Berufsvorbereitungsschule für Ernährung und Hauswirtschaft

Die Berufsvorbereitungsschule für Ernährung und Hauswirtschaft in der Uferstraße bietet seit über zehn Jahren behinderten Schülerinnen und Schülern berufsvorbereitende Qualifizierungsmaßnahmen in den Bereichen Ernährung, Hauswirtschaft und Haustechnik. Dieser in Europa einzigartige Bildungsgang ermöglicht Schüler/innen mit geistiger Behinderung die berufliche Integration und stellt damit einen wichtigen und sehr erfolgreichen Beitrag zu einem möglichst selbstbestimmten Leben als behinderter Mensch dar. Gleichzeitig hat Senatorin Schnieber-Jastram die Behindertenpolitik als einen wichtigen Eckpunkt der Politik des Hamburger Senats dargestellt.

Dessen ungeachtet mussten nun die Eltern der Schüler/innen der Berufsvorbereitungsschule für Ernährung und Hauswirtschaft die Planungen der Behörde für Schule und Sport mit großer Bestürzung zur Kenntnis nehmen, wonach rigorose Zugangsbeschränkungen diese bisher äußerst erfolgreichen berufsvorbereitenden Qualifizierungsmöglichkeiten geistig behinderter Menschen massiv einschränken sollen. Nur noch die Schüler/innen, die nicht mehr als neun Schuljahre absolviert haben, dürfen aufgenommen werden. Geistig behinderte Schüler und Schülerinnen, die z. B. zehn Jahre zur Erreichung des geforderten Bildungsniveaus benötigen, werden zukünftig abgewiesen. Dieses soll auch angesichts der Tatsache geschehen, dass geistig behinderte Menschen bekanntlich eine längere berufliche Vorbildung brauchen.

Des Weiteren soll schon ein halbes Jahr nach Eintritt in die Berufsvorbereitungsschule ein so genannter Entwicklungsbericht über den Verbleib in der Qualifizierungsmaßnahme entscheiden. Nach neuesten Pressemeldungen sollen diese Änderungen erst zum Schuljahr 2003/2004 eingeführt werden.

Vor diesem Hintergrund fragt die SPD-Bürgerschaftsfraktion den Senat.

Die verschiedenen Bildungsmaßnahmen zur schulischen Berufsvorbereitung sind unter dem Begriff Berufsvorbereitungsschule (BVS) zusammengefasst und mit der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Berufsvorbereitungsschule (APO-BVS) sowie der Verordnung über die Stundentafeln für die Berufsvorbereitungsschule (STVO-BVS) zum 1. August 1999 neu geregelt worden. Die beiden Verordnungen lösten die bis dahin bestehenden Verwaltungsvorschriften ab. Die APO-BVS wurde mit Wirkung zum 1. August 2001 in Teilen neu gefasst und insgesamt neu verkündet.

Die BVS soll ihre Schülerinnen und Schüler befähigen, in die Arbeitswelt, in die Berufsausbildung oder in weiterführende Schulen einzutreten. Die APO-BVS unterscheidet drei Kurse in Vollzeitform: Das einjährige Berufsvorbereitungsjahr (BVJ), das zweijährige Berufsvorbereitungsjahr für Migrantinnen und Migranten (BVJ-M) und das zweijährige Vorbereitungsjahr für Migrantinnen und Migranten (VJ-M). Zur BVS zählen auch die Kurse in Teilzeitform wie Qualifizierung und Arbeit für Schulabgänger oder Lehrgänge der Arbeitsverwaltung zur Berufsvorbereitung. Ein besonderer zweijähriger Kurs der BVS für Jugendliche mit geistiger Behinderung ist in der APO-BVS nicht festgelegt.

Die Zulassung zu einem Kurs der BVS setzt voraus, dass die Schülerin oder der Schüler berufsschulpflichtig ist, nicht den Hauptschulabschluss oder eine von der zuständigen Behörde als gleichwertig anerkannte Vorbildung erworben hat und nicht an einer öffentlich geförderten Vollzeitbildungsmaßnahme teilnimmt. In begründeten Ausnahmen (Einzelfallregelung) lässt die APO-BVS Abweichungen von dieser Regel zu.

Gemäß § 39 Hamburgisches Schulgesetz beginnt die Berufsschulpflicht nach Erfüllung der Vollzeitschulpflicht mit dem Ausscheiden aus einer Vollzeitschule. Die Vollzeitschulpflicht selbst dauert gemäß § 38 Absatz 4 neun Schulbesuchsjahre. Jugendliche, die nach der Erfüllung der Vollzeitschulpflicht weder eine weiterführende allgemeinbildende Schule besuchen noch in ein Ausbildungsverhältnis im Sinne des Berufsbildungsgesetzes eintreten, erfüllen die Berufsschulpflicht nach neunjährigem Vollzeitschulbesuch durch den Besuch einer mindestens zweijährigen beruflichen Vollzeitmaßnahme oder nach zehnjährigem Vollzeitschulbesuch durch den Besuch einer mindestens einjährigen beruflichen Vollzeitbildungsmaßnahme (§ 39 Absatz 3 Anders als in der Vorbemerkung der Anfrage dargestellt, sind Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung nach neun oder zehn Schulbesuchsjahren in das BVJ aufzunehmen, soweit eine Förderung in den beruflichen Schulen möglich ist.

Das BVJ für die Zielgruppe Jugendliche mit geistiger Behinderung wird an der Staatlichen Schule Ernährung und Hauswirtschaft Uferstraße (W 2) und an der Staatlichen Gewerbeschule Metalltechnik mit Technischem Gymnasium (G 17) mit jeweils zwei Lerngruppen für acht Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung angeboten (gesamte Aufnahmekapazität: 32 Plätze pro Jahr).

Nach der erstmaligen Beantragung und ursprünglich einmaligen Genehmigung zum Schuljahr 1991/92 stand diese Maßnahme an der W 2 Schülerinnen und Schülern mit geistiger Behinderung aus Sonderschulen besonderer Prägung (Waldorfschulen bzw. Schulen für Seelenpflegebedürftige: Christopherusschule und Friedrich-Robbe-Institut) offen; die Maßnahme bereitete die Jugendlichen auf das Projekt Stadthaushotel Hamburg vor, in dem sie nach dem Besuch der damaligen, zweijährigen Berufsvorbereitungsklasse 7/8 und einem berufsbegleitenden Jahr in Teilzeitform eine berufliche Tätigkeit aufnahmen.

Zum Schuljahr 1995/96 wurde diese Ausprägung der Berufsvorbereitung an der W 2 neu beantragt und hatte das Ziel, die Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung auf eine berufliche Tätigkeit außerhalb der Werkstätten für Behinderte vorzubereiten. Es wurden auch Schülerinnen und Schüler der Schulen für Geistigbehinderte ­ in Einzelfällen auch nach elf oder mehr Schulbesuchsjahren und insoweit nach Beendigung der Schulpflicht ­ in diese Kurse aufgenommen. Mit Beginn des Schuljahres 1999/2000 wurde die Maßnahme auf die G 17 erweitert.

Das BVJ für die Zielgruppe Jugendliche mit geistiger Behinderung besteht aus einer zunächst einjährigen Vollzeitform, das in der Regel jedoch über zwei Jahre konzipiert und durchgeführt wird; der Übergang des Jugendlichen in das zweite Jahr der Förderung erfolgt bei einer positiven Entwicklung.

Daran kann sich ein drittes Jahr in Teilzeitform anschließen. Die Schulen bieten das dritte Jahr für Jugendliche mit geistiger Behinderung an, die einen Praktikumsplatz ­ z. B. im Stadthaushotel, im Hansa-Kolleg, in Betrieben der freien Wirtschaft oder in öffentlichen Einrichtungen ­ vorweisen können.

Die in der Anfrage angesprochene Verfahrensregelung der zuständigen Behörde dient einer fundierten Umsetzung der APO-BVS. Sie gewährt außerdem eine vergleichbare, der Schulzeitverlängerung in der Schule für Geistigbehinderte nach elf Schulbesuchsjahren entsprechende Entscheidungsgrundlage für die Aufnahme in das BVJ bzw. für den Übergang in das zweite Jahr der Förderung im BVJ, wenn der Jugendliche die Schulpflicht ­ also Vollzeitschulpflicht plus Berufsschulpflicht ­ von elf Schulbesuchsjahren erfüllt hat.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

Qualifizierungsmaßnahmen der Schule Uferstraße

1. Welches sind die Eckpunkte der bisherigen Qualifizierungsmaßnahmen in der Schule Uferstraße?

Die Maßnahme an der W 2 war bei der erneuten Beantragung zum Schuljahr 1995/96 für zwei Vollzeitschuljahre und ein Praktikumsjahr in Teilzeitform mit einem sechsstündigen Schultag pro Woche konzipiert. Mit dem In-Kraft-Treten der APO-BVS wurden neue Regelungen für die BVS maßgebend, die auch für die Maßnahme an der W 2 gültig sind (vgl. Vorbemerkung) und auf festgelegten Bedarfsgrundlagen basieren.

Ziel des BVJ für die Zielgruppe Jugendliche mit geistiger Behinderung an der W 2 ist die Befähigung der Schülerinnen und Schüler, eine berufliche Tätigkeit in einem für die Integration behinderter Menschen offenen Betrieb oder in einem zumeist von Elterninitiativen gegründeten Zweckbetrieb ­ wie z.B. dem Stadthaushotel ­ aufzunehmen. Dieses BVJ an der W 2 ist auf berufliche Aufgaben im Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft ausgerichtet.

2.. Teilt der Senat die Auffassung der SPD-Bürgerschaftsfraktion und der Elterninitiative der Schule Uferstraße, dass die Schule Uferstraße bisher sehr erfolgreich geistig behinderte Menschen qualifiziert hat?

Ja.

3. Wie viele Schülerinnen und Schüler konnten in den letzten fünf Jahren in der Schule Uferstraße qualifiziert werden?

In den Schuljahren 1991/92 sowie 1995/96 bis 2001/02 sind insgesamt 112 Schülerinnen und Schüler in das BVJ für die Zielgruppe Jugendliche mit geistiger Behinderung an der W 2 eingetreten.

Davon sind vier Schülerinnen und Schüler nach dem ersten Vollzeitschuljahr, 34 nach dem zweiten Vollzeitschuljahr und 26 nach der Berufsvorbereitung in Teilzeitform (Praktikumsjahr) aus der Maßnahme an der W 2 abgegangen. In der Berufsvorbereitung befinden sich zurzeit 48 Jugendliche.

Von den 64 Abgängerinnen und Abgängern ist der folgende Verbleib zum Zeitpunkt des Abgangs bekannt:

40 Jugendliche haben eine berufliche Arbeit aufgenommen ­ davon zwei im Ersten Arbeitsmarkt ­ oder sind in die für diese Zielgruppe konzipierte Berufsfachschule für Hauswirtschaftshilfe eingetreten. Das Ziel der BVS, der Eintritt in die Arbeitswelt oder in die weiterführende Schule, ist damit zu 62,5 Prozent auf direktem Weg erreicht worden. Weitere 15 Jugendliche sind in das Arbeitstraining bzw. den Berufsbildungsbereich eingetreten; über deren Verbleib nach diesen Maßnahmen liegen keine vollständigen Angaben vor. Von den hier aufgeführten 55 Jugendlichen haben nach dem Abgang aus der W 2 vier das Berufsfeld gewechselt.

4. Wie hat sich die Nachfrage nach Schulplätzen in den letzten fünf Jahren entwickelt?

Die Nachfrage ist nach der Erstberatung nahezu konstant und entspricht etwa der Zahl von Schülerinnen und Schülern, die in eine Maßnahme der W 2 eintreten.

Die gesamte Nachfrage nach Schulplätzen für behinderte Jugendliche (Geistigbehinderte, Körperbehinderte, Sehgeschädigte sowie Mehrfachbehinderte) im beruflichen Schulwesen nach der Erstberatung ist jedoch gestiegen.

Nachgefragte Schulplätze für behinderte Jugendliche (alle o.a. Behinderungsarten) nach der Erstberatung seit 1992:

Deswegen wurde das Angebot für diese Zielgruppe in anderen beruflichen Schulen schrittweise ausgeweitet. Seit 1999 erfolgt die Beratung der Eltern und Jugendlichen sowie die Vermittlung von Schulplätzen durch das Schulinformationszentrum.

5. Viele Schülerinnen und Schüler haben nach Abschluss einen qualifizierten Arbeitsplatz unter anderem in den Werkstätten für Behinderte und im Stadthaus-Hotel gefunden.

a) Wie viele waren dies seit Bestehen des Projekts Stadthaus-Hotel?

Siehe Antwort zu 3.

5. b) Trifft es zu, dass diese Maßnahme in der Vergangenheit vom Senat bewusst gefördert wurde?

Die Maßnahme an der W 2 wurde auf Antrag zum Schuljahr 1991/92 sowie zum Schuljahr 1995/96 von der zuständigen Behörde genehmigt. Einerseits aufgrund der gestiegenen Nachfrage, andererseits bedingt durch die Zulassungsbedingungen der APO-BVS wurde die Maßnahme fortgeführt und ein vergleichbares BVJ für die Zielgruppe Jugendliche mit geistiger Behinderung an der G 17 eingeführt.

5. c) Welche Möglichkeiten der Entwicklung und des Ausbaus anderer qualifizierter Arbeitsplätze und Beschäftigung sieht der Senat, insbesondere in Hinblick auf hauswirtschaftliche Tätigkeiten in Werkstätten und betreuten Wohngruppen?

Die vier Hamburger Werkstätten für behinderte Menschen bieten Arbeitsplätze im hauswirtschaftlichen Bereich (Zubereitung von Speisen, Reinigungsarbeiten, Wäschepflege) an. Der interne Bedarf der Werkstätten an derartigen Arbeitskräften ist allerdings begrenzt. Hauswirtschaftliche Kenntnisse und Fähigkeiten eröffnen jedoch auch weitergehende Chancen der Integration bis hin zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Deshalb bemüht sich die zuständige Behörde im Rahmen des Projektes Ausgelagerte Arbeitsgruppen der Werkstätten für behinderte Menschen in Hamburg, in den aufgeführten Bereichen zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten für Behinderte außerhalb der Werkstätten zu erschließen. Das schließt die Möglichkeit ein, auch die Kapazitäten der Hamburger Arbeitsassistenz, die zu rund 50 Prozent behinderte Menschen in Praktika im Bereich Hauswirtschaft vermittelt, zu erweitern.