Wohlfahrt

Weiterentwicklung der Jugendhilfe

Mit der Ablösung des Jugendwohlfahrtsgesetzes am 1. Januar 1991 durch das SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz, KJHG) stehen nicht mehr hoheitlich verstandene Kontrollaufgaben im Mittelpunkt der Jugendhilfeleistung, sondern die Bereitstellung von Entlastungs- und Unterstützungsangeboten für junge Menschen und ihre Familien.

Diesem Verständnis entsprechend haben der bzw. die Personensorgeberechtigten einen Rechtsanspruch auf eine Hilfe, die sich nach Art und Umfang an dem jeweiligen individuellen Hilfebedarf orientiert.

Der Hilfebedarf ergibt sich aus einer problematischen Lebens- und Erziehungssituation, in der sich das Kind oder der Jugendliche befindet und für den die sorgeberechtigten Eltern einen Bedarf geltend machen.

Die Hilfeplanung gemäß §36 KJHG sagt nicht, in welcher Art und in welchem Umfang die Hilfe gewährt werden muss.

Untersuchungen im Bereich der Hilfen zur Erziehung, die die BSJB in Auftrag gegeben hat (z.B. Begleitforschung REBUS, Evaluation der ambulanten Hilfen zur Erziehung), ergeben übereinstimmend, dass sich Wirksamkeitsprobleme aus den derzeitigen Zugängen zu den Hilfen ergeben. Begriffe wie mangelnde Kooperation oder Kooperationsprobleme mit der Klientel deuten darauf hin, dass eine Hilfe in der Regel nur dann wirksam sein kann, wenn über einen freiwilligen, niedrigschwelligen Zugang und über ein Vertrauensverhältnis zu den Berater/innen eine Mitwirkung der Leistungsberechtigten an der Problembewältigung erzielt wird.

In der Begleituntersuchung zu den von der Bürgerschaft beschlossenen Modellprojekten zur flexiblen familiären Krisenintervention wurde abschließend festgestellt: Zitat: Die ASD-Mitarbeiter/innen bescheinigen allen Projekten, dass bei einer hohen Anzahl von Fällen eine Hilfe zur Erziehung vermieden wurde. Und weiter: Die (Einschätzungen aller Beteiligten) deuten darauf hin, dass die Kriseninterventionen einschließlich der begleitenden Maßnahmen wesentlich kostengünstiger (Zeit- und Personalaufwand) ausfallen.

Dieses wird explizit im Fazit der von allen in der Bürgerschaft vertretenen Fraktionen des Abschlussberichtes der Enquete-Kommission Jugendkriminalität und ihre gesellschaftlichen Ursachen gefordert. Zitat: ­ Bei erforderlich werdenden Unterbringungen außerhalb der Familie ist grundsätzlich weitaus stärker als bisher das Prinzip der Wahrung sozialer Bezüge zu beachten.

­ Neben der vom Amt für Jugend angestrebten Reduzierung der stationären Unterbringungen außerhalb Hamburgs ist verstärkt auch eine wohnortnahe Betreuung in Hamburg selbst vorzusehen. In besonderen Fallkonstellationen kann hingegen eine Herauslösung aus dem bisherigen Bezugsfeld angezeigt sein.

­ Es sollte darauf hingewirkt werden, bei der Bewilligung eher niedrigschwelliger Hilfen das Hilfeplanverfahren zu vereinfachen, d.h. die Intensität des Hilfeplanverfahrens der Intensität der Hilfe anzupassen.

­ Eine strukturelle und fachliche Weiterentwicklung der Hilfen zur Erziehung sollte auch neue Modelle der Kooperation und Finanzierung sowie die Nutzung von Unterstützung außerhalb professioneller Hilfe umfassen.

­ Die Hilfen zur Erziehung sind in die bezirkliche Jugendhilfeplanung einzubinden.

Im Kapitel 3.3.6 Bewertungen und Empfehlungen der Kommission (zum Komplex Kinder- und Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit) empfiehlt sie, ­ den Leistungsbereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit vollständig, d.h. inklusive der Personalstellen der kommunalen Einrichtungen, aus der Haushaltskonsolidierung herauszunehmen.

­ die Voraussetzungen für eine bedarfsgerechte Versorgung zu schaffen, insbesondere durch eine stärkere Berücksichtigung dieses Bereichs im Jugendhilfeetat, eine größere Durchlässigkeit der Leistungsbereiche sowie durch eine konsequente sozialräumlich orientierte Jugendhilfeplanung.

Daraus folgernd sollten die Zugänge zu den Leistungen und Angeboten der Jugendhilfe:

­ überwiegend freiwillig sein,

­ überwiegend niedrigschwellig sein,

­ offen für Partizipation sein,

­ lebenswelt- und adressatenorientiert sein,

­ sozialräumlich ausgerichtet sein.

Vor diesem Hintergrund wollen wir die Jugendhilfe in Hamburg zeitgemäßer weiterentwickeln und damit anders konzipieren, d.h. weg von hochschwelligen Maßnahmen der Hilfen zur Erziehung wie sie überwiegend zurzeit erfolgen, hin zu einer integrierten sozialräumlich orientierten Jugendhilfe.

Um dieses zu erreichen, bedarf es einer Vorlauf- sowie Umsetzungsphase, abhängig von innerbehördlichen Zeitabläufen und Ressourcen.

Die Bürgerschaft möge beschließen:

1. Zur Umsetzung dieser Neugestaltung sozialräumlich orientierter Hilfestellung will die Bürgerschaft eine qualitative sowie quantitative Umschichtung ab 1. Januar 2003 erreichen. Ziel ist es, diese zunächst mit 6 Prozent der für den Haushalt 2003 vorgesehenen Mittel im Bereich der hin in den Bereich der Kinder- und Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit und der Familienförderung umzuschichten, für die Folgejahre soll ein Umschichtungsvolumen von ca. 3 bis 5 Prozent erreicht werden. Dabei gilt es, nicht nur den gestiegenen Hilfen im Bereich der ambulanten Maßnahmen zu begegnen, sondern ebenso strukturell den Bereich der Kinder- und Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit und die Familienförderung in den Stand zu versetzen, weitere Aufgaben zu übernehmen und diese qualitativ im oben beschriebenen Umfang leisten zu können.

2. Der Senat wird ersucht, der Bürgerschaft zu den Beratungen des Haushaltsplan-Entwurfs 2003 ein Gesamtkonzept zur Durchsetzung und Umsetzung der oben beschriebenen Ziele vorzulegen.

Der Jugendausschuss der Bürgerschaft und der Landesjugendhilfeausschuss sind über die notwendigen Teilschritte

­ Erstellung eines fachlichen Feinkonzeptes und eines detaillierten Planes für die notwendigen Vorbereitungs- und Realisierungsarbeiten für die Umstrukturierung/Neugestaltung der Hilfen zur Erziehung unter Berücksichtigung der künftig durch die Infrastrukturangebote (Kinder- und Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit sowie Familienförderung) zu leistenden Hilfen, einschließlich Zeitleiste,

­ Klärung und Neugestaltung der künftigen Zuständigkeiten von der politischen und finanziellen Entscheidung auf bürgerschaftlicher Ebene über die landesweite Planung und Steuerung auf der ministeriellen Ebene des Senats bis zur Zusammenführung von Aufgaben, Kompetenz und auch finanzieller Verantwortung (festes für die Erledigung der Aufgaben und Erfüllung bestehender Rechtsansprüche auf regionaler Ebene, Entwicklung der dafür erforderlichen Kooperationsbezüge im Sozialraum unter Beteiligung der Träger und Verbände und des notwendigen Vertragswerkes,

­ Erfassung sämtlicher zu überarbeitender oder neu zu entwickelnder Richtlinien, Verordnungen, Dienstanweisungen, Vereinbarungen und Verträge auf Landes- und Bezirksebene und über die jeweils erreichten Fortschritte laufend zu informieren.