Wohnungsbau

Entgegen der Auffassung der Behörde für Bau und Verkehr lässt sich auch aus der Tatsache, dass die Investoren in den Vergleichsverhandlungen zunächst Schadensersatzforderungen in weit größerem Umfang als später vereinbart in den Raum gestellt haben, kein Maßstab für die Bewertung der wirtschaftlichen Angemessenheit eines Interessenausgleichs herleiten. Ein von der Behörde für Bau und Verkehr nunmehr behaupteter möglicher Nachweis von Forderungen ergab sich aus den Unterlagen, die dem Rechnungshof vorlagen, im Übrigen nicht.

5 Haushaltsrechtliche Beurteilung der Kostenübernahmeerklärung

Übernahme der Garantie in 1995

(52) Mit der Kostenübernahmeerklärung vom 03.02.95 hat sich die Baubehörde verpflichtet, für den Fall, dass das Projekt scheitern sollte, verlorene Planungskosten bis zu 1,5 Mio DM zu erstatten. Sie hat damit eine Eventualverbindlichkeit zur Absicherung eines ungewissen, in der Zukunft liegenden Risikos übernommen (VV Nr. 5 zu § 39 LHO). Die Übernahme einer solchen Garantie, die zu Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren führen kann, bedurfte einer der Höhe nach bestimmten Ermächtigung durch den Haushaltsbeschluss oder durch Gesetz (Art. 72 Abs. 2 HV, § 39 Abs. 1 LHO). Eine solche Ermächtigung durch die Bürgerschaft lag zum Zeitpunkt der Abgabe der Kostenübernahmeerklärung nicht vor.

Statt dessen ist die Baubehörde die Verpflichtung zu Lasten des Titels 6100.893.01 Übernahme unrentierlicher Kosten für Sonderförderungen des Wohnungsbaues eingegangen. Dies war verfassungs- und haushaltsrechtlich unzulässig:

- Zum einen können bei einem Titel veranschlagte Haushaltsmittel (Verpflichtungsermächtigungen und Ausgabebewilligungen) einen nach der Verfassung und der LHO ausdrücklich geforderten Haushaltsbeschluss zur Übernahme von Garantien nicht ersetzen.

- Zum anderen war der Titel 6100.893.01 auch sachlich unzutreffend. Er war 1995 entsprechend der Zweckbestimmung ausschließlich zur Übernahme unrentierlicher Kosten für Sonderförderungen des Wohnungsbaues bestimmt, d.h. eine Inanspruchnahme setzte die Durchführung der Maßnahme voraus.

(53) Mit ihrem Vorgehen hat die Baubehörde das Budgetrecht der Bürgerschaft, wonach die Übernahme einer Gewährleistung zur Abdeckung künftiger Haushaltsrisiken einer der Höhe nach bestimmten parlamentarischen Ermächtigung zumindest durch den jährlichen Haushaltsbeschluss und damit einer besonderen parlamentarischen Kontrolle bedarf, nicht beachtet (Art. 72 Abs. 2 HV, § 39 Abs. 1 LHO). Sie hat außerdem mit der Inanspruchnahme des Titels 6100.893.01 für einen anderen als den in der Zweckbestimmung festgelegten Zweck gegen den Grundsatz der sachlichen Bindung (§ 45 Abs. 1 LHO) verstoßen.

(54) Im Übrigen ist in Folge des fehlerhaften Vorgehens der Baubehörde

- keine Einwilligung der Finanzbehörde zur Übernahme der Garantie nach § 39 Abs. 2 LHO eingeholt worden,

- eine Unterrichtung des Rechnungshofs nicht erfolgt (VV Nr. 10 zu § 39 LHO),

- die Garantieerklärung nicht durch die Finanzbehörde abgegeben worden (VV Nr. 11 zu § 39 LHO) und

- die Garantieerklärung nicht in der nach § 86 LHO aufzustellenden Vermögensübersicht ausgewiesen worden (VV Nr. 12 zu § 39 LHO). (55) Die Behörde für Bau und Verkehr und die Finanzbehörde haben im Verlauf des Prüfungsverfahrens eingeräumt, dass zum Zeitpunkt der Übernahme der Kostengarantie im Jahre 1995 eine haushaltsrechtliche Ermächtigung weder in Form einer Garantieübernahme (Art. 72 Abs. 2 HV, § 39 LHO) noch in Form einer sachlich zutreffenden Verpflichtungsermächtigung (§ 38 LHO) vorlag.

Die Rechtsauffassung des Rechnungshofs (siehe Tz. 52, erster Spiegelstrich), dass die in Verfassung und LHO bei Übernahme von Sicherheitsleistungen (Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen) ausdrücklich geforderte Ermächtigung durch den Haushaltsbeschluss nicht durch bei einem Titel veranschlagte Haushaltsmittel (Verpflichtungsermächtigungen oder Ausgabenbewilligungen) ersetzt werden könne, teilt die Finanzbehörde jedoch nicht. Es treffe zwar zu, dass diese Auffassung durch die Kommentare zur Bundeshaushaltsordnung gestützt werde; sie führe aber zu einem unbefriedigenden Ergebnis:

Bei Sicherheitsleistungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren führen werden, seien nicht entsprechende Ermächtigungen im Haushaltsbeschluss, sondern stattdessen Haushaltsmittel (Verpflichtungsermächtigungen oder Ausgabenbewilligungen) erforderlich und ausreichend (VV Nr. 5 zu § 39 LHO). Es sei - vor allem im Hinblick auf das Etatrecht der Bürgerschaft nicht einzusehen, dass die Übernahme von Sicherheitsleistungen zu Lasten von Haushaltsmitteln dagegen dann unzulässig sein sollte, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass sie zu Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren führen werden, gering wäre.

Daher sollte - entgegen der von den Kommentatoren vertretenen Auffassung - zugelassen werden, dass Sicherheitsleistungen nicht nur auf Grund einer Ermächtigung im Haushaltsbeschluss, sondern auch zu Lasten von Haushaltsmitteln übernommen werden können. Die Finanzbehörde erwägt, diese nach ihrer Auffassung bestehenden Unstimmigkeiten in Wortlaut und Auslegung von § 39 LHO auf Bund Länder-Ebene im Arbeitsausschuss Haushaltsrecht und Haushaltssystematik zu thematisieren.

(56) Nach Auffassung des Rechnungshofs ist die Interpretation der Finanzbehörde mit dem Wortlaut der VV Nr. 5 zu § 39 LHO nicht vereinbar. Eventualverbindlichkeiten dürfen nach der VV nur zur Absicherung ungewisser, in der Zukunft liegender Risiken übernommen werden, und zwar dann in der in § 39 Abs. 1 vorgeschriebenen Form (siehe Tz. 52, erster Spiegelstrich). Um einen solchen Sachverhalt handelte es sich im vorliegenden Fall. Garantieerklärungen im Sinne des § 39 LHO, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Inanspruchnahme der FHH führen, sind nach der Systematik der VV nicht vorgesehen.

Im Übrigen ändert die von der Finanzbehörde aufgeworfene Interpretationsfrage (siehe Tz. 55) nichts daran, dass 1995 nicht nur die erforderliche Ermächtigung nach § 39 LHO fehlte, sondern auch eine von der Finanzbehörde favorisierte Ausgabe- und Verpflichtungsermächtigung nicht vorlag.

Zahlungen im Rahmen des Vergleichs in 1999

(57) Die Baubehörde hat die Zahlungen im Rahmen des Vergleichsvertrags vom 20.01.99 aus dem Titel 6100.893.01 Übernahme unrentierlicher Kosten für Sonderförderungen des Wohnungsbaus geleistet. Die erstmalig mit dem Haushaltsplan 1998 erfolgte Ergänzung der Erläuterungen des Titels 6100.893.01 betraf ausschließlich Planungsleistungen für nicht verwirklichte Förderungsmaßnahmen.

In Erfüllung des Vergleichsvertrags sind aber nicht nur Planungsleistungen, sondern auch Erstattungsleistungen für die Überbauung vorbereitende Baumaßnahmen gezahlt worden.

(58) Die Behörde für Bau und Verkehr und die Finanzbehörde haben die Auffassung vertreten, dass der Begriff der Planungsleistungen alle Kosten im Vorlauf der Realisierungsphase umfasse. Daher könnten auch die Kosten für vorbereitende Maßnahmen unter den Begriff der Planungsleistungen subsumiert werden.

(59) Es handelt sich hierbei aber nicht um Planungsleistungen, sondern um vorbereitende Baumaßnahmen (Baufeldvorbereitung), die lediglich zeitlich vorgezogen worden sind, damit nach erteilter Baugenehmigung und positivem Bescheid der WK zügig mit der eigentlichen Baumaßnahme (Überdeckelung und Wohnungsbau) begonnen werden konnte. Die Erstattungsleistung für diese Maßnahmen war insoweit - trotz ergänzter Erläuterungen - nicht von der Zweckbestimmung des Titels erfasst. Mit der Zahlung hat die Baubehörde gegen den Haushaltsgrundsatz der sachlichen Bindung (§ 45 Abs. 1 LHO) verstoßen.

(60) Bereits bei früheren Prüfungen thematisch ähnlicher Fälle hat der Rechnungshof Verstöße der Baubehörde gegen das Haushaltsrecht festgestellt. Er verweist in diesem Zusammenhang auf seine Jahresberichte 1991 (siehe Tzn. 217 bis 222) und 1995 (siehe Tzn. 433 bis 444), in denen er über die Erstattung von Planungskosten an Wohnungsunternehmen für nicht realisierte Wohnprojekte berichtet hat.

In diesen Fällen hatte die Baubehörde durch nicht zweckentsprechende Verwendung von Haushaltsmitteln gegen das parlamentarische Budgetrecht (Art. 66 und 68 HV) und den Haushaltsgrundsatz der sachlichen Bindung (§ 45 Absatz 1 LHO) verstoßen.