Beibehaltung des Frontlängenmaßstabes

Die Sielbau- und Sielanschlussbeiträge dienen der Refinanzierung der erstmalig hergestellten Siele und Sielanschlussleitungen. Der Sielbaubeitrag bemisst sich gemäß § 3 Absatz 1 des Sielabgabengesetzes (SAG) grundsätzlich nach der Frontlänge des Grundstücks am besielten Weg. Von den insgesamt rund 180 000 Grundstücken auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg ist nur noch ein Rest von rund 1200 an das Sielnetz anzuschließen (unter 1 %), der dann von einer gesetzlichen Neuregelung betroffen wäre. Das Restbesielungsprogramm wird im nächsten Jahr (2003) weitgehend abgeschlossen sein.

Dem mit dem Ersuchen verfolgten Ziel, den Frontlängenmaßstab aufkommensneutral durch einen vor allem am Maß der baulichen Nutzung des Grundstücks orientierten Maßstab zu ersetzen, kann bei dieser Sachlage aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:

a) Die in dem Ersuchen geforderte aufkommensneutrale Neufassung lässt sich aus tatsächlichen Gründen nicht realisieren. Es sind fast ausschließlich noch Einfamilienhäuser anzuschließen, so dass eine Kostenneutralität über eine stärkere Belastung von Mehrfamilienhäusern mangels entsprechender Verteilungsmasse nicht möglich wäre. Die Besielung erfolgt nur noch in wenigen Teilen der Außengebiete der Stadt. Bebauungspläne, die eine mehrgeschossige Bauweise gegebenenfalls zuließen, existieren dort nicht. Es werden daher üblicherweise nur eingeschossige Gebäude zugelassen. Dies entspricht auch der tatsächlich vorhandenen Bebauung in den Restbesielungsbereichen.

Selbst wenn eine Umverteilung auf Mehrfamilienhäuser tatsächlich möglich wäre, hätte dies im Ergebnis zur Folge, dass die Mehrkosten in Fällen einer Neuvermietung zu Mieterhöhungen führen müssten. Mieter würden also zugunsten von Eigentümern von Einfamilienhäusern stärker belastet werden.

Die Änderung des Maßstabes hätte auf Grund der geringen Fallzahlen auch zur Folge, dass anstelle von Durchschnittssätzen künftig nur noch nach Maßnahmen (z. B. einzelne Straßenzüge) abgerechnet werden könnte. Da auf Grund der Struktur aus fast ausschließlich Einfamilienhäusern aber keine Umverteilungsmasse besteht, kann dies im Ergebnis im Einzelfall bei Umrechnung allein auf die anzuschließenden Grundstücke zu einer Verteuerung führen.

b) Das Ersuchen stellt darauf ab, die Nutzung des Grundstücks bei der Beitragsbemessung in den Vordergrund zu stellen. Dies entspricht jedoch nicht dem auch von der Rechtsprechung des Hamburgischengerichts begründeten Vorteilsverständnis für Entwässerungsbeiträge (Urteil vom 15. September 1981 ­ Bf VI 70/81). Der für die Beitragshöhe bestimmende Vorteil liegt nämlich nicht in der Nutzung der öffentlichen Sielleitung, sondern in der Anschlussmöglichkeit. Der über den Sielbaubeitrag abgewälzte Aufwand besteht in den Kosten für die Herstellung öffentlicher Sielanlagen, nicht in dem Aufwand für Betrieb und Unterhaltung der Gesamtanlagen. Die Herstellungskosten werden durch die Länge des Sieles bestimmt, die Länge des Sieles wiederum durch die Frontlängen der vorhandenen Grundstücke (längere Front ­ höhere Sielbaukosten). Insofern besteht ein direkter nachvollziehbarer Bezug zwischen Siellänge und Grundstückslänge, es besteht hingegen kein Bezug zwischen Siellänge und Grundstücksfläche oder Grundstücksnutzung. Zu dem Aufwand für Betrieb und Unterhaltung der Sielanlagen wird der Grundeigentümer hingegen über die Sielbenutzungsgebühren herangezogen. Über diese Gebühren wird auch der Nutzungsvorteil abgegolten.

Insofern ist die Nutzung als vorrangiges Kriterium für die Herstellungskosten der Entwässerungsanlagen weniger geeignet; sie schlägt sich vielmehr zutreffend nach ihrem Maß in der Benutzungsgebühr nieder.

c) Nach ständiger Rechtsprechung (auch) des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts bietet sich im Vergleich zum geltenden Frontlängenmaßstab kein anderer Maßstab an, der dem Vorteilsausgleich besser gerecht würde, ohne dabei mit anderen Nachteilen behaftet zu sein und die gegebene leichte Praktikabilität und Vorausberechenbarkeit zu verlieren. Der Vorteil des Frontlängenmaßstabes liegt insbesondere darin, dass eine Veranlagung nach Durchschnittssätzen einen Ausgleich zwischen teuren und weniger teuren Sielstrecken ermöglicht und dem Anlieger das Risiko des im hamburgischen Stadtgebiet oftmals sehr unterschiedlich hohen Kostenaufwands abnimmt.

d) Es ist bei dieser Sachlage rechtlich nicht haltbar, den noch verbleibenden im Verhältnis zu den bereits an das Sielnetz angeschlossenen Grundstücken sehr kleinen Kreis von Betroffenen nunmehr anders zu behandeln.

Für eine solche Ungleichbehandlung fehlt es an der nach dem allgemeinen Gleichheitssatz (Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes) notwendigen sachlichen Rechtfertigung.

Voraussetzung wäre danach konkret das Vorliegen eines hinreichend gewichtigen Grundes für das mit dem Ersuchen verfolgte Ziel einer Änderung des Berechnungsmaßstabes im Sielabgabengesetz. Gerade daran fehlt es aber aus den oben unter a) bis c) genannten Gründen; insbesondere bei nur noch ca. 1200 anzuschließenden Grundstücken, die von der Neuregelung betroffen wären.

Im Übrigen bedürfte eine Änderung zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit und damit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Einräumung von Übergangsfristen. Aufgrund der langjährigen Anwendung des Frontlängenmaßstabes müssten solche Übergangsfristen so bemessen werden, dass das geänderte Recht erst zu einem Zeitpunkt in Kraft treten könnte, zu dem das Restbesielungsprogramm bereits abgeschlossen wäre. Eine Neuregelung würde demnach im Wesentlichen ins Leere laufen.

e) Schließlich trägt auch die geltende Rechtslage dem mit dem Ersuchen verfolgten Ziel, Einfamilienhäuser zu bevorzugen, Rechnung:

­ die Besielung erfolgt zzt. vorrangig in Außenbereichen der Stadt. In diesen Fällen werden ­ unabhängig von der tatsächlichen Länge ­ maximal 25 m pro Wohngebäude abgerechnet (§ 4 Absatz 1 und 2 SAG),

­ entsprechende Eckgrundstücke (bis zu einer Größe von 1500 m²) werden grundsätzlich nur mit der kürzesten Front herangezogen (§ 5 Absatz 2 SAG),

­ Zuschläge nach § 7 Absatz 1 SAG werden bei Einfamilienhäusern nicht erhoben, sondern erst ab 2 Vollgeschossen.

Aus den genannten Gründen soll an dem bestehenden Beitragssystem, das die Herstellung in den Vordergrund stellt und die Nutzung als Zusatzfaktor einordnet, festgehalten werden.

2. Beitragssenkungen unter Beibehaltung des Frontlängenmaßstabes

a) Auch unter Beibehaltung des Frontlängenmaßstabes kann einem zentralen mit dem Bürgerschaftlichen Ersuchen verfolgten Ziel, die Beitragszahler zu entlasten, entsprochen werden. Sämtliche Sielbau- und Sielanschlussbeiträge können durch eine Änderung des Gesetzes über die Höhe der Sielbaubeiträge und der Sielanschlussbeiträge zu Gunsten der Beitragspflichtigen rückwirkend zum 1. Januar 2002 gesenkt werden.

Der Senat legt hierzu zeitgleich einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Höhe der Sielbaubeiträge und der Sielanschlussbeiträge vor.

b) Zusätzlich ist geplant, die bestehende Regelung für Hinterliegergrundstücke zeitnah neu zu regeln. Die nach dem bevorstehenden Abschluss der Restbesielung im Zuge von sogenannten Nachverdichtungen durch Grundstücksteilung in zweiter Reihe zusätzlich geschaffenen Bauplätze sollen entlastet werden. Dabei handelt es sich überwiegend um Einfamilienhäuser.

III. Petitum:

Der Senat bittet die Bürgerschaft, von der Drucksache Kenntnis zu nehmen.