JVA

Nach Abschluss von An- und Umbaumaßnahmen in der Teilanstalt für Frauen auf Hahnöfersand, der JVA Am Hasenberge und der Untersuchungshaftanstalt Hamburg sowie der Verlagerung der JVA Vierlande in die JVA Billwerder mit 382 Plätzen wird sich die Belegungsfähigkeit der Hamburger Justizvollzugsanstalten im Jahr 2003 auf insgesamt 3208 Haftplätze belaufen mit einem Fehlbedarf von rund 400 Plätzen gegenüber dem hochgerechneten Bedarf. Der Zugewinn von 90 Haftplätzen gegenüber 2002 resultiert aus der Erweiterung des Frauenvollzuges auf Hahnöfersand (plus 28 Plätze) und der Planung der JVA Billwerder mit 382 Plätzen für den Männervollzug (plus 63

Plätze; ein Haftplatz geht durch Umbaumaßnahmen in anderen Anstalten verloren).

Überplanung der JVA Billwerder in eine Anstalt des geschlossenen Vollzuges mit erweiterter Haftplatzkapazität

Zur Schaffung zusätzlicher Haftplätze, die insbesondere im geschlossenen Vollzug benötigt werden, ist es dringend geboten, die JVA Billwerder, die ursprünglich als Anstalt des offenen Vollzuges konzipiert ist, als geschlossene Anstalt mit einer erweiterten Haftplatzkapazität zu bauen.

Darüber hinaus wird eine Freigängerabteilung mit 35 Plätzen errichtet. Der über die bisherige Planung der JVA Billwerder hinausgehende Haftplatzbedarf von rund 400 Plätzen im geschlossenen Vollzug kann durch den Bau von drei dreigeschossigen Hafthäusern mit insgesamt 382 Plätzen des geschlossenen Vollzuges sowie 40 Arrest- und Sicherungshaftplätzen gedeckt werden, damit schnellstmöglich 3592 Haftplätze zur Verfügung stehen. Bei einer zu erwartenden Belegung mit rund 3600 Gefangenen sind diese zusätzlichen Haftplätze nur geeignet, die ansteigenden Gefangenenzahlen bei einer unverändert gegebenen Vollauslastung der Belegungsfähigkeit aufzunehmen.

Die bisher in der JVA Billwerder vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen müssen bei einer Nutzung der im Bau befindlichen Anstalt für den geschlossenen Vollzug ausgeweitet werden. Dazu gehören die Umwehrung der Anstalt mit einer Mauer und einer im Vergleich zu den Fuhlsbütteler Anstalten leichten Sicherungsanlage mit einer Personen- und Fahrzeugschleuse.

Um die Funktionsfähigkeit einer geschlossenen Anstalt Billwerder zu gewährleisten, sind verschiedene Um- und Erweiterungsbauten erforderlich: So ist zum Einen die für die offene Anstalt Billwerder geplante zentrale Essenausgabe an die Gefangenen (Kantinenlösung) in eine dezentrale Lösung (portionierte Essenausgabe in den Hafthäusern) zu ändern. Zum Anderen sind eine Zu- und Abgangsstation sowie ein Monitorüberwachungsraum und eine Waffenkammer vorzusehen.

Außerdem sind Umbauten im Haupthaus erforderlich: So bedingt die Erweiterung der Personalkapazität zusätzliche Dusch- und Umkleidemöglichkeiten sowie die Einrichtung zusätzlicher Büroarbeitsplätze für Verwaltungskräfte; die Steigerung der Gefangenenzahlen erfordert insbesondere eine Erweiterung des Krankenrevieres sowie der Lagerkapazität für Gefangenenhabe und Verbrauchsmaterialien.

Darüber hinaus ist für die umgeplante JVA Billwerder mit dann rund 800 Haftplätzen ein neues Besuchszentrum zu errichten, da die bislang in der Kantine geplante Besuchsabwicklung nicht den Sicherheitsanforderungen des geschlossenen Vollzuges genügt und außerdem die Räumlichkeiten zu klein sind.

Für die erweiterte JVA Billwerder kommt ein Bedarf an zusätzlichen Gefangenenarbeitsplätzen hinzu, so dass der Bau einer weiteren Werkhalle notwendig ist. Die Werkstätten sind bisher für 382 Gefangene konzipiert, von denen nach der ursprünglichen Planung ein Teil auch einen Berufsfreigang außerhalb der Anstalt absolvieren sollte.

Für die neu zu errichtenden Hafthäuser mit insgesamt 382 Plätzen (eine Aufstockung der bereits errichteten, zweigeschossigen Hafthäuser ist aus Gründen der Statik nicht möglich), ist ein höherer Sicherheitsstandard bei der Vergitterung und der Schließanlage vorgesehen, so dass dort stärker zu sichernde Gefangene untergebracht werden können und auch innerhalb der JVA Billwerder angemessen differenziert werden kann.

Die dringend notwendige stärkere Binnendifferenzierung und ein Abbau der Gemeinschaftsunterbringungen im Hamburger Justizvollzug insgesamt ist mit der Überplanung der JVA Billwerder damit nur bedingt zu erreichen.

Durch die Verlagerung der JVA Vierlande in die JVA Billwerder wird sich jedoch die Anzahl der Haftplätze mit einer Gemeinschaftsbelegung von derzeit 968 (rd. 25 % der Belegungsfähigkeit) auf 628 (rd. 20 % der Belegungsfähigkeit) verringern. Sollte sich aus der Rechtsprechung zur gemeinschaftlichen Unterbringung der Gefangenen die Notwendigkeit ergeben, alle Gefangenen in Einzelhaftplätzen unterzubringen, wären dafür kurzfristig umsetzbare Lösungen (z. B. in Form von Containerbauten) erforderlich.

Anteil der Haftplätze im geschlossenen Vollzug

Aufgrund der veränderten Sicherheitsanforderungen im Hamburger Justizvollzug und zur Erfüllung des Behandlungs- und Sicherheitsauftrags des Strafvollzugsgesetzes und nicht zuletzt aus Gründen der Personalfürsorge ist es dringend geboten, die JVA Billwerder als geschlossene Anstalt zu bauen. Die Verlagerung der JVA Vierlande in die JVA Billwerder ermöglicht es, den Anteil der Haftplätze im geschlossenen Männervollzug stärker dem Bedarf anzupassen. Durch die Überplanung der in Bau befindlichen JVA Billwerder als Anstalt des geschlossenen Vollzuges wird sich die Anzahl der Haftplätze im offenen Männervollzug (ohne Jugendvollzug) von 639 auf 320 verringern. Der Anteil der Plätze im offenen Männervollzug am Gesamtbestand an Haftplätzen geht auf 10 % im Jahr 2003 zurück. Die Ausweitung der Haftplätze im geschlossenen Vollzug trägt den veränderten Sicherheitsanforderungen bei der Unterbringung der Gefangenen und dem Anstieg der Gefangenenzahlen, der vor allem zu Lasten des geschlossenen Männervollzuges geht, Rechnung. Die JVA Billwerder wird als Anstalt des geschlossenen Vollzuges insbesondere zuständig sein für Gefangene, die sich gegenwärtig im offenen Vollzug befinden, obgleich eine Unterbringung im geschlossenen Vollzug angemessener wäre und für Gefangene der Fuhlsbütteler Anstalten, die für den Vollzug in einer geschlossenen Anstalt mit einem niedrigeren Sicherheitsstandard geeignet sind. Die Anstalt wird für diese Gefangenen ein bedarfsgerechtes Arbeits- und Qualifizierungsprogramm vorhalten.

Mit der Umwandlung der bisher geplanten Haftplätze des offenen Vollzuges der im Bau befindlichen JVA Billwerder in Haftplätze des geschlossenen Vollzuges und der Schaffung zusätzlicher 382 geschlossener Haftplätze in der Anstalt wäre es dann möglich, die Belegung der Anstalten im geschlossenen Vollzug nach unterschiedlichen Sicherheitsstufen zu differenzieren. Die im Zusammenhang mit der Errichtung einer neuen Anstalt auf Hahnöfersand beabsichtigte und dann ab frühestens 2006 wirksam werdende Entlastung des geschlossenen Vollzuges könnte dadurch erheblich beschleunigt werden.

Für die rund 50 Gefangenen, die im Durchschnitt der letzten Jahre in der JVA Vierlande am Freigang teilnehmen und einer Beschäftigung außerhalb der Anstalt nachgehen, muss im Zuge der Verlagerung der Anstalt nach Billwerder ein Ersatz geschaffen werden. Die bisherige Planung sah diesen Ersatz in der zukünftigen offenen JVA Billwerder vor. Mit der Umwidmung der Anstalt in eine geschlossene Anstalt muss eine eigene Abteilung für Freigänger vorgehalten werden, da Freigangmaßnahmen aus dem geschlossenen Vollzug heraus entsprechend einem bundesweiten Standard nicht umsetzbar sind. In einem geringen Umfang kann die ebenfalls offene JVA Glasmoor den Bedarf an zusätzlichen Haftplätzen für Freigänger decken, indem die dortigen Plätze für Freigänger erhöht werden. Für den überwiegenden Teil des Bedarfs, nämlich in Höhe von ca. 35 Haftplätzen, ist ein Neubau für den Freigängervollzug in Billwerder erforderlich. Die Haftplatzkapazität im offenen Männervollzug erhöht sich dadurch von der auf 320 reduzierten Haftplatzzahl auf 355 Plätze (rd. 10 % des Gesamtbestandes an Haftplätzen).

4. Haftplatzkapazität der JVA Billwerder

Nach § 143 Absatz 3 soll die für sozialtherapeutische Anstalten und für Justizvollzugsanstalten für Frauen vorgesehene Belegung 200 Plätze nicht übersteigen. Für andere Anstalten gibt es keine gesetzliche Festlegung für die Anstaltsgröße. Allerdings wird nach überwiegender Meinung aus Behandlungsgründen ein Richtwert von 200 Plätzen für optimal gehalten (vgl. Calliess/Müller-Dietz, Kommentar zum Strafvollzugsgesetz, 9. Aufl., Tz. 3 zu § 143 Die optimale Betriebsgröße einer Anstalt zur Erzielung von Synergieeffekten in betriebswirtschaftlicher Hinsicht (Kostenminimierung) liegt jedoch deutlich über diesem behandlungsorientierten Richtwert.

Synergieeffekte liegen weniger im Sachmittelbereich (die meisten Ausgaben, wie Verpflegung und ärztliche Versorgung sind belegungsabhängig) als vielmehr im Personalbereich.

In Anstalten mit höherer Belegungszahl ergeben sich Synergieeffekte gegenüber Anstalten mit geringerer Belegungszahl im Wesentlichen aus vier Gründen:

­ Zentrale Dienstposten, die unabhängig von der Anzahl der unterzubringenden Gefangenen einzurichten sind, werden nur einmal besetzt (z. B. Anstaltsleiter/in, Vollzugsdienstleiter/in, Pfortenbeamte, Meldezimmerbeamte, Leitungen zentraler Einrichtungen wie Kammer, Küche, Revision, Vollzugsgeschäftsstelle, betriebswirtschaftliche Abteilung usw.). Diese Dienstposten sind - soweit es sich um Führungspositionen handelt ­ überdurchschnittlich hoch dotiert.

­ Die personelle Besetzung zentraler Einrichtungen wird in großen Anstalten besser genutzt (z. B. Küchen). Anstalten mit wenigen Gefangenen benötigen dafür genauso eine Mindestpersonalausstattung, wie eine größere Anstalt. Die personelle Aufstockung solcher zentraler Einrichtungen erfolgt bei großen Anstalten nach dem Bedarf, der sich aus der Anzahl der unterzubringenden Gefangenen ergibt.

­ Große Personalkörper sind flexibler. Bei Ausfällen ist es nicht notwendig, externe Hilfe zu organisieren. Engpässe können aus dem eigenen Bestand überbrückt werden.

­ In kleinen, wie in großen Anstalten müssen alle personalrelevanten baulichen Einrichtungen unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter/innen und dem Grad der Nutzung mindestens einmal vorgehalten werden (Sozialräume, Kantine, Räume für die Leitung und Verwaltung, und Netzanschluss).

Um die aus Behandlungsgründen und aus betriebswirtschaftlichen Gründen jeweils optimale Größe aufeinander abzustimmen, kann die Anstalt so organisiert werden, dass eine zentrale Verwaltungsgliederung mit einer zugleich vollzuglichen Dezentralisierung, insbesondere der Zuständigkeit für behandlerische Entscheidungen, verbunden wird.

5. Fristgerechte Räumung der JVA Vierlande

Der Senat hat der Amicale Internationale de KZ Neuengamme Ende letzten Jahres zugesichert, die Justizvollzugsanstalt Vierlande bis spätestens 30. Juni 2003 zu räumen, um den Beginn der Bauarbeiten zur Erweiterung der Gedenkstätte Neuengamme zu ermöglichen. Die zuständige Behörde plant daher den Umzug der Anstalt zum 13. Juni 2003. Um die Betriebsfähigkeit der Anstalt Billwerder zu diesem Zeitpunkt zu gewährleisten, müssen in einem 1. Bauabschnitt alle Umbaumaßnahmen im Haupthaus und der Küche sowie der Bau des Besuchs- und Verwaltungsneubaus mit integrierter Freigängerabteilung abgeschlossen sein. Der Neubau der zusätzlichen Hafthäuser, der Werkhalle und der Mauer nebst Fahrzeugschleuse kann zeitlich versetzt in einem 2. Bauabschnitt erfolgen.

Um diesen sehr ehrgeizigen Zeitplan einhalten zu können, ist ein Beschluss der Bürgerschaft über die Konzeptionsänderung und Erweiterung der Haftplatzkapazität noch vor der Sommerpause erforderlich. Eine spätere Entscheidung würde die fristgerechte Räumung der JVA Vierlande und die Fertigstellung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme erheblich gefährden.

6. Auswirkungen der Neukonzeption und Erweiterung der Haftplatzkapazität auf den Bebauungsplan

Die Maßnahmen des neuen Konzepts bedingen eine Änderung des geltenden Bebauungsplans Billwerder 23. Zunächst werden in einem 1. Bauabschnitt die Baumaßnahmen durchgeführt, die sich in die bisherige Konzeption einfügen. Parallel dazu wird beschleunigt die Änderung des Bebauungsplans betrieben. So können die Baumaßnahmen bei Erreichung der Vorweggenehmigungsreife entsprechend dem geänderten Konzept durchgeführt werden.

7. Haftplatzkapazitäten und Belegung im Ländervergleich

Ein Vergleich der den Ländern im Männervollzug zur Verfügung stehenden Haftplätze zeigt die nicht dem Bedarf entsprechende Spitzenstellung Hamburgs beim Anteil der Haftplätze im offenen Vollzug. Gegenwärtig hat nur Berlin mehr Plätze im offenen Männervollzug als Hamburg (vgl. Tabelle 4, Spalte 13: Berlin 23,4 % und Hamburg 22,8 % des Gesamtbestandes an Haftplätzen). In der Zahl von 22,8 % sind auch die Haftplätze für den Jugendvollzug und andere Haftplätze enthalten.

Die Entwicklung der Belegungszahlen außerhalb Hamburgs zeigt bei den erwachsenen männlichen Gefangenen von 1990 bis 2000 im geschlossenen Vollzug einen Zuwachs von 35,2 %. In Hamburg ist die Zahl der erwachsenen männlichen Gefangenen im geschlossenen Vollzug dagegen nur um 9,6 % gestiegen. Im offenen Vollzug lag die Steigerung aus den dargelegten Gründen bei 30,4 %.

Während des gesamten Zeitraums hatte Hamburg durchschnittlich zwischen knapp 7 % und ca. 13 % mehr Gefangene im offenen Vollzug als die Bundesländer ohne Hamburg. (Tabelle 5, Zeilen 6 und 11).

Diese Übersicht enthält im Unterschied zu der nur auf den Vollzug für erwachsene Männer bezogenen Tabelle 1 auch die Plätze für Jugendvollzug, Abschiebungshaft und andere Haftformen, da die bundeseinheitliche Strafvollzugsstatistik eine differenzierte Aufbereitung wie in Übersicht 1 nicht zulässt.