Unfallversicherung

Exmatrikulationen wegen Studiengebühren

In einem Artikel der Tageszeitung. Die Welt vom 7. August 2002 äußert Senator Jörg Dräger die Vermutung, nach Einführung von Studiengebühren würde sich eine große Anzahl von Studierenden exmatrikulieren lassen. So würden sich unter anderem alle so genannten nicht erneut rückmelden. Gleichzeitig vermutet der Senator, hätten kein Interesse an einem Studienabschluss, sondern an Vergünstigungen, z.B. an speziellen Versicherungen.

Ich frage den Senat:

1. Mit wie vielen Exmatrikulationen rechnet der Senat nach der Einführung von Studiengebühren? Wie hoch wird der Anteil der so genannten Pro-Forma-Studenten sein?

Im ersten Jahr nach der Einführung von Gebühren für Studierende im Zweitstudium in Bayern ist die Zahl dieser Studierenden um knapp 73 Prozent gesunken; auch in Baden-Württemberg haben Studierende in Zweit- und Ergänzungsstudiengängen nach Einführung der Gebührenpflicht weit überproportional die Hochschulen verlassen. An den baden-württembergischen Hochschulen ist die Zahl der Studierenden im 14. und höheren Semester zwischen der Verkündung einer Gebührenpflicht für Langzeitstudierende und deren erstmaliger Erhebung um etwa 41 Prozent zurückgegangen. In Hamburg ist ein etwa vergleichbarer Rückgang zu erwarten. Es ist anzunehmen, dass die Zahl der Studierenden im höheren Semester ohne echte Prüfungsabsichten (die in der Anfrage angesprochenen nach Einführung der mit einem Studienguthaben verknüpften Studiengebühren gegen Null tendieren wird.

2. Welche Versicherungen gewähren Vergünstigungen für Studierende?

­ Krankenversicherung: Gemäß § 10 Absatz 2 Nummer 3 SGB V sind Studierende bis zum vollendeten 25. Lebensjahr bei ihren Eltern in der gesetzlichen Krankenversicherung ohne zusätzlichen Beitrag mitversichert (vgl. § 3 Satz 3 SGB V). Gemäß § 5 Absatz 1 Nummer 9 und 10 SGB V unterliegen Studierende bis zum vollendeten 14. Fachsemester oder bis zum 30. Lebensjahr sowie während prüfungsrechtlich vorgeschriebener berufspraktischer Tätigkeiten ohne Arbeitsentgelt der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht (nur in Ausnahmefällen darüber hinaus, siehe Antwort zu 3.); sie zahlen gemäß § 236 Absatz 1 SGB V ermäßigte Beiträge. Für ausländische Studienkollegiaten, Sprachvorkursler und Studierende, die der gesetzlichen Krankenversicherung nicht unterliegen, gibt es aufgrund einer Rahmenvereinbarung des Deutschen Studentenwerks mit Versicherungen eine private Versicherungsmöglichkeit mit einem besonderen Tarif.

­ Pflegeversicherung: Eine gesetzliche Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung gilt für dieselben Studierendengruppen (§ 20 Absatz 1 Nummer 9 und 10 SGB XI); auch hierfür gelten ermäßigte Studentenbeiträge (vgl. § 59 Absatz 1 SGB XI in Verbindung mit § 250 Absatz 1 Nummer 3 und § 236 Absatz 1 SGB V).

­ Rentenversicherung: In der Rentenversicherung sind Studierende in der Regel nur während der Teilnahme an einem prüfungsrechtlich vorgeschriebenen Praktikum oder an einem nicht vorgeschriebenen Praktikum, das unentgeltlich oder gegen geringfügiges Entgelt wahrgenommen wird, versicherungsfrei (vgl. § 5 Absatz 3 SGB VI). In der Rentenversicherung werden Zeiten einer schulischen bzw. Hochschulausbildung nach dem 17. Lebensjahr nur bis höchstens drei Jahre auf die rentenrelevanten Zeiten angerechnet (§ 58 Absatz 1 Nummer 4 SGB VI).

­ Unfallversicherung: Studierende sind während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen gemäß § 2 Absatz 1 Nummer 8c SGB VII in der Unfallversicherung kraft Gesetzes versichert; die Beiträge werden gemäß § 150 Absatz 1 SGB VII von den Hochschulen getragen.

Dem Senat liegen keine weiteren Erkenntnisse über eventuelle Vergünstigungen für Studierende bei privaten Krankenversicherungen oder in anderen Versicherungssparten vor.

3. Trifft es zu, dass Krankenkassen Studierendentarife nur für Studierende bis zum Abschluss des 14. Fachsemesters, längstens jedoch bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres anbieten? Welche Vorteile haben so genannte Pro-Forma-Studierende mit einer höheren Zahl an Semestern bzw. Lebensjahren?

Nicht ausnahmslos. Studierende nach Abschluss des 14. Fachsemesters oder nach Vollendung des 30. Lebensjahres sind dann weiterhin krankenversicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze oder eine längere Fachstudienzeit rechtfertigen (§ 5 Absatz 1 Nummer 9, zweiter Halbsatz SGB V). Zusätzlich sei darauf hingewiesen, dass die Krankenversicherungspflicht an das Fachsemester anknüpft, das geplante Studienguthaben hingegen an die Zahl der Hochschulsemester. Insofern kann es Studierende mit mehr als 14 Hochschulsemestern geben, die als unter Dreißigjährige auch ohne die genannten Voraussetzungen krankenversicherungspflichtig sind.

Studierende im höheren Semester genießen unabhängig davon

­ die im Hamburgischen Hochschulgesetz gewährten Rechte (unter anderem Besuch von Lehrveranstaltungen, Prüfungsrecht, Beratungsangebote, Interessenvertretung in den Selbstverwaltungsgremien der Hochschule, Möglichkeit der Beschäftigung als studentische Hilfskräfte oder Tutoren),

­ die in hamburgischen Gebührenordnungen festgelegten gebührenfreien oder ermäßigten Nutzungsrechte, z. B. Nutzung der Staats- und Universitätsbibliothek sowie der weiteren Hochschulbibliotheken,

­ die Gegenleistungen für die allsemestrig zu leistenden Studentenbeiträge, z. B. Kulturprogramme der ASten, preisgünstiges Semesterticket, Angebote des Hochschulsports, Angebote des Studentenwerks wie Kinderbetreuung und Mensanutzung (wobei Studentenwohnheimplätze eine Ausnahme bilden, da Altersgrenzen für die Aufnahme gelten), sowie

­ Ermäßigungsangebote Dritter, sofern diese nicht mit Altersgrenzen verknüpft sind (z.B. Ermäßigungen bei Kulturveranstaltungen, Abonnements, Kontoführung). Zusätzlich steht den Eltern unterhaltspflichtiger studierender Kinder auch nach Vollendung des 27. Lebensjahres die Möglichkeit einer steuerlichen Anrechnung des Unterhaltsfreibetrags und somit einer Reduzierung ihrer Steuerschuld zu.

4. Trifft es zu, dass Studierende der Rentenversicherungspflicht unterliegen, wenn sie eine Tätigkeit ausüben, die über eine geringfügige Beschäftigung hinausgeht? Welchen Vorteil haben Studierende gegenüber anderen rentenversicherungspflichtig Beschäftigten?

Vgl. Antwort zu Nummer 2. Erwerbstätige Studierende haben bei der Rentenversicherung gegenüber anderen Beschäftigten keinen Vorteil. Sie zahlen jedoch, anders als andere rentenversicherungspflichtig Beschäftigte, keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und sind in der Beschäftigung pflege- und krankenversicherungsfrei, wenn sie die Beschäftigung neben ihrem Studium bis zu 20 Stunden wöchentlich ausüben. In der studienfreien Zeit kann die 20-Stunden-Grenze auch überschritten werden, ohne dass die jeweilige Versicherungspflicht eintritt.

5. Wie hoch sind die Einsparungen der Hochschulen, wenn so genannte Pro-Forma-Studierende sich exmatrikulieren lassen? Bitte Schätzungen pro Kopf, pro Hochschule und für Hamburg insgesamt.

Dem Senat liegen keine gesicherten Erkenntnisse über das Maß der Inanspruchnahme von Hochschuleinrichtungen durch Langzeitstudierende vor. Aus diesem Grunde ist auch die Höhe eventueller Einsparungen nicht bezifferbar.

Neben den Auswirkungen der Exmatrikulation ist von einem Einspareffekt dadurch auszugehen, dass die Studierenden bereits zu Studienbeginn ihr Studienguthaben sorgsam einsetzen und sich daher nicht pro forma ­ beispielsweise zur Überbrückung von Wartezeiten ­ für Studienfächer einschreiben, in denen sie von vornherein keinen Abschluss anstreben.