Umgang mit Rechtsrock-Konzerten in Bremen

Am Pfingstsamstag 2011 wurde in den Räumlichkeiten des Sportvereins e. V. ein Konzert der Rechtsrock-Band Kategorie C ­ Hungrige Wölfe veranstaltet. Etwa 300 Gäste kamen zu dem Konzert, das öffentlich für den Raum Bremen beworben und szeneüblich am selben Tag via Infotelefon koordiniert wurde. Das Landesamt für Verfassungsschutz weist die Band Kategcrie C ­ Hungrige Wölfe im Unterkapitel sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten aus und benennt die enge Beziehung zwischen vorgeblich unpolitischem und militanter Neonaziszene (Verfassungsschutzbericht 2010, Seite 31). Kategorie-C selbst entleiht ihren Namen unverblümt einer polizeitaktischen Codierung für gewaltsuchend, rekrutiert ihre Mitglieder aus einschlägig verurteilten Neonazis, die aktenkundig mit der NPD und dem mittlerweile verbotenen neonazistischen Blood&Honour-Netzwerk kooperierten.

Während Kategorie-C-Konzerte andernorts bereits erfolgreich verhindert wurden, konnten Neonazis, rechtsradikale Hooligans und Sympathisanten/-innen in Gröpelingen feiern. Laut einer Polizeisprecherin wurde am Rande der Veranstaltung Sieg Heil skandiert (taz Bremen, 13. Juni 2011), Bilder und Filmmaterial dokumentieren außerdem massenhaftes Zeigen des Hitlergrußes sowie weitere Verstöße gegen § 86 a (NDR 21. Juni 2011).

Die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben sich jüngst darauf verständigt, Rechtsextremismus und rechtsextremistisches Gedankengut in jeder Ausprägung bekämpfen zu wollen (Seite 96 Koalitionsvertrag).

Wir fragen den Senat:

1. Wann nahm der Senat Kenntnis vom Rechtsrock-Konzert in Oslebshausen?

2. Wie viele Polizeibedienstete waren aufgrund dieses Konzertes im Einsatz?

3. Welche konkreten Gefahren erwartete der Senat im Zuge dieser Veranstaltung?

4. Welche Absprachen wurden daraufhin mit den Polizeidirektionen anderer Bundesländer, dem Sportverein, dem Mieter des Lokals und den Veranstaltern des Konzertes getroffen?

5. Wurde insbesondere der Mieter rechtzeitig auf die Möglichkeit einer Konzertabsage in Ausübung seines Hausrechts hingewiesen, wie exemplarisch am 25. erfolgreich praktiziert?

6. Ist der Senat rückblickend der Meinung, alle denkbaren Vorkehrungen getroffen zu haben, die ein derartiges Konzert hätten verhindern können?

7. War die Einsatzleitung über die oben genannten, dokumentierten Straftaten zeitnah informiert? Falls nein, warum gab es keine entsprechende Lagemeldung?

8. Wie viele Maßnahmen nach § 11, § 14 und § 15 wurden in diesem Zusammenhang durchgeführt? Wie viele Strafverfahren wurden eingeleitet?

9. Wie bewertet der Senat diese Anzahl?

10. Sieht der Senat einen Zusammenhang zwischen erhöhter Arbeitsbelastung der bremischen Bereitschaftspolizei bzw. der Justizbehörde und dieser Anzahl?

11. Werden auch in Zukunft öffentlich beworbene Konzerte gewaltbereiter Rechtsextremisten in Bremen stattfinden können? Falls nein, welche Maßnahmen sollen solche Veranstaltungen in Zukunft verhindern?

1. Wann nahm der Senat Kenntnis vom Rechtsrock-Konzert in Oslebshausen?

Zum Monatswechsel Februar/März 2011 wurde auf der Homepage der in Rede stehenden Musikgruppe für das am Pfingstsamstag geplante Konzert geworben. Zu diesem Zeitpunkt erhielt die Staatsschutzabteilung der Kriminalpolizei Bremen Kenntnis über die vorgesehene Musikveranstaltung. Als Veranstaltungsort wurde der Großraum Bremen angekündigt. Ein konkreter Bezug für das Stadtgebiet Bremen ließ sich nicht erhärten.

Am 12. Juni 2011 um 16.27 Uhr teilte das Innenministerium Niedersachsen u. a. dem Lagezentrum der Polizei Bremen mit, dass als Veranstaltungsort eine Diskothek in Scheeßel, Industriestraße 1, genannt wurde. Ermittlungen der Polizei ergaben, dass dort kein Konzert stattfinden sollte. Bekannt war zu diesem Zeitpunkt nur, dass die Konzertteilnehmer als Treffpunkt den Parkplatz Weserpark aufsuchen wollten. Sofort eingesetzte Aufklärungskräfte der Polizeien aus Niedersachsen und Bremen stellten um 17.45 Uhr ca. 100 Personen mit Fahrzeugen beim Weserpark fest. Gegen 17.55 Uhr hatten alle Personen den Parkplatz verlassen und fuhren auf verschiedenen Routen in Richtung BAB 27. Dort wurde der Parkplatz Fahrwiesen angefahren. Festgestellt wurden ca. 260 Personen.

Gegen 18.32 Uhr meldeten Aufklärungskräfte, dass das Ziel in der Sperberstraße in Bremen liegen soll. Hier kam nur das Vereinsheim der Sportgemeinschaft Oslebshausen in Frage.

2. Wie viele Polizeibedienstete waren aufgrund dieses Konzertes im Einsatz?

Polizeikräfte aus Bremen: 23, Polizeikräfte aus Niedersachsen: 99.

3. Welche konkreten Gefahren erwartete der Senat im Zuge dieser Veranstaltung?

Hinweise auf konkrete, im Zusammenhang mit der Musikveranstaltung stehende Gefahren lagen der Staatsschutzabteilung der Polizei Bremen nicht vor.

Die Abteilung K 6 hat angesichts der Erfahrungen im Umgang mit vergleichbaren, in der Vergangenheit durchgeführten Musikveranstaltungen mögliche polizeilich relevante Aspekte analysiert, bewertet und polizeiintern kommuniziert.

4. Welche Absprachen wurden daraufhin mit den Polizeidirektionen anderer Bundesländer, dem Sportverein, dem Mieter des Lokals und den Veranstaltern des Konzertes getroffen?

Die Polizei Bremen war in den kontinuierlichen, die Musikveranstaltung betreffenden polizeiinternen Informationsaustausch und die damit einhergehenden Lagebeurteilung eingebunden.

Bundesländer:

Gegen 19.00 Uhr wurde das Innenministerium in Hannover gebeten, die bereitstehende erste Bereitschaftpolizeihundertschaft (BPH) Hannover in Richtung Bremen zu verlegen. Gegen 20.47 Uhr traf die erste BPH Hannover im Bereich Oslebshausen ein und wurde dem Polizeiführer vom Dienst unterstellt.

Sportverein:

Vor Ort befanden sich drei Vorstandsmitglieder des Sportvereins. Diese teilten dem mit, dass der Pächter keinen eingeschränkten Pachtvertrag hat und an Wochenenden allein über die Räumlichkeiten verfügen darf.

Mieter/Pächter:

Gegen 19.00 Uhr wurde vom mit dem Pächter Kontakt aufgenommen. Dieser wurde auf die Gruppierung und ihre Musikinhalte und politische Gesinnung hingewiesen. Er wollte das Konzert daraufhin nicht mehr stattfinden lassen. Zu seinem Schutz wurde daraufhin die Landesreserve direkt zum Objekt verlegt.

Mit Eintreffen dieser Kräfte und des vor Ort und persönlicher Kontaktaufnahme mit dem Pächter, revidierte dieser seine Meinung und wollte das Konzert stattfinden lassen. Er wurde nochmals und eindringlich auf die Möglichkeit seines Hausrechtes hingewiesen, wollte davon aber keinen Gebrauch mehr machen.

Veranstalter:

Der Veranstalter stimmte zu, das Konzert um 21.30 Uhr zu beenden.

5. Wurde insbesondere der Mieter rechtzeitig auf die Möglichkeit einer Konzertabsage in Ausübung seines Hausrechts hingewiesen, wie exemplarisch am 25. erfolgreich praktiziert?

Der Mieter/Pächter wurde um 19.00 Uhr telefonisch und um 19.32 Uhr persönlich vom eindringlichst auf seine Möglichkeiten hingewiesen. Ausreichender Polizeischutz wurde zugesagt. Siehe hierzu auch Antwort auf Frage 4.

6. Ist der Senat rückblickend der Meinung, alle denkbaren Vorkehrungen getroffen zu haben, die ein derartiges Konzert hätten verhindern können?

Aus Sicht des Senats wurden alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten ausgeschöpft.

Künftig soll es diesbezüglich eine noch offensivere Öffentlichkeitsarbeit geben, um frühzeitiger über mögliche rechte Konzerttermine und -orte in Bremen informiert zu sein. In diesem Zusammenhang wurden durch den Senator für Inneres und Sport sämtliche Sportvereine im Stadtgebiet Bremen angeschrieben, um Verantwortliche/Pächter hinsichtlich möglicher Anmietversuche von zu sensibilisieren.

Außerdem wird das Landesberatungsnetzwerk pro aktiv gegen rechts ­ Mobile Beratung in Bremen und Bremerhaven gemeinsam mit der Gewerkschaft NGG und der DEHOGA einen Ratgeber für die Gastronomie mit dem Titel Rechtsextremisten/-innen nicht auf dem Leim gehen herausgeben. Dieser soll in Kooperation mit dem Landessportbund Bremen auch an Sportvereine verteilt werden, um diese sowie die Pächter von Vereinsgaststätten über Symbole, Codes und Inhalte rechtsextremistischer Organisationen aufzuklären.

7. War die Einsatzleitung über die oben genannten, dokumentierten Straftaten zeitnah informiert? Falls nein, warum gab es keine entsprechende Lagemeldung?

Die in der Kleinen Anfrage erwähnte Polizeisprecherin war selbst nicht vor Ort und bezieht sich in ihrer Aussage auf eine kurze Einsatznotiz, wonach einmalig Sieg-Heil-Rufe durch eingesetzte Beamte am Rande des Konzertes zwar gehört, aber niemandem zugeordnet werden konnten.

Die im TV-Bericht des NDR vom 21. Juni 2011 gezeigten Bilder und Filmaufnahmen, die das massenhafte Zeigen des Hitlergrußes sowie weitere Verstöße gegen § 86 a dokumentieren sollen, stammen vom Internetportal youtube.

Die das Konzert betreffenden Video-Beiträge wurden gesichert und der Staatsanwaltschaft Bremen mit der Bitte um Prüfung hinsichtlich strafrechtlicher Relevanz übersandt.

Da sich während des Konzertes keine Polizeivollzugsbeamten im Konzertsaal aufgehalten haben, konnte die Einsatzleitung vor Ort nicht über die etwaigen Verstöße informiert werden.

8. Wie viele Maßnahmen nach § 11, § 14 und § 15 wurden in diesem Zusammenhang durchgeführt? Wie viele Strafverfahren wurden eingeleitet?

Während des Einsatzes wurden 90 Identitätsfeststellungen nach § 11 durchgeführt und zwei Personen vorübergehend nach § 15 in Gewahrsam genommen.

Es wurden zwei Strafanzeigen wegen Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86 a gefertigt und wie in der Antwort auf Frage 7 erläutert, wurden die Videobeiträge der NDR-Sendung gesichert und der Staatsanwaltschaft Bremen übersandt.

9. Wie bewertet der Senat diese Anzahl?

Die der Polizei bekannt gewordenen Verstöße konnten konsequent verfolgt werden.

10. Sieht der Senat einen Zusammenhang zwischen erhöhter Arbeitsbelastung der bremischen Bereitschaftspolizei bzw. der Justizbehörde und dieser Anzahl?

Dem Polizeiführer standen mit den unterstellten Kräften aus Niedersachsen insgesamt fünf Einsatzzüge zur Verfügung. Diese Anzahl war nach Angaben des Polizeiführers ausreichend.

11. Werden auch in Zukunft öffentlich beworbene Konzerte gewaltbereiter Rechtsextremisten in Bremen stattfinden können? Falls nein, welche Maßnahmen sollen solche Veranstaltungen in Zukunft verhindern?

Der Senat wird auch weiterhin Rechtsextremismus und rechtsextremistisches Gedankengut in jeder Ausprägung bekämpfen.

Auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen wird die Polizei Bremen auch in Zukunft einzelfallabhängig darauf hinwirken, dass öffentlich beworbene Konzerte, in deren Verlauf es zu Straftaten oder Gefahren kommen kann bzw. kommt, nicht stattfinden bzw. unterbunden werden.