Auswirkungen der Änderung des § 454 Strafprozeßordnung 3

Die seit März 1998 geltende Neufassung des § 454 hat Auswirkungen auf die vorzeitige Entlassung und Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung bei Straftätern, die wegen Sexualstraftaten verurteilt wurden. Danach ist neben der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft, des Verurteilten und der Vollzugsanstalt auch ein Gutachten eines Sachverständigen erforderlich.

Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl. I Seite 160) verpflichtet die Strafvollstreckungskammern, nicht nur ­ wie nach § 454 Absatz 2 Nummer 1 Strafprozeßordnung -, vor der Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe ein Sachverständigengutachten einzuholen. Dieses Gutachten war bereits nach § 454 Absatz 1 Satz 5 a.F. und ist künftig gemäß § 454 Absatz 2 Satz 2 n.F. namentlich darüber einzuholen, ob keine Gefahr mehr besteht, dass die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit des Verurteilten fortbesteht. Nach der Neufassung des Gesetzes sind derartige Gutachten nun auch dann einzuholen, wenn der Gefangene gemäß § 454 in Verbindung mit dem neugefaßten § 66 Absatz 3 Strafgesetzbuch wegen eines Verbrechens oder wegen gefährlicher Körperverletzung oder wegen eines Sexualdeliktes zu einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist und nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.

Wegen der erst kurzen Geltungsdauer des Gesetzes können zu dessen Auswirkungen auf den Vollzugsbereich und die spruchrichterliche Praxis der Strafvollstreckungskammern noch keine verläßlichen Angaben gemacht werden. Dies gilt auch für die mit der Gesetzesänderung verbundenen zusätzlichen Belastungen der Strafjustiz und organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der stärkeren Beteiligung von Sachverständigen verbunden sind.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. Für wie viele Gefangene in Hamburger Strafanstalten kommt eine Begutachtung nach § 454 Absatz 2 in diesem Jahr in Frage?

Statistiken über voraussichtliche Entlassungen werden nicht geführt. Im übrigen siehe Vorbemerkung.

2. Wie viele Gefangene, für die eine Begutachtung nach § 454 Absatz 2 erforderlich ist, haben bereits einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung gestellt?

Den Justizvollzugsanstalten liegen Informationen über 66 Gefangene vor, die bis zum 9. Juni 1998 einen derartigen Antrag gestellt haben.

Schriftliche Kleine Anfrage der Abg. Carsten Lüdemann und Viviane Spethmann (CDU) vom 05. 06. 98 und Antwort des Senats

Betreff: Auswirkungen der Änderung des § 454 Strafprozeßordnung 3. Auf welchen Erkenntnissen, Gesprächen und Bewertungen beruht ein Gutachten nach § 454 Absatz 2 Nach § 454 Absatz 2 Satz 1 obliegt die Einholung des Sachverständigengutachtens dem Gericht. Welche Erkenntnisquellen ein Sachverständiger für seine Prognosegutachten heranzieht, ist Frage des Einzelfalls und unterliegt seiner besonderen Sachkunde und ggf. besonderen Vorgaben des Auftraggebers. In der Regel werden die Erkenntnisse aus den vorhandenen schriftlichen Unterlagen (insbesondere aus Gefangenenpersonalakten, den Urteilen und bereits vorliegenden Gutachten unter Einschluß eventueller Vorverbüßungen) und aus explorativen Gesprächen mit dem antragstellenden Gefangenen insbesondere über seine Biographie, die Delinquenz- und ggf. Suchtentwicklung, seine Entwicklung im Vollzug sowie über Einstellungen zur Tat und zum Opfer gewonnen.

4. Wie lange dauert durchschnittlich die Erstellung eines Gutachtens?

Siehe Vorbemerkung.

5. Ist durch das Erfordernis der Begutachtung mit einer Verzögerung der Entlassungen von Gefangenen zu rechnen, oder sind bereits Verzögerungen eingetreten? Wenn ja: In wie vielen Fällen?

6. Wie wirkt sich das Begutachtungserfordernis nach § 454 Absatz 2 auf die Belegung der Haftanstalten aus?

Das Ziel der neugefaßten Bestimmungen ist, zu erreichen, dass in Fällen, in denen die jeweils zuständige Strafvollstreckungskammer die vorzeitige Haftentlassung nach Einholung des Sachverständigengutachtens ablehnt, hiervon dann auch tatsächlich abgesehen wird. Im übrigen siehe Vorbemerkung.

7. Ist beabsichtigt, die Haftkapazitäten in den Sonderanstalten zu erhöhen?

Die Zahl der Haftplätze in der Sozialtherapeutischen Anstalt Bergedorf wird derzeit um elf auf 42 Plätze aufgestockt,

Im Zusammenhang mit der bereits eingeleiteten baulichen Erweiterung der Justizvollzugsanstalt V in Fuhlsbüttel werden 30 Plätze des geschlossenen Vollzuges für erwachsene Männer als sozialtherapeutische Abteilung insbesondere für Sexualstraftäter neu geschaffen. Die Abteilung kann voraussichtlich Ende 1999 ihre Arbeit aufnehmen.

8. Werden die Gutachten auch durch Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalten im Rahmen von Nebentätigkeiten abgefaßt? Wenn ja: Wie wird diese Nebentätigkeit entlohnt?

Bislang haben drei im Strafvollzug tätige Psychologinnen und Psychologen ihre Bereitschaft erklärt, sich im Wege der nebenamtlichen Begutachtung im Auftrag der Strafvollstreckungskammern zur Verfügung zu stellen. Ihnen wurden Nebentätigkeitsgenehmigungen erteilt. Leistungen im Rahmen dieser Nebentätigkeit werden nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen vom 1. Oktober 1969 in der Fassung vom 28. April 1997 entgolten.

9. Können durch Pauschal- oder Rahmenvereinbarungen Gutachten bei externen Sachverständigen ­ neben dem UKE ­ kostengünstiger eingeholt werden?

Die Vergütung eines externen Sachverständigen richtet sich nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen. Dieses Gesetz sieht keine Pauschaloder Rahmenvereinbarungen für eine größere Zahl von Gutachten vor. Der Senat hat keine Möglichkeit, externe Gutachter zu einer von diesen gesetzlichen Regelungen nach unten abweichenden Vereinbarung über die Vergütung zu veranlassen.

10. Soll die Erstellung der Gutachten nach den Vorstellungen des Senats vor der Verlegung in eine der Sonderanstalten oder während des Aufenthalts in einer derselben erfolgen?

Die Beauftragung der Gutachten erfolgt in den Fällen des § 454 Absatz 2 Nummer 2 in der Regel zeitnah zum Zeitpunkt der voraussichtlichen Entlassung, so dass der Gutachter die Entwicklung in einer Sozialtherapeutischen Anstalt oder im Übergangsvollzug in seine Beurteilung einbeziehen kann.