln nach Herkunftsland, Aufenthaltsstatus und Alter der Prostituierten.

Bei einer der in Antwort zu 1. und 2. genannten polizeilichen Aktionen lagen Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichtes Hamburg wegen Verdacht des Menschenhandels vor. Hierbei handelte es sich um drei Frauen aus Litauen und eine aus Lettland im Alter von 21, 22, 23 und 29 Jahren. Bei dieser Aktion ging es vornehmlich um die Beweissicherung zum vorliegenden Verdacht.

Nach der derzeitigen Erkenntnislage stehen die bei diesem Einsatz angetroffenen illegal tätigen Prostituierten in keinem Zusammenhang mit dem dem Einsatz zugrunde liegenden Tatverdacht.

In den übrigen Fällen wurden die Aktionen nicht vor dem Hintergrund des Verdachtes eines Verstoßes gemäß der §§180b (Menschenhandel), 181 (Schwerer Menschenhandel) durchgeführt. Entsprechende Verdachtsmomente haben sich in diesen Fällen bislang nicht ergeben, die Ermittlungen dauern an.

Wie, durch wen und nach welchen Kriterien wird konkret ermittelt, ob es sich um Menschenhandel bzw. Zwangsprostitution handelt?

Menschenhandel lässt sich in der Regel nur feststellen, wenn die betroffenen Frauen hierzu gegenüber den Strafverfolgungsbehörden Angaben machen. Für die Bearbeitung eines derartigen Ermittlungsverfahrens ist das LKA 73 zuständig.

Zur Sensibilisierung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei ist als Hilfsmittel vom Senatsamt für die Gleichstellung, KOOFRA und der Polizei eine Indikatorenliste zur Erkennung entsprechender Verdachtsmomente erstellt worden.

Sofern auch nur vage Anhaltspunkte für eine Straftat gemäß §§180b oder 181 vorliegen, wird eine eingehende Betrachtung aller Umstände vorgenommen; soweit erforderlich wird das LKA 73 bereits in diese Bewertung einbezogen.

In wie vielen Fällen hat sich infolge der Polizeiaktionen der Verdacht erhärtet?

Siehe Antwort zu 3. und 3.1.

Ausländische Prostituierte gehen ihrem Gewerbe häufig unter Zwang nach. Seit August 1999 gilt bei der Hamburger Polizei eine Weisung, die Opfern von Menschenhandel die Möglichkeit gibt, eine vierwöchige Bedenkzeit wahrzunehmen und mit Hilfe von KOOFRA ihre Angelegenheiten zu ordnen. Die Prostituierten können in diesen vier Wochen entscheiden, ob sie eventuell als Zeuginnen in einem Strafverfahren aussagen wollen.

4. Wird die Weisung, die den Opfern von Menschenhandel bzw. Zwangsprostitution vier Wochen Bedenkzeit gewährt, bevor die Opfer entscheiden müssen, ob sie sich in einem Strafverfahren als Zeuginnen zur Verfügung stellen und aussagen wollen, weiterhin angewendet?

Ja, vgl. auch Vorbemerkung.

Wenn nein, aufgrund wessen Entscheidung und mit welcher Begründung nicht mehr?

Entfällt.

Wenn ja: Ist bei den Polizeiaktionen der letzten Wochen diese Weisung angewendet worden? Wenn nein, warum nicht?

Bei den Einsätzen wurden keine Personen angetroffen, die nach derzeitigem Ermittlungsstand als Opfer von Menschenhandel anzusehen wären. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. und 3.1.

Wie viele Frauen haben im Laufe dieses Jahres von dieser Regelung Gebrauch gemacht? Bitte aufschlüsseln nach Monaten.

In 2001 hat bisher keine der durch die Polizei Hamburg angetroffenen Frauen von dieser Regelung Gebrauch gemacht.

Zwischen der Polizei und KOOFRA, der Koordinierungsstelle für die Opfer von Frauenhandel, gibt es eine Vereinbarung, wonach KOOFRA von der Polizei hinzugezogen werden soll, wenn die Polizei potentielle Opfer von Menschenhandel bzw. Zwangsprostitution in Gewahrsam nimmt.

5. Ist vor, während oder nach Abschluss der unter Ziffer 1 erfragten Polizeiaktionen der letzten Wochen, die mit der Bekämpfung des Menschenhandels zusammenhingen, Kontakt zu KOOFRA aufgenommen worden?

Wenn ja, mit welchem Ziel?

Wenn nein, mit welcher Begründung nicht?

Lediglich einem Einsatz lag ein Verdacht auf Menschenhandel zugrunde. Aufgrund der vorangegangenen Ermittlungen ging das LKA davon aus, dass keine Opfer von Menschenhandel angetroffen werden. Daher wurde in diesem Fall auf die entsprechende Information von KOOFRA verzichtet. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. und 3.1.

Grundsätzlich wird KOOFRA von der zuständigen polizeilichen Dienststelle über geplante Einsätze, die der Bekämpfung des Menschenhandels dienen, informiert, um zeitgerecht Ansprechpartnerinnen für die von der Polizei festgestellten Opfer von Menschenhandel zur Verfügung zu stellen und so ihre schnelle Betreuung zu gewährleisten.

6. Wie viele der im Rahmen dieser Polizeiaktionen aufgegriffenen Prostituierten werden jetzt von KOOFRA betreut?

Wie viele der aufgegriffenen Frauen werden nicht von KOOFRA betreut und warum nicht?

Eine Betreuung durch KOOFRA erfolgt in Fällen des Menschenhandels bzw. des Schweren Menschenhandels. Weil bei keinem der in der Antwort zu 1. und 2. genannten Einsätze entsprechende Verdachtsmomente bei den angetroffenen Frauen gegeben waren, erfolgte auch keine Betreuung durch KOOFRA. Unabhängig von diesen Einsätzen haben sich im Bezugszeitraum zwei Frauen über die Polizei an KOOFRA gewandt und werden dort zurzeit betreut.

Wie viele dieser Frauen wurden bereits ausgewiesen? Wie viele Frauen haben das Bundesgebiet freiwillig verlassen, wie viele wurden abgeschoben? Wie vielen dieser Frauen steht die Abschiebung bevor, wie viele befinden sich in Abschiebungshaft?

Insgesamt wurden bisher 27 der bei den genannten Einsätzen angetroffenen illegal aufhältlichen Frauen ausgewiesen. Sechs Frauen haben das Bundesgebiet freiwillig verlassen, 18 Frauen wurden abgeschoben. Derzeit befinden sich noch zwei Frauen in Abschiebungshaft. Bei einer Frau ist die Ausreisefrist noch nicht abgelaufen.

Ist bei den ausgewiesenen bzw. abgeschobenen Frauen ausgeschlossen, dass sie Opfer von Menschenhandel sind?

Selbst wenn bei Betrachtung aller objektiven Merkmale und subjektiven Eindrücke im Rahmen des Ermittlungsverfahrens keine Anhaltspunkte einen Verdacht des Menschenhandels ergeben, ist nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, dass die betroffenen Frauen Opfer von Menschenhandel geworden sind.

Im Übrigen siehe Antwort zu 3.2.

7. Im Juni 1999 hat ein interbehördlicher Arbeitskreis zur Bekämpfung des Frauenhandels begonnen zu arbeiten. Über die Ergebnisse wurde der Bürgerschaft im Juli 2001 berichtet. Welche Arbeitsergebnisse sind seitdem zu verzeichnen?

Der interbehördliche Arbeitskreis zur Bekämpfung des Frauenhandels hat seit der letzten Berichterstattung im Juli 2001 zweimal getagt. Der Senat hat sich mit den Ergebnissen bisher nicht befasst.