Ergebnisse Bildungsstudien PISA und LAU in Hamburg

Erhebung und Ergebnisse Bildungsstudien PISA und LAU in Hamburg

Wie in der Presse bekannt wurde, haben in einzelnen Schulformen offensichtlich zu wenige Schüler/innen an der nationalen Ergänzungsstudie zur internationalen Bildungsstudie PISA teilgenommen. Hamburg soll daher als einziges Bundesland nicht am Vergleich der Bundesländer teilnehmen. Eine Reihe von Fragen beschäftigen sich daher auch mit einer möglichen Nacherhebung, da vor einer solchen die Feststellung der Gründe für die Höhe der Teilnahmequoten wichtig scheint.

Gleichzeitig verfügt Hamburg im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern mit den Lernausgangslagenuntersuchungen (LAU) 5, 7 und 9 über eine umfangreiche Erhebung über die Kompetenzentwicklung der Hamburger Schüler/innen. Mit LAU 9 stehen Ergebnisse zur Verfügung, die mit teilweise vergleichbaren Standards erhoben wurden und mit deren Hilfe Aussagen zur selben Altersgruppe wie in PISA gemacht werden können.

Ich frage den Senat:

1. Wie viele Schulen und wie viele Schülerinnen und Schüler (15-Jährige international, 15 Jährige plus Neuntklässler national) waren jeweils an der internationalen PISA-Studie und an der nationalen Ergänzungsstudie in Hamburg beteiligt?

Die internationale Stichprobe unter den 15-jährigen Schülerinnen und Schülern umfasste nach Angaben des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin (MPIB) in Deutschland 220 Schulen und 5899 Schülerinnen und Schüler, darunter vier Hamburger Schulen. Der Ausschöpfungsgrad dieser Stichprobe betrug in Deutschland auf Schulebene 100 Prozent, auf Schülerebene 86 Prozent. Eine Schule wurde der geringen Schülerbeteiligung wegen aus der Auswertung ausgeschlossen. Die realisierte Stichprobe auf Schülerebene betrug 5073 Personen (vgl. Deutsches PISA-Konsortium [Hrsg.]: PISA 2000. Opladen 2001, Seite 38. Zusammen mit der Gruppe der nicht 15-jährigen Neuntklässler umfasste die internationale Stichprobe in Deutschland 7947 Schülerinnen und Schüler. Davon nahmen 6825 Schülerinnen und Schüler (86 Prozent) an der Untersuchung teil.

In Hamburg bestand die Stichprobe der nationalen Erweiterung (15-Jährige und Neuntklässler) aus 112

Schulen und 4143 Schülerinnen und Schülern. Die Ausschöpfungsquote der Hamburger Stichprobe lag auf Schulebene bei 100 Prozent und auf Schülerebene bei 70,1 Prozent.

2. Wie hoch war die absolute und die prozentuale Beteiligung jeweils an der internationalen PISA-Studie und an der nationalen Ergänzungsstudie in den verschiedenen Schulformen? Untersuchungsbeteiligung von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern an der internationalen Erhebung in Deutschland (in absoluten Zahlen und in Prozent der Sollzahlen)

Für Hamburg stellt sich die absolute und prozentuale Beteiligung, gegliedert nach Schulformen, folgendermaßen dar: Beteiligung von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern und nicht 15-jährigen Neuntklässlern an der nationalen Erhebung in Hamburg (in absoluten Zahlen und in Prozent der Sollzahlen)

Die Ergebnisse für die nationale Ergänzungsstudie (PISA-E) werden erst im Sommer dieses Jahres veröffentlicht. Deshalb sind hierzu noch keine Angaben möglich.

3. Wann und von wem wurden die Erhebungsbögen ausgewertet? Weshalb konnte nicht sofort nach der Erhebung zeitnah festgestellt werden, dass es zu sehr unterschiedlich hohen, insgesamt offenbar aber zu geringen Beteiligungen gekommen war?

Nach Angaben des MPIB wurden die Erhebungsbögen vom deutschen PISA-Konsortium unter Mitwirkung des IEA Data Processing Centers in Hamburg ausgewertet. Die dabei festgestellten Beteiligungsquoten auf Schülerebene wurden den Ländern nicht mitgeteilt, da auch ein Unterschreiten der Quoten nicht automatisch zu einem Ausschluss von der Berichterstattung führen musste. Ein Ausschluss erfolgt nach Auskunft des MPIB, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die realisierte Stichprobe in wesentlichen Untersuchungsparametern verzerrt ist. Diese Entscheidung konnte erst nach vollständiger Aufbereitung und gezielter Auswertung der Daten getroffen werden. Dies war in der zweiten Märzhälfte 2002 der Fall. Hierüber wurde die zuständige Behörde in Hamburg unverzüglich unterrichtet.

4. Aufgrund welcher Vereinbarungen und welcher wissenschaftlichen Standards muss eine Teilnahmequote von 80 Prozent jeweils an der internationalen PISA-Studie und an der nationalen Ergänzungsstudie erreicht werden, um valide Aussagen treffen zu können?

Welche Standards gelten für vergleichbare wissenschaftliche Untersuchungen?

Nach Auskunft des MPIB wurden die kritischen Grenzwerte für die Beteiligungsquoten durch die Regierungen der beteiligten OECD-Staaten im Board of Participating Countries (BPC) von PISA festgelegt.

Dabei wurden Standards zugrunde gelegt, die sich in bisherigen internationalen Vergleichsstudien als wissenschaftlich notwendig und gleichzeitig als praktisch erreichbar herausgestellt hatten. Die kritischen Grenzwerte wurden von der Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland für die PISA-Erweiterungsuntersuchung übernommen.

5. Wann wurde die Behörde über die Beteiligung an der internationalen PISA-Studie und an der nationalen Ergänzungsstudie in Hamburg informiert? Hat die Behörde hierzu einen Zwischenbericht bekommen oder angefordert?

Die Leitung der zuständigen Behörde wurde erstmalig in der zweiten Märzhälfte über die Beteiligungsquoten von Hamburg informiert.

6. Welche Erkenntnisse liegen der Behörde über die Gründe für die geringen Teilnahmequoten vor?

Neben den kritischen Stellungnahmen einiger Institutionen oder Verbände zu PISA sind sehr wahrscheinlich auch andere Gründe für die unzureichende Teilnahme von Schülerinnen und Schülern verantwortlich. Genannt werden können hier insbesondere fehlende Einverständniserklärungen der Eltern und der ungünstige Testzeitpunkt (unter anderem schriftliche und mündliche Überprüfungen an Hauptund Gesamtschulen, das Schreiben von Vergleichsarbeiten, Betriebspraktika, Klassenreisen der Abschlussklassen). Darüber hinaus wird die Freiwilligkeit der Teilnahme manche Schülerin bzw. manchen Schüler in Zeiten der Prüfungsvorbereitungen von einer Teilnahme abgehalten haben.

7. Worauf gründet der Senator die Aussage, dass der Personalrat der Gesamtschulen oder andere vom Senator öffentlich verantwortlich Gemachte auf die geringere Teilnahmequote in den Hauptschulen entscheidenden Einfluss ausgeübt haben?

Der Präses der zuständigen Behörde hat in seiner Pressemitteilung vom 3. April 2002 unter anderem darauf hingewiesen, dass vor Beginn der Testung der Personalrat Gesamtschulen mit einem vierseitigen Info-Blatt unter dem Titel Vom häufigen Wiegen wird die Sau nicht fett! Füttern statt messen! eine umfangreiche ablehnende Stellungnahme zu PISA vertreten hat.

8. In wie vielen Fällen hat das Nichtvorliegen der schriftlichen Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten zum Ausschluss von der Teilnahme geführt?

Nach Auskunft des MPIB wurden Informationen über die Gründe einer Nichtbeteiligung aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht dokumentiert. Aus Testleitererfahrung ­ so das MPIB ­ sei fast immer die fehlende Elterngenehmigung Grund der Nichtteilnahme gewesen.

9. In wie vielen Fällen haben unvollständig ausgefüllte Tests zum Ausschluss geführt?

Ein unvollständig ausgefüllter Testbogen war kein Ausschlussgrund.

10. Was waren die Gründe für die Freiwilligkeit der Teilnahme an PISA? Inwiefern sind diese Gründe für die Nacherhebung nicht mehr relevant?

Die rechtlichen Voraussetzungen, Leistungsfeststellungen verpflichtend zu machen, unterscheiden sich in der Bundesrepublik Deutschland von Land zu Land. Die Datenschutzbeauftragten der Länder haben sich daher vor der Untersuchung auf ein Verfahren geeinigt, das die Rechtsgrundlagen aller Länder berücksichtigt. Für die Beantwortung von Fragebogen von Minderjährigen ist in allen Ländern eine Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten notwendig.

Die rechtlichen Voraussetzungen in Hamburg ermöglichen diesbezüglich eine abweichende Regelung.

§ 100 Absatz 3 des Hamburgischen Schulgesetzes sieht vor, dass die Verpflichtung der Schülerinnen und Schüler zur Teilnahme an den Leistungstests auch ohne Zustimmung der Eltern gegeben ist.

11. Im Focus-Magazin (8. April 2002) wird der Leiter der deutschen PISA-Studie, Professor Baumert, zitiert, die schlechte Beteiligung sei ein Großstadtphänomen. Daraus ist zu entnehmen, dass auch andere Großstädte betroffen sind. Welche Erkenntnisse liegen zu den Beteiligungsquoten anderer Großstädte vor? Wie beurteilt der Senat dieses Phänomen?

Der zuständigen Behörde liegen differenzierte Erkenntnisse zu den Beteiligungsquoten anderer Großstädte, die eine Beurteilung ermöglichen, nicht vor. Laut einer Pressemeldung der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport vom 11. April 2002 weist auch Berlin eine zu geringe Beteiligung auf und wurde deshalb ebenfalls von der Auswertung ausgeschlossen. Auch in Berlin wird eine Nacherhebung durchgeführt.

12. Ist es richtig, dass in Berlin nur 101 Schulen (laut Tagesspiegel vom 7. April 2002), in Hamburg aber 112 Schulen an der PISA-Ergänzungsstudie teilgenommen haben?

Ja. Laut Stichprobenplan wurden in jedem Land pro Schulform 25 Schulen gezogen, in Hamburg zusätzlich zwölf Integrierte Haupt- und Realschulen, in Berlin zusätzlich eine Sonderschule.

13. Verteilen sich die Datenausfälle in Hamburg gleichmäßig über die Schulen oder sind es bestimmte Schulen, die nicht teilgenommen haben?

In Hamburg haben sich alle 112 gezogenen Schulen an PISA beteiligt. Die Quoten unterscheiden sich von Schule zu Schule. Das MPIB gibt aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Beteiligungsquoten einzelner Schulen bzw. kleiner Gruppen von Einzelschulen bekannt. Laut MPIB streuen die Beteiligungsquoten auch über Schulen derselben Schulformen.

14. Wäre es wissenschaftlich begründbar, Schulen mit hohen Datenausfällen aus der Auswertung auszuschließen, ohne die Repräsentativität zu gefährden?

Nach Auskunft des MPIB wäre eine nachträgliche Veränderung der Stichprobe nicht begründbar, da nicht sichergestellt werden kann, dass die Nichtbeteiligung von wichtigen Untersuchungsparametern wie z. B. dem erreichten Leistungsstand von Schülerinnen und Schülern unabhängig ist.

15. Wann werden die Hamburger Ergebnisse der nationalen Ergänzungsstudie der Öffentlichkeit vorgestellt? Hält der Senat trotz einer teilweise vergleichsweise geringeren Beteiligung die Ergebnisse der Hamburger PISA-Ergänzungsstudie für aussagekräftig? Wie werden die Ergebnisse in den Schulen bekannt gemacht?

Über den Zeitpunkt der Berichtslegung der Hamburger Ergebnisse liegt noch keine Entscheidung vor.

Eine Beurteilung der Aussagekraft der Hamburger PISA-E-Ergebnisse aus der im Mai/Juni 2000 durchgeführten Erhebung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich.

Nach jetzigem Stand erhalten die Schulen, die an PISA 2000 teilgenommen haben und die für die Schulformen vorgeschriebenen Beteiligungsquoten erreicht haben, im Sommer bzw. Herbst 2002 eine schulbezogene Ergebnisrückmeldung. Alle allgemein- und berufsbildenden Schulen erhalten nach Erscheinen im Sommer 2002 ein Exemplar des ersten PISA-E-Länderberichts.

16. Wird es eine Nacherhebung zur nationalen Ergänzungsstudie PISA geben?

Ja. Die Nacherhebung findet an 25 Hauptschulen, 25 integrierten Gesamtschulen und zwölf Integrierten Haupt- und Realschulen in der Zeit vom 27. Mai bis zum 14. Juni 2002 statt.

17. Gibt es nach Einschätzung des Senats eine Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen der Lernausgangslagenuntersuchung 9 (LAU 9) und denen aus der PISA-Studie und der nationalen Ergänzungsstudie in Hamburg?

Zwar sind die LAU-Befunde nur eingeschränkt mit den Ergebnissen von PISA vergleichbar, denn im Unterschied zu PISA (international) haben an LAU 9 nicht 15-Jährige teilgenommen, sondern Neuntklässlerinnen und Neuntklässler. Zudem ist PISA eine Querschnittsstudie, LAU dagegen eine Längsschnittstudie, die Aussagen nicht nur zu den erreichten Lernständen, sondern auch zu den Lernentwicklungen ermöglicht. Gleichwohl gibt es eine Reihe von Übereinstimmungen in zentralen Befunden.

So bestätigt LAU 9 den Befund aus der PISA-Studie (international), dass die Leistungsspitze in allen Schulformen nicht ihrem Lernpotenzial entsprechend gefordert und gefördert wird. LAU 9 zeigt, dass dies unter anderem auf die deutlich verlangsamten Lernfortschritte der Jungen zurückzuführen ist.

Ebenso bestätigt LAU 9 den PISA-Befund, dass es zwischen den Schulformen und Kursniveaus große Überlappungsbereiche gibt, die darauf hindeuten, dass ein nennenswerter Teil der Schülerinnen und Schüler nicht seinem Lernpotenzial gemäß eingestuft ist. Wie in PISA für Deutschland insgesamt berichtet wird, stehen die ungünstigeren Lernentwicklungen der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund auch in Hamburg in engem Zusammenhang zu ihren sprachlichen Kompetenzen, insbesondere der Lesekompetenz. Und wie die PISA-Studie zeigt auch LAU, dass Schülerinnen und Schüler gleicher Lernausgangslage je nach dem sozialen Status ihrer Eltern in unterschiedlichen Bildungsgängen bzw. Kursniveaus unterrichtet werden, dass also soziale Barrieren wirksam sind.

Inwieweit es Übereinstimmungen zwischen den Ergebnissen der LAU 9 und den Ergebnissen der nationalen Ergänzungsstudie gibt, kann erst beurteilt werden, wenn die Ergebnisse der nationalen Ergänzungsstudie vorliegen.

18. Welche wichtigen Aussagen speziell aus der nationalen PISA-Ergänzungsstudie zur Gruppe der 15-jährigen Hamburger Schüler/innen hätte der Senat erwartet, die nicht auch aus der LAU-9-Untersuchung gezogen werden können?

Die PISA-Ergänzungsstudie wird unter anderem zum Leistungsstand im naturwissenschaftlichen Bereich und bezüglich der Zuordnung von Leistungsergebnissen zu Kompetenzstufen auf der Grundlage einer internationalen Rahmenkonzeption zusätzliche Erkenntnisse zur LAU liefern.

19. Welche Erkenntnisse erwartet der Senat (ggf. durch eine Nacherhebung) aus einem Vergleich zwischen den Bundesländern?

Die zuständige Behörde erwartet neben der relativ differenzierten Beschreibung der Schulbevölkerung der einzelnen Länder hinsichtlich soziokultureller Personenmerkmale einen multidimensionalen Vergleich der Länder im Hinblick auf unter anderem folgende Zielkriterien: Leseleistung in differenzierter Form, mathematische und naturwissenschaftliche Leistungen, Indikatoren für selbstreguliertes Lernen, Indikatoren für unterrichtsunabhängige Problemlöseleistungen und Merkmale sozialer Kompetenz.

20. Weche schulpolitischen Konsequenzen zieht der Senat aus den wichtigsten Ergebnissen der LAU-Untersuchungen insbesondere was die Durchlässigkeit, die Lernentwicklung, die soziokulturellen Bildungsbarrieren, die Integration von Migrant/innen und die Geschlechterdifferenz betrifft?

Die Bürgerschaft wurde über die schulpolitischen Konsequenzen, die aus den Untersuchungen LAU 5 und LAU 7 gezogen worden sind, mit der Drucksache Qualitative Weiterentwicklung der Hamburger Grundschulen und Standardsicherung im Hamburger Schulwesen (Drucksache 16/6144 vom 5. Juni 2001) unterrichtet. Die Ergebnisse der LAU-9-Untersuchung liegen seit Dezember 2001 vor. Die zuständige Behörde bereitet zurzeit Maßnahmen als Konsequenz aus den Ergebnissen der LAU-9 Untersuchung und aus den PISA-Ergebnissen für Deutschland vor. Mit den PISA-E-Ergebnissen wird sich die zuständige Behörde nach deren Vorliegen befassen.