Gesundheit im Strafvollzug - Gesundheit von Strafgefangenen

Der neue Senat hat angekündigt, Strafgefangenen keine sterilen Einwegspritzen mehr zur Verfügung zu stellen. Mit den sterilen Einwegspritzen haben sich Gefangene Drogen injiziert. Die Vergabe von Spritzen erfolgte unter strenger Reglementierung und sollte die Gefahr einer Ansteckung mit Hepatitis und/oder HIV bei intravenösem Drogengebrauch durch das so genannte Needle-Sharing vermeiden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat.

Die Ausgabe von Spritzen an Gefangene wurde mit Wirkung vom 1. Februar 2002 eingestellt, weil der erhoffte infektionsprophylaktische Nutzen nicht nachgewiesen werden konnte und Hinweise dafür vorlagen, dass sich drogenabhängige und -gefährdete Gefangene durch die Vergabe von Spritzen zur intravenösen Einnahme von Drogen verleiten lassen.

Insbesondere die für alle Gefangenen zugänglichen Spritzenautomaten in der JVA Vierlande, aber auch die Vergabe nach dem Hand-zu-Hand-Modell, führten zu einer unüberschaubaren Verbreitung von Spritzen unter den Gefangenen mit erheblichen zusätzlichen Risiken für alle Beteiligten.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. Wie viele Strafgefangene sitzen derzeit in Hamburg ein (bitte aufgeschlüsselt nach Anstalten)?

2. Wie viele der Strafgefangenen sind drogenabhängig, wie viele konsumieren intravenös Drogen?

Nach Schätzungen der Hamburger Justizvollzugsanstalten sind möglicherweise bis zu einem Drittel der Strafgefangenen suchtmittelabhängig. Die Anzahl der Drogenabhängigen mit teilweiser oder ausschließlicher intravenöser Einnahme von Drogen ist nicht bekannt. Eine Untersuchung des Instituts für Rechtsmedizin des Universitäts-Krankenhauses Eppendorf in den Justizvollzugsanstalten Am Hasenberge und Nesselstraße aus dem Jahr 1998 hat gezeigt, dass in diesen Anstalten ca. 20 Prozent der Insassen in der Haft Heroin oder Kokain einnehmen. Von diesen berichteten ca. zwei Drittel über intravenöse Einnahme. Eine Übertragung der Werte auf die aktuelle Belegung ist wegen möglichen Änderungen hinsichtlich Art und Umfang des Drogenmissbrauches nicht möglich.

3. Wie viele Gefangene haben in der Anstalt Vierlande (Anstalt XII), in der Frauenanstalt Hahnöfersand (Anstalt IV) und in der Anstalt Am Hasenberge (Anstalt II) jeweils seit dem dortigen Beginn der Maßnahme an dem Spritzentauschprogramm teilgenommen (bitte aufgeschlüsselt nach den drei genannten Anstalten)?

In der JVA Vierlande wurden vom 20. Juni 1996 bis zum 31. Januar 2002 Spritzen über Automaten und seit 1. Juni 2000 auch durch externe Drogenberater ausgegeben. Die Anzahl der Gefangenen, die am Spritzentausch in der JVA Vierlande teilgenommen hat, ist nicht bekannt, da die Spritzenabgabe über Automaten anonym verlief und die teilnehmenden Gefangenen demgemäß nicht erfasst wurden.

In der Teilanstalt für Frauen auf Hahnöfersand wurden vom 10. Januar 2000 bis 31. Januar 2002 und in der JVA Am Hasenberge vom 15. Februar 2000 bis 31. Januar 2002 Spritzen von den Krankenpflegern der Anstalten abgegeben. In der JVA Am Hasenberge haben insgesamt 53 und in der Teilanstalt für Frauen insgesamt 26 Gefangene am Spritzentausch teilgenommen. Vor Beendigung der Spritzenabgabe am 31. Januar 2002 nahmen in der JVA Am Hasenberge acht und in der Teilanstalt für Frauen drei Gefangene am Spritzentausch teil.

4. Wie hat sich nach der Einführung des Spritzentauschprogramms in den unter Ziffer 3 genannten Anstalten der Anteil der intravenös Drogen konsumierenden Häftlinge entwickelt, der Needle-Sharing betreibt?

Informationen über die Entwicklung des gemeinsamen Gebrauchs von Spritzen (Needle-Sharing) nach Einführung der Spritzenvergabe liegen für die wissenschaftlich begleitete Pilotphase des Projektes in der JVA Vierlande vor. In der Zeit vom 20. Juni 1996 bis 31. Dezember 1997 wurden hierzu vom Institut für Rechtsmedizin des Universitäts-Krankenhauses Eppendorf und dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (KFN) Daten erhoben. In der qualitativen sozialwissenschaftlichen Befragung des KFN beschrieb die überwiegende Mehrheit der befragten Gefangenen die Häufigkeit des Needle-Sharing trotz der Verfügbarkeit steriler Spritzen als entweder unverändert oder nur geringfügig vermindert. In der quantitativen Befragung der medizinischen Studiengruppe des Instituts für Rechtsmedizin berichteten elf von 32 Befragten über anhaltendes Needle-Sharing.

5. Wie hat sich in den Jahren 1995 bis 2001 in den Hamburger Haftanstalten der Anteil der an Hepatitis A, B, C oder an HIV erkrankten Häftlinge entwickelt?

Nach den Stichtagserhebungen am 31. Dezember jedes Jahres entwickelte sich der Anteil der an Hepatitis und Aids erkrankten Gefangenen wie folgt: Tabelle 2: Meldepflichtige Hepatitiserkrankungen Tabelle 3: HIV-infizierte Gefangene

Weitere Zahlen liegen nicht vor.

6. Gibt es in den Haftanstalten inzwischen ein System zur Ermittlung der Neuinfektionen mit Hepatitis oder HIV? Wenn ja: Seit wann und wie viele Neuinfektionen mit Hepatitis A, B oder C oder mit HIV hat es seitdem gegeben?

Die HIV-Befunde werden in Stichtagsuntersuchungen erfasst. Die Anzahl der Hepatitis-Erkrankungen wird von den medizinischen Diensten der Anstalten dokumentiert. Die erhobenen Daten weisen die Häufigkeit, nicht aber die Zahl der Neuinfektionen aus.

7. Wann wird die Ausgabe von sterilen Einwegspritzen in den Strafvollzugsanstalten eingestellt?

Die Vergabe von Einwegspritzen an Gefangene wurde mit Wirkung vom 1. Februar 2002 eingestellt.

In Einrichtungen des Drogenhilfesystems außerhalb des Justizvollzuges hat der Spritzentausch zur Stabilisierung der gesundheitlichen Situation von Drogenabhängigen beigetragen. Laut Statusbericht 2000 zur Hamburger Basisdatendokumentation sind ca. 5 Prozent aller erfassten Drogenabhängigen HIV-infiziert bzw. an Aids erkrankt. Die HIV-Infektionsrate bei Drogenabhängigen ist damit in Hamburg vergleichsweise niedrig. Der Austausch gebrauchter gegen neue Spritzen verhindert darüber hinaus auch eine Gefährdung der Bevölkerung durch herumliegende benutzte Spritzen. Eine Abschaffung des Spritzentausches außerhalb des Strafvollzuges ist daher nicht geplant.

Im Strafvollzug konnte der epidemiologische Nachweis einer erfolgreichen Infektionsprophylaxe durch die Vergabe von Spritzen nicht erbracht werden. Zudem ergaben sich hier durch die Nähe der Maßnahme zu abstinenten, aber drogengefährdeten Gefangenen kontraproduktive Effekte im Sinne einer Ausweitung der intravenösen Drogeneinnahme durch die allgemeine Verfügbarkeit von Spritzen.

9. Haben Bedienstete des Hamburger Strafvollzuges in der Vergangenheit durch das Spritzentauschprogramm gesundheitlichen Schaden genommen?

Nein. Die Studie des KFN hat jedoch ergeben, dass die Mitarbeiter im Vollzug die Gefährdung ihrer eigenen Gesundheit durch den Spritzentausch einheitlich als gestiegen ansahen.

10. Welche Maßnahmen zur Verhinderung von Erkrankungen und insbesondere Ansteckungen mit Hepatitis C und HIV trifft der Senat in den Strafvollzugsanstalten?

Jeder Gefangene wird zu Beginn seiner Haftzeit in der für ihn zuständigen Vollzugsanstalt auf seinen Gesundheitszustand untersucht. Freiwillige Testungen auf Hepatitis und HIV sind Bestandteil der Eingangsuntersuchung. Aufgrund einer begleitenden ärztlichen Beratung über die Ziele der Hepatitis- und HIV-Testung liegen die Zustimmungsquoten bei über 95 Prozent. Anlässlich der Aufnahmeuntersuchung wird jeder Gefangene über die Risiken von HIV- und Hepatitis-Infektionen informiert. Eine Informationsbroschüre steht auch in den gängigen Fremdsprachen zur Verfügung. Zur Infektionsprophylaxe werden im Weiteren Impfungen (Hepatitis-A und Hepatitis-B) angeboten und mit Einverständnis der Betroffenen durchgeführt. Schließlich erhalten Gefangene in allen Hamburger Justizvollzugsanstalten Kondome zum Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten.

11. Wie viele Drogen wurden im Jahr 2001 in den Anstalten gefunden (bitte nach Anstalten aufgeschlüsselt)?

Im Jahr 2001 wurden in den Anstalten folgende Drogen gefunden (Mengenangabe in Gramm): Tabelle 4:

Darüber hinaus wurden in der Anstalt VI 1,9 g und in der Anstalt XII fünf Konsumeinheiten (so genannte Steine) Crack sichergestellt. An synthetischen Drogen (z.B. Ecstacy, Amphetamine) wurden in der Anstalt IV 20, in der Anstalt VI zwei und in der Anstalt XII 371 Tabletten gefunden.

12. Mit welchen Mitteln will der Senat verhindern, dass in den Gefängnissen Drogen konsumiert werden?

Die Kontrollmaßnahmen werden überprüft und wo nötig verstärkt. Dazu gehören unter anderem die stärkere Überwachung der Außenkontakte von Gefangenen des geschlossenen Vollzuges und eine Kontrolle der Freigänger bei Rückkehr in die Anstalt.

Ferner ist eine konsequente Binnendifferenzierung, insbesondere im geschlossenen Vollzug, geboten, um den Drogenmissbrauch im Strafvollzug zu unterbinden, indem Gefangene mit andauerndem Drogenkonsum bzw. solche, die wegen Drogenhandels verurteilt worden sind, von ausstiegswilligen Gefangenen getrennt untergebracht werden. Die Planung der JVA Billwerder als Anstalt des geschlossenen Vollzuges erweitert die Möglichkeiten, die Gefangenengruppen besser voneinander zu trennen und bedarfsgerechter zu behandeln.

13. Gibt es nach den Erkenntnissen des Senats in Deutschland eine drogenfreie Haftanstalt?