Stationäre Versorgung von MCS-Patienten

In den letzten 50 Jahren ist eine Reihe von neuen Krankheitsbildern aufgetreten, deren Entstehung mit dem Auftreten verschiedener Umweltschadstoffe in Verbindung gebracht wird.

In der Öffentlichkeit finden Erkrankungen wie MCS, CFS, SBS starke Beachtung. Dabei steht nicht selten das subjektive Leiden der Betroffenen im deutlichen Gegensatz zum medizinischwissenschaftlichen Erkenntnis- und Behandlungsvermögen. Bei einer Betroffenheit von 2 bis 10 Prozent der Bevölkerung allein durch MCS (Multiple Chemikalien-Empfindlichkeit) ­ wie der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen in seinem Sondergutachten Umwelt und Gesundheit festgestellt hat ­ kann allerdings nicht mehr von einer Randerscheinung gesprochen werden.

MCS-Patienten weisen eine vielfältige klinische Symptomatik auf, die mehrere Organsysteme betreffen können, wie Müdigkeit, Depressionen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Konzentrationsstörungen, Angst, Atemnot, Schwindel, Magenschmerzen, Schlafstörungen, Augenbrennen, Juckreiz, Nesselsucht, Muskelverspannungen und Sensibilitätsstörungen. Es wird auch die These vertreten, dass die feststellbaren kognitiven Beeinträchtigungen Ausdruck neurotoxischer Schädigungen sein könnten.

MCS-Patienten stellen eine heterogene Gruppe dar, die einer sorgfältigen interdisziplinär angelegten Diagnostik unter Einbeziehung allergologischer Testverfahren bedarf.

Die gegenwärtig öffentlich ausgetragene und emotional geführte Kontroverse, ob es sich bei MCS um eine körperliche Erkrankung handelt, die auf besondere Chemikalienexposition aus der Umwelt zurückzuführen ist, oder um eine seelische Störung, ist für die betroffenen Menschen wenig hilfreich und erhöht ihren Leidensdruck. Sie führt außerdem zu einer weiteren Verunsicherung ohnehin besorgter Bevölkerungskreise.

Notwendig sind vielmehr weiterführende Forschung und eine ausreichende ambulante und stationäre Versorgung der Betroffenen. Die nächsten, für Hamburger Patient/innen erreichbaren MCS-Spezialbetten stehen in Bredstedt bei Husum.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

A. Zur Forschung

1. An welchen Hamburger Hochschulen bzw. Kliniken werden umweltmedizinische Fragestellungen, insbesondere Studien zur weiteren Dokumentation, Epidemiologie, Diagnostik und Therapie von MCS durchgeführt?

2. Welche Forschungsergebnisse liegen aus Hamburg vor?

Die Abteilung für Medizinische Psychologie des Zentrums für Innere Medizin des Universitäts-Klinikums Eppendorf (UKE) ist beteiligt an der Studie Untersuchungen zur Suszeptibilität bei multipler Chemikalienüberempfindlichkeit des Robert Koch-Instituts, Berlin. Der Endbericht für diese Studie liegt noch nicht vor.

Die Abteilung war außerdem an dem so genannten Positive und negative Wirkungen raumlufttechnischer Anlagen auf Befindlichkeit, Leistungsfähigkeit und Gesundheit beteiligt. Im Rahmen dieses Projektes wurden 4500 Beschäftigte in klimatisierten und nicht klimatisierten Gebäu den untersucht, parallel wurde die Innenraumklimabelastung erfasst. Im Ergebnis zeigten sich nur geringe Zusammenhänge zwischen Befindlichkeitsstörungen (SBS) und dem Innenraumklima, allerdings war die Wartung der Klimaanlagen von Bedeutung.

Im Ordinariat für Arbeitsmedizin/Zentralinstitut für Arbeitsmedizin wird bei der ambulanten Untersuchung und Behandlung von MCS-Patientinnen und -Patienten insbesondere untersucht, ob eine spezielle Schleimhautempfindlichkeit dieser Patientengruppe besteht.

Im Übrigen wird zusätzlich in der Abteilung für Medizinische Psychologie des Zentrums für Innere Medizin des UKE in Doktorarbeiten auch die CFS-Problematik (chronique fatigue syndrome ­ chronisches Müdigkeitssyndrom) behandelt.

Eine Übersicht der Forscherinnen und Forscher, die zu diesen Themen arbeiten, liegt der zuständigen Behörde nicht vor; in der Kürze der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit konnten diese auch nicht ermittelt werden.

3. Können angehende Ärzte in Hamburg eine Zusatzqualifikation Umweltmedizin erwerben?

Ja.

4. Welche Forscher/innen oder Dozent/innen arbeiten in Hamburg zum Thema MCS?

Siehe Antwort zu A.1. und 2.

5. Auf welche Art und Weise werden umweltmedizinische Fragestellungen, insbesondere zu MCS in der BUG bearbeitet?

Der Begriff der Multiplen Chemikaliensensibilität betrifft eine spezielle Teilgruppe umweltmedizinischer Fragestellung. Für individuelle Anfragen bietet die Umweltmedizinische Beratungsstelle der Behörde für Umwelt und Gesundheit eine Beratung an.

6. Wird in der BUG MCS im Zusammenhang mit arbeitsmedizinischen Fragestellungen thematisiert oder bearbeitet?

Arbeitsmedizinische Beratung zur Gestaltung der Arbeitsumgebung muss zwingend Fragestellungen des Grenzbereiches zwischen Arbeitsmedizin und Umweltmedizin berücksichtigen.

Das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin befasst sich in seinen wissenschaftlichen Schwerpunkten unter anderem mit der Arbeitstoxikologie und arbeitsmedizinischer Allergologie und Molekularbiologie. Im Rahmen seiner Aufgabenstellung werden im Ordinariat und auch MCS-Patientinnen und -Patienten individuell untersucht und behandelt.

B. Zur stationären Versorgung

1. Gibt es spezielle klinische Angebote für MCS-Patienten in Hamburg? Wenn ja, an welchen Krankenhäusern?

Spezielle Abteilungen oder Bereiche für MCS-Patientinnen und -Patienten sind in Hamburg nicht gesondert ausgewiesen. Die Klinik für Dermatologie und Venerologie des UKE untersucht und behandelt MCS-Patientinnen und -Patienten auch stationär. Die stationäre Versorgung erfolgt in allergiearmen Einzelzimmern vorwiegend im Rahmen allergologischer Abklärungen, die auch Testungen und Expositionen umfassen.

Die Abteilung für Medizinische Psychologie des Zentrums für Innere Medizin des UKE befasst sich mit der Erarbeitung eines ambulanten verhaltenstherapeutischen Behandlungsangebotes für MCS-Patientinnen und -Patienten sowie mit dem Aufbau interdisziplinärer Zusammenarbeit auf diesem Feld.

2. Gibt es Pläne, wegen des relativ hohen Vorkommens von MCS und anderer umweltbedingter Erkrankungen im Zuge der Krankenhausneubauten eine speziell für diese Patientengruppe geeignete Abteilung einzurichten?

Die zuständige Behörde führt hierzu Gespräche mit Trägern, um Möglichkeiten für die Bereitstellung eines spezifischen Angebotes für Patientinnen und Patienten mit umweltmedizinischen Erkrankungen zu klären.

3. Wie will der Senat andernfalls sicherstellen, dass MCS-Patienten in schadstoff- und rauchfreier Umgebung stationär versorgt werden können?

In allen hamburgischen Krankenhäusern werden erhebliche Anstrengungen unternommen, den Schutz der nichtrauchenden Patientinnen und Patienten, Besucherinnen, Besucher, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewährleisten. In Krankenhäusern ist das Nichtrauchen der Regelfall und das Rauchen die auf spezielle Räume beschränkte Ausnahme.

Es ist auch Ziel der Krankenhausträger, insgesamt durch einen möglichst weitgehenden Rückgang der Verwendung schad- und duftstoffhaltiger Mittel und Materialien die Belastung der Umwelt und die Gefährdung besonders empfindlich reagierender Patientinnen und Patienten zu reduzieren.

4. Welche Diagnostik und Therapie-Konzepte werden für MCS-Patienten in Hamburg angewandt?

Der zuständigen Behörde liegen keine Daten über angewandte Diagnostik und Therapiekonzepte für MCS-Patientinnen und -Patienten vor. Derzeit gibt es kein wissenschaftlich allgemein anerkanntes Diagnostik- bzw. Therapie-Konzept; es ist jeweils dem individuellen Einzelfall entsprechend zu entwickeln.

5. Werden die Kosten für die stationäre Versorgung von der gesetzlichen Krankenkasse getragen?

Eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen erfolgt nach den allgemein geltenden Regeln (§§ 27, 39 Sozialgesetzbuch V); dabei wird nicht nach einzelnen Krankheitsbildern unterschieden.