Finanzamt

Stundungen

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis können ganz oder teilweise gestundet werden, wenn die Einziehung aus sachlichen oder persönlichen Gründen eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint (§ 222 AO). Persönliche Gründe können nur dann zu einer Stundung führen, wenn der Steuerpflichtige stundungsbedürftig und stundungswürdig ist. Das ist in einigen Fällen, in denen die Steuerpflichtigen ihre Zahlungsschwierigkeiten selbst zu verantworten hatten, zumindest zweifelhaft gewesen und jedenfalls nicht aufgeklärt worden.

Die Stundung soll in der Regel nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung gewährt werden (§ 222 Satz 2 AO). Auch dies war nicht immer der Fall. Selbst bei hohen Beträgen und/oder längeren Stundungszeiträumen ist ohne aktenmäßige Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen und damit auch ohne erkennbaren Grund auf die Bereitstellung von Sicherheiten verzichtet worden. In zwei Fällen schlug die Beitreibung bei Fälligkeit der gestundeten Steuerforderungen fehl. Rd. 53.000 Euro konnten nicht mehr beigetrieben werden. Bei einer Absicherung der gestundeten Ansprüche oder früherer Vollstreckung hätten sich diese Forderungsausfälle ggf. vermeiden lassen.

Aussetzung der Vollziehung

Im Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren kann die Vollziehung von Steuerbescheiden auf Antrag ganz oder teilweise ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 361 Abs. 2 AO, § 69 Abs. 2 FGO3). Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden, wenn der Steueranspruch bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Ausgang des Verfahrens gefährdet wäre.

Der Rechnungshof hat festgestellt, dass diese rechtlichen Vorgaben von der Steuerverwaltung nicht immer beachtet worden sind.

So war in einem Fall ohne Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, mithin ohne Prüfung möglicher Gefährdungen der Steueransprüche und im Ergebnis ohne Sicherheitsleistung die Vollziehung mehrerer Steuerbescheide im Umfang von über 170.000 Euro ausgesetzt worden. Erst als gegen den Steuerpflichtigen wegen anderweitiger Steuerschulden vollstreckt wurde und der Steuerpflichtige Vollstreckungsaufschub beantragte, wurde eine Einkommens- und Vermögensübersicht angefordert, in der der Steuerpflichtige ein Nettovermögen von mehr vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Anm. 36 zu § 222 (Std.

Als der Rechtsbehelf des Steuerpflichtigen schließlich erfolglos blieb, wurde das Vollstreckungsverfahren auch auf die aus den angefochtenen Bescheiden resultierenden Steuerforderungen ausgedehnt. Es wurde Vollstreckungsaufschub gewährt, aufgrund dessen der Steuerpflichtige jetzt Rückstände von mehr als 230. Euro zuzüglich monatlich entstehender Säumniszuschläge in monatlichen Raten à 2.100 Euro tilgt. Kassenrechtlich sind die Steuerforderungen unter Verstoß gegen § 261 AO4 bereits bei Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide und nicht erst bei endgültiger Erfolglosigkeit aller Einziehungsversuche niedergeschlagen worden.

In einem anderen Fall hat das Finanzamt bei Steuerforderungen im Umfang von rund 120.000 Euro unsubstantiierte Vorwürfe gegen die Feststellungen der Steuerfahndungsstelle ausreichen lassen, um ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide zu bejahen. Des Weiteren wurde die Behauptung, die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide würde den Steuerpflichtigen aufgrund gesundheitlicher Belastungen durch das bisherige Steuerstrafverfahren mit unbilliger Härte treffen, nicht durch Anforderung eines ärztlichen Gutachtens überprüft. Mögliche Gefährdungen der Steueransprüche wurden ebenso wenig untersucht. Auch nachdem die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide ausgesetzt worden war, änderte sich nichts an der unzureichenden Sachbearbeitung. Dass der Erlös aus dem der Steuerverwaltung bekannt gewordenen Verkauf eines Grundstücks als Sicherheit hätte dienen können, blieb ebenso unbeachtet wie ein wegen rückständiger Steuerzahlungen ausgegebener maschineller Bearbeitungshinweis, der zu einer nachträglichen Überprüfung der Aussetzungsentscheidung im Hinblick auf die fehlende Absicherung der betroffenen Steuerforderungen aufforderte.

Nachdem der Steuerpflichtige wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt worden war, wurden die Rechtsbehelfe im Besteuerungsverfahren als unbegründet zurückgewiesen. Kurze Zeit später wurden die Steuerforderungen wegen Uneinbringlichkeit niedergeschlagen.

Handhabung eines Insolvenzfalls

In einem größeren Insolvenzfall waren sowohl die Stundung von Steuerforderungen als auch die Aussetzung der Vollziehung angefochtener Steuerbescheide fehlerhaft.

Kurze Zeit nach dem Auslaufen eines informellen Stillhalteabkommens, auf das sich Finanzamt und Unternehmen für einen Zeitraum von sechs Monaten verständigt hatten, wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet. Wegen Uneinbringlichkeit mussten schließlich Steuerforderungen aus dem Stillhalteabkommen wie auch aus anderen Verfahren im Umfang von über 1,8 Mio Euro niedergeschlagen werden.

Das Finanzamt hat das Stillhalteabkommen als Erfolg angesehen, weil es der Meinung war, durch die seinerzeit zunächst gelungene Abwendung des Konkurses mindestens 255.000 Euro gesichert zu haben. Bei dieser Betrachtung bleiben jedoch wesentliche Fakten außer Betracht:

- Die Vertreter des Unternehmens hatten, als sie die durch die Steuernachforderungen eingetretene Konkursreife des Unternehmens darstellten, zwar keinen Überschuldungsstatus vorgelegt, wohl aber die wesentlichen Bilanzpositionen benannt und beziffert. Daraus ergab sich, dass die Passiva die Aktiva nur um rund 50.000 Euro (= 2 %) überstiegen. Außerdem ließ ein in der Verhandlung angebotener Rangrücktritt der Muttergesellschaft, der zur Beseitigung der Überschuldung führen sollte, den Schluss zu, dass ein großer Teil der unter den Passiva ausgewiesenen Verbindlichkeiten auf die Muttergesellschaft entfiel und damit nach § 32a im Konkurs nur nachrangig zu befriedigen gewesen wäre. Bei einem sofortigen Konkurs der Gesellschaft hätte das Finanzamt gute Aussichten gehabt, seine Forderungen von 1,3 Mio Euro vollen Umfangs zu realisieren.

- Das Stillhalteabkommen hat zwar dazu geführt, dass rückständige Forderungen zur Umsatzsteuer in Höhe von rund 255.000 Euro realisiert wurden. Der Betrag ist jedoch überwiegend durch Verrechnung von Vorsteuerguthaben getilgt worden. Aufgrund der sechsmonatigen Stundungsabrede vereinnahmte das Finanzamt weniger Umsatzsteuer, als es im selben Zeitraum wegen der laufenden Umsatzsteuervoranmeldungen wieder auszahlte. Über die Verrechnung hinausgehende Vorsteuerguthaben in Höhe von mindestens 215.000 Euro sind an einen anderen Gläubiger ausgezahlt worden. Der hieraus resultierende Nachteil für den Hamburger Haushalt wäre vermieden worden, wenn die getroffene Tilgungsabrede flexibel ausgestaltet worden wäre und dem Finanzamt auch über die betragsmäßig fixierten monatlichen Raten hinaus die Verrechnung der jeweiligen Vorsteuerguthaben ermöglicht hätte.