Aufgabenzuwachs und Personalentwicklung bei den Familiengerichten

Mit dem Inkrafttreten des neuen Kindschaftsrechts zum 1. Juli 1998 gehen eine Reihe von Aufgaben von den Vormundschaftsgerichten auf die Familiengerichte über. Die hiermit zusammenhängenden organisatorischen und personellen Veränderungen sind bis heute noch nicht klar definiert. Die Bediensteten der hamburgischen Familiengerichte haben die Befürchtung, sie seien zum Inkrafttreten der neuen Regelung nur unvollkommen auf die neuen Aufgaben vorbereitet.

Ich frage den Senat:

1. Welche Aufgaben wachsen den Familiengerichten durch die Übertragung dieses Rechtsgebietes im einzelnen zu?

Die Richterinnen und Richter des Familiengerichts haben ab dem 1. Juli 1998 Verfahren zu bearbeiten, die bisher teilweise von den Prozeßabteilungen des Amtsgerichts, teilweise vom Vormundschaftsgericht bearbeitet wurden. Dabei handelt es sich um:

­ Kindschaftssachen, d.h. Klagen auf Feststellung oder Anfechtung der Vaterschaft, § 1600e BGB n.F., einschließlich der einstweiligen Anordnungen auf Unterhalt nach § 641d ZPO n.F. und der Verurteilung zu Regelunterhalt gemäß § 643 ZPO;

­ Unterhalt nichtehelicher Kinder und Unterhaltsansprüche aufgrund von Verwandtschaft;

­ Unterhalt der nicht mit dem Vater verheirateten Mutter, §§ 1615k, l, m BGB n.F. einschließlich der Abänderungsklagen nach § 641q ZPO;

­ Ersetzung der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zu einer Sorgeerklärung eines beschränkt geschäftsfähigen Elternteils, § 1626c Absatz 2 BGB n.F.;

­ Übertragung des Entscheidungsrechts bei gemeinsamer Sorge, § 1628 BGB n.F., bei Streit um die Vertretung nach Trennung, § 1687 Absatz 2 BGB n.F. und bei Streit zwischen Vermögenspfleger und Eltern, § 1630 Absatz 2 BGB;

­ Unterstützung der Eltern bei der Personensorge, § 1631 Absatz 3 BGB n.F.;

­ Genehmigung der Unterbringung des Kindes mit Freiheitsentziehung, § 1631b BGB n.F.;

­ Herausgabe des Kindes von Dritten und bei Pflege, § 1632 BGB n.F.;

­ Umgangsrecht bei Kindern nicht miteinander verheirateter Eltern, § 1684 BGB n.F.;

­ Umgang des Kindes mit weiteren Personen, § 1685 BGB n.F.;

­ Auskunftsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils, § 1686 BGB n.F.;

­ Entzug der elterlichen Sorge bei Kindeswohlgefährdung, § 1666 BGB n.F.;

­ Sorgerechtsentscheidungen nach gemeinsamem Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern, § 1671 BGB n.F.;

­ Sorgerechtsentscheidungen zugunsten des nicht mit der Mutter verheirateten Vaters, § 1672 BGB n.F.;

­ Übertragung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil, §§ 1680, 1681 BGB n.F.;

­ Übertragung der elterlichen Sorge auf Pflegeeltern, § 1630 Absatz 3 BGB n.F.; Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Lüdemann (CDU) vom 20.05. und Antwort des Senats

Betreff: Aufgabenzuwachs und Personalentwicklung bei den Familiengerichten

­ Verbleiben des Kindes bei einem Stiefelternteil, § 1682 BGB n.F.;

­ Regelung der Vertretungsbefugnisse von Pflegeeltern, § 1688 BGB n.F.

Den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern des Familiengerichts wachsen im wesentlichen folgende Aufgaben zu:

­ Entziehung der Vertretungsmacht bei Interessenkollision, § 1629 BGB n.F.;

­ Nachlaßverzeichnung, § 1640 BGB n.F.;

­ Genehmigung bestimmter Rechtsgeschäfte der Eltern, §§ 1643 bis 1645 BGB n.F.;

­ Maßnahmen bei Gefährdung des Kindesvermögens, § 1667 BGB n.F.;

­ Feststellung, dass ein Elternteil auf längere Zeit die elterliche Sorge tatsächlich nicht ausüben kann, § 1674 BGB n.F.;

­ Maßnahmen hinsichtlich des Kindesvermögens bei Wiederheirat des Elternteils, dem die Vermögenssorge zusteht, § 1683 BGB n.F.;

­ Maßnahmen des Gerichts bei Verhinderung der Eltern, § 1693 BGB n.F.;

­ Änderung der Unterhaltsbestimmung der Eltern, § 1612 BGB n.F.

Im Bereich der AV-20-Sachbearbeiterinnen und -Sachbearbeiter erweitert sich letztlich hauptsächlich das Spektrum der Antragsaufnahme entsprechend dem oben dargestellten Aufgabenkatalog.

2. Auf welche Weise werden die Bediensteten der Familiengerichte auf die neuen Aufgaben vorbereitet?

Das Amtsgericht Hamburg hat für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hamburger Familiengerichte eine Reihe von Fortbildungsveranstaltungen geplant bzw. bereits durchgeführt.

3. Welche konkreten neuen Aufgaben fallen dabei in die Zuständigkeit

­ des richterlichen Dienstes,

­ der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger,

­ der AV-20-Sachbearbeiterinnen und -Sachbearbeiter?

Siehe Antwort zu 1.

4. Wie viele Stellen sind derzeit bei den Familiengerichten für

­ Richter/innen,

­ Rechtspfleger/innen,

­ AV-20-Sachbearbeiter/innen vorhanden, und wie viele dieser Stellen (differenziert nach den aufgeführten Personalgruppen) sind aus welchen Gründen tatsächlich nicht besetzt?

Bei den von den Familiengerichten genutzten Stellen handelt es sich um solche aus dem Gesamtstellenbestand des AG Hamburg. Tatsächlich sind im Bereich der Familiengerichte folgende Personalkapazitäten eingesetzt:

5. Ist in Anbetracht des Aufgabenzuwachses eine Personalverstärkung bei der Richterschaft, den Rechtspflegern und den AV-20-Sachbearbeitern vorgesehen? Wenn ja:

­ Wie viele neue Richter-, Rechtspfleger- und Sachbearbeiterstellen werden geschaffen und ab wann besetzt?

­ Wie werden diese Stellen finanziert?

Wenn nein: Warum nicht, und wie soll der Aufgabenzuwachs von dem vorhandenen Personal bewältigt werden?

6. Sind die räumlichen Kapazitäten für die mögliche Personalaufstockung im unmittelbaren Bereich der jetzigen Familiengerichte vorhanden? Ist beabsichtigt, einzelne Abteilungen der Familiengerichte auszulagern? Wenn ja: An welche Orte?

Durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz wird die Zuständigkeit des Familiengerichts erweitert. Gleichzeitig werden die zivilrechtlichen Abteilungen des Amtsgerichts und des Vormundschaftsgerichts entlastet.

Ein Aufgabenzuwachs der Justiz insgesamt ist daher mit dem nicht verbunden. Die Aufgabenverteilung wird durch die Personaldispositions- und Organisationshoheit des Amtsgerichts geregelt.

7. Sind mit der Aufgabenverlagerung zugunsten der Vormundschaftsgerichte Stellenkürzungen in diesem Bereich geplant? Wenn ja: In welchem Umfang und bei welchen Personalgruppen (Richterschaft, Rechtspfleger, Sachbearbeiter)?

Soweit dem Amtsgericht zukünftig Konsolidierungsverpflichtungen obliegen, erfolgt eine Verteilung auf die einzelnen Bereiche im Rahmen seiner Personaldispositions- und Organisationshoheit.