Substitution und psychosoziale Betreuung bei Drogenabhängigen in Hamburg

Betreff: Substitution und psychosoziale Betreuung bei Drogenabhängigen in Hamburg. Substitution und psychosoziale Betreuung (PSB) sind wichtige Bestandteile der Drogenhilfe, ihre Verknüpfung wird als notwendig angesehen. Die substitutionsgestützte Behandlung ist nur zulässig im Rahmen eines umfassenden Behandlungskonzeptes, das die jeweils erforderlichen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsmaßnahmen begleitend einbezieht (Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger). In Hamburg werden derzeit rund 4500 drogenabhängige Menschen substituiert (Haushaltsplan 2002, Produktbereich 03), überwiegend mit Methadon. Die Anzahl der Substituierten sollte 2002 auf 4750 gesteigert werden (Haushaltsplan 2002, Produktbereich 03), die von rund 180 Ärzten und Ärztinnen behandelt werden sollen.

Der Hilfebereich Substitution gilt wegen der einzelfallbezogenen Behandlung als relativ gut erfasst und belegt. Bislang liegen jedoch kaum Informationen darüber vor, wie bzw. ob sich die 1999 in Kraft getretene neue Richtlinie zur Methadon-Behandlung (AUB, Anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden) in Hamburg bewährt hat, welche Veränderungen durch EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) und Laborabrechnungsveränderungen eingetreten sind und ob die neuerdings empfohlenen zertifizierten Fortbildungsveranstaltungen für substituierende Ärzte und Ärztinnen zu einer Abnahme der Anzahl derselben führen werden.

Wir fragen den Senat:

I. Akteure der Substitution

1. Wie viele Heroin konsumierende Drogenabhängige befinden sich zurzeit in Hamburg (bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)? Spezielle Statistiken über Heroin konsumierende Drogenabhängige existieren nicht. Es ist davon auszugehen, dass die überwiegende Anzahl sowohl der polizeilich registrierten Konsumentinnen und Konsumenten harter Drogen als auch der im ambulanten Suchthilfesystem erfassten Klientinnen und Klienten primär von Heroin abhängig ist. Unter Abhängigen von harten Drogen ist seit einigen Jahren auch multipler Drogenkonsum, insbesondere von Heroin und Kokain, weit verbreitet.

Hinsichtlich der vorhandenen Daten wird auf die Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage verwiesen. Die Basisdatendokumentation für das Jahr 2000 weist 5258 Personen als Konsumentinnen und Konsumenten harter Drogen aus, darunter befinden sich 1447 Frauen und 3787 Männer. Die Anzahl kann nicht vollständig aufgeschlüsselt werden, da bei 24 Datensätzen eine geschlechtsspezifische Zuordnung nicht möglich ist.

2. Wie viele davon befinden sich in Substitutionsbehandlung (bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)?

Nach Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) werden mit Stand vom 22. Juli 2002 in Hamburg 3734 Opiatabhängige substituiert. In dieser Anzahl der aktuellen Behandlungsfälle, die von der Anzahl der im Laufe eines Jahres erreichten Gesamtzahl (vgl. hierzu für die Vorjahre die Antwort zu II.a 20.) zu unterscheiden ist, sind nicht nur Heroinabhängige, sondern zu einem sehr geringen Anteil auch Opium-Konsumenten enthalten. Eine Aufschlüsselung nach Geschlecht ist nicht möglich, da dies aufgrund der für die KVH relevanten Datensortierkriterien mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre.

I. 3. Wie viele Ärzte und Ärztinnen substituierten zum Stichtag 30. Juni 2002 in Hamburg?

Nach Angaben der KVH verfügen 177 Ärztinnen und Ärzte zum Stichtag 30. Juni 2002 über eine Substitutionsgenehmigung gemäß §10 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen. Von der Genehmigung machen etwa 150 Ärzte in unterschiedlichem Umfang Gebrauch.

4. Wie ist die erhebliche Zunahme der Kennzahlen zur durchschnittlichen Anzahl der Substitutionspatienten um rund 22 Prozent im Ergebnis von 1999 auf 2000 (3700 auf 4500; Haushaltsplan 2001 und 2002, jeweils Produktbereich 03) zu erklären und worauf basiert die Planzahl für 2002 (4750, Haushaltsplan 2002, Produktbereich 03)?

5. Hält der Senat am Ziel der Steigerung für 2002 fest?

Die Kennzahlenentwicklung gibt den tatsächlichen Anstieg der Zahl von Substitutionspatientinnen und -patienten in Hamburg wieder; vgl. hierzu unten Antwort zu II.a. 20.

Bei der Angabe in der Produktinformation für 2002 handelt es sich nicht um ein Ziel. Die Angabe beruht auf der damaligen Prognose eines weiteren Anstiegs der Anzahl Substituierter.

6. Handelt es sich bei den angegebenen, darin enthaltenen Zahlen über durchschnittliche Neuaufnahmen im Jahr (jeweils 1300) um jährlich erstmalige Substitutionspatient/innen?

Ja.

7. Scheiden Substituierte nach einem bestimmten Zeitraum oder bestimmten Gründen aus der Substitutionsbehandlung aus? Wenn ja, wie viele Substituierte schieden jeweils in den Jahren 2000, 2001 und bis 30. Juni 2002 nach welchem Zeitraum, welchen Gründen oder dem Erreichen welcher Zielvorgaben aus (bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)? Wenn nein, wie verhält es sich?

Substituierte scheiden nicht standardisiert nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums aus der Behandlung aus. Die Dauer der Behandlung richtet sich nach den medizinischen Notwendigkeiten im Einzelfall. Sofern die KVH die Bewilligung nach § 5 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen befristet erteilt hat, können Verlängerungsanträge gestellt werden.

Substituierte müssen nach den Richtlinien des Bundesausschusses aus der Behandlung ausscheiden, wenn:

1. Eine Mehrfachsubstitution nicht eingestellt wird.

2. Das Substitut nicht bestimmungsgemäß verwandt wird.

3. Eine Ausweitung oder Verfestigung des Gebrauchs von Suchtstoffen neben der Substitution stattfindet.

4. Die Substituierten dauerhaft nicht an begleitenden Therapiemaßnahmen teilnehmen.

Im Jahre 2001 ist nach Angaben der KVH erstmals eine Bewilligung wegen des in Nummer 3 beschriebenen Sachverhalts widerrufen worden. Im Jahre 2002 wurden bei ähnlichen Sachverhalten bislang fünf Bewilligungen widerrufen. Für die übrigen Fälle der Beendigung der Behandlungen erhält die KVH keine Angabe von Gründen.

Die Anzahl der beendeten Behandlungen stellt sich nach Auskunft der KVH wie folgt dar:

Eine Aufschlüsselung nach Geschlecht ist der KVH aus dem in der Antwort zu I.2. genannten Grund nicht möglich.

8. Wie viele der Substituierten werden mit Methadon und womit werden möglicherweise die anderen substituiert?

Die Substitutionsbehandlung erfolgt mit den gemäß Betäubungsmittelverschreibungsverordnung zugelassenen Substitutionsmitteln Levomethadon, Methadon, Codein, Dihydrocodein, Buprenorphin und Levacetylmethadol, wobei hauptsächlich Levomethadon und Methadon zum Einsatz kommen.

Das Bewilligungsverfahren der Kassenärztlichen Vereinigungen erstreckt sich nicht auf das im Einzelfall zur Anwendung kommende Substitutionsmittel. Angaben zur Anzahl der mit Methadon Substituierten sind der KVH daher nicht möglich.

Seit dem 1. Juli 2002 wird jedoch durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ein Substitutionsregister geführt, bei dem nach § 5a Absatz 2 Nummer 3 die Ärztin bzw. der Arzt die Angabe des Substitutionsmittels an das Zentralregister zu melden hat. Nach Vorliegen der ersten Auswertungen im Jahr 2003 werden somit Informationen über Art und Anteil der verschriebenen Substitutionsmittel verfügbar.

9. Inwieweit besteht ein Rechtsanspruch auf psychosoziale Betreuung (PSB) im Sinne der (Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung) für Substituierte?

Zur psychosozialen Betreuung ist in § 5 Absatz 2 Nummer 2 geregelt, dass der behandelnde Arzt das Substitutionsmittel ­ neben den anderen zu erfüllenden Erfordernissen des § 5 Absatz 2 ­ verschreiben darf, wenn und solange die Behandlung erforderliche psychiatrische, psychotherapeutische oder psychosoziale Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen einbezieht. Anderenfalls ist eine Verschreibung des Substitutionsmittels betäubungsmittelrechtlich unzulässig. Aus den Bestimmungen der resultiert kein individueller Rechtsanspruch auf psychosoziale Betreuung.

Der behandelnde Arzt bzw. die Ärztin hat sich bei Einbeziehung der begleitenden Behandlungsmaßnahmen im Sinne von §5 Absatz 2 Nummer 2 am Wirtschaftlichkeitsgebot des §12 SGB V (Sozialgesetzbuch ­ Fünftes Buch) zu orientieren.

I. 10. Wie viele Substitutionspatienten befinden bzw. befanden sich zu welchem letzten Stichtag nach Angabe welcher Quellen in Hamburg in PSB und wie hat sich diese Zahl in den drei Vorjahren entwickelt (bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)?

Die Entwicklung der jährlichen Gesamtfallzahlen in der psychosozialen Betreuung (PSB) stellt sich wie folgt dar:

Die Fallzahlen wurden bis 2001 nicht systematisch nach Geschlecht erhoben. Im Jahr 2002 bestand

­ Stichtag 30. März 2002 ­ ein Verhältnis von 68 Prozent Männern und 32 Prozent Frauen in der PSB.

Wird die psychosoziale Betreuung der Substituierten ausschließlich von niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen oder von Ärzten und Ärztinnen in Einrichtungen verordnet oder wie verhält es sich?

Die psychosoziale Betreuung wird sowohl von substituierenden niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten als auch von den zur Substitution ermächtigten Ärztinnen und Ärzten in Einrichtungen veranlasst.

12. Obliegt dem Arzt/der Ärztin die alleinige Verantwortung für die jeweils erforderlichen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsmaßnahmen? Wenn ja, kann sie/er auch gemäß den Richtlinien die erforderlichen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsmaßnahmen auf ein Minimum beschränken?

Wenn nein, wie verhält es sich?

Siehe Antwort zu I.9.

13. Wie sieht die notwendige Kooperation zwischen verordnenden Ärzten und Ärztinnen und den Einrichtungen aus?

Die Zusammenarbeit seitens der behandelnden Ärzte mit den jeweiligen Einrichtungen findet einzelfallbezogen und bedarfsgerecht statt. Die Einrichtungen werden von der zuständigen Behörde vertraglich im Rahmen ihrer Tätigkeit zu klientenbezogenen Statusberichten an die Ärzte verpflichtet.

Darüber hinaus bestehen Kooperationsbeziehungen zwischen einzelnen PSB-Einrichtungen und substituierenden Ärzten, die dem Ziel der Vermittlung von Patientinnen und Patienten in eine sich anschließende Betreuungsmaßnahme dienen.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der in der psychosozialen Betreuung tätigen Einrichtungen nehmen überdies regelmäßig am Arbeitskreis Substitution der Ärztekammer Hamburg teil.

14. Wie viele Einrichtungen jeweils welcher Träger (einschließlich der drei Drogenambulanzen des LBK) bieten zurzeit psychosoziale Betreuung für Substitutionspatienten an, wie verteilten sich die o.a. Patientenzahlen sowie die ­ laut Haushaltsplan ­ Mindestzahl psychosozialer Betreuungen (Fälle) auf diese jeweils 2000 und 2001 und in welchen dieser Einrichtungen gibt es jeweils welche freien Kapazitäten?

In Hamburg werden folgende zurzeit zuwendungsfinanzierte PSB-Einrichtungen von folgenden Trägern betrieben:

Darüber hinaus werden Substituierte auch in den drei Drogenambulanzen der Drogenambulanzen Hamburg in Altona, Wandsbek und Harburg psychosozial betreut.

Bei der psychosozialen Betreuung handelt es sich um ein bedarfsorientiertes System von Hilfeangeboten, in dem es zurzeit keine Überkapazitäten gibt. Die PSB-Einrichtungen erhalten für über die vertraglich vereinbarte Klientenzahl hinaus erbrachte Betreuungsfälle Vergütungen für so genannte Mehrbedarfe. Somit können Schwankungen bei der Nachfrage von PSB-Leistungen ausgeglichen werden.