Integrative Regelklassen und Integrationsklassen in Hamburg

Mit dem Hamburgischen Schulgesetz vom 16. April 1997 wurde erstmals die Integration von behinderten und nichtbehinderten Schülerinnen und Schülern als schulische Aufgabe gesetzlich verankert. Integration hat nach dem Vorrang, Sonderschulen bleiben subsidiär.

Seit 1983 gibt es in Hamburg Integrationsklassen an Grundschulen, seit 1987 auch in der Sekundarstufe I. Seit 1991 gibt es zudem Integrative Regelklassen als Schulversuch ­ ein Modell, das bundesweit positive Beachtung fand. In Integrativen Regelklassen werden vor allem Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen in den Bereichen Sprache, Lernen und Verhalten neben nicht behinderten Kindern des Schuleinzugsbereiches unterrichtet.

Der Schulversuch wurde seit August 1991 wissenschaftlich begleitet, der Endbericht der wissenschaftlichen Begleitung des Schulversuchs lag im Mai 1998 vor. Der Endbericht und die vom Schulausschuss durchgeführte Expertenanhörung empfahlen die Ausweitung der Integration in der Grundschule und die Überleitung des Schulversuchs der Integrativen Regelklassen in ein Regelangebot.

Die ausgewerteten Berichte aus den Untersuchungen von Holtappels/Müller zur Inhaltlichen Analyse von Konzepten für Grundschulen mit Integrativen Regelklassen und Integrierter Haupt- und Realschule sollten laut Auskunft des Senats vom 30. April 2002 (Drucksache 17/760) in Kürze vorgelegt werden.

Den der Öffentlichkeit am 30. September 2002 bekannt gegebenen Leitlinien für die Novellierung des Schulgesetzes ist nun zu entnehmen, dass der Senat plant, die Integrativen Regelklassen nicht fortzusetzen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat.

Der Senat sieht die Integration behinderter Menschen als ein wichtiges schulpolitisches Ziel an, das auch durch die Arbeit der Sonderschulen erreicht werden soll.

Dies wird unter anderem dadurch unterstrichen, dass die Integrationsklassen (I Kl), die im bisherigen Hamburgischen Schulgesetz nur in der Grundschule ein Regelangebot sind, im neuen (siehe 1. Entwurf für das 2003) auch in der Sekundarstufe I Regelangebot werden sollen.

Der Schulversuch Integrative Regelklassen (IR) wird seit 1991 an jetzt insgesamt 36 Grundschulen durchgeführt. Dafür werden in diesem Schuljahr 135 Lehrerstellen zusätzlich bereitgestellt, obwohl es keine sonderpädagogische Diagnostik zur Feststellung der Förderbedürftigkeit der rechnerisch angenommenen zwei behinderten Kinder pro Klasse gibt. Diese Praxis hat der Rechnungshof bereits 1997 gerügt. Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in Sonderschulen ist trotz der Integrationsmaßnahmen in I Kl und IR von 1990 bis 2001 von 6436 auf 7111 gestiegen.

Die Frage, wie die Förderung der behinderten Schüler aus IR in Klasse 5 erfolgen kann, ist seit 1995 unbeantwortet geblieben.

Eine Ausweitung des Schulversuchs IR auf alle Grundschulen, d.h. die Überführung des Schulversuchs in ein Regelangebot, ist nicht sachgerecht.

Der Bericht der wissenschaftlichen Begleitung macht neben positiven Feststellungen eine Reihe kritischer Anmerkungen, z.B.:

­ Die Lehrerinnen und Lehrer sehen ihre Aufgabe weitgehend nicht darin, Kinder mit Problemen an allgemein festgelegte Standards heran zu führen, sondern sie in den ihnen möglichen Lernprozessen zu unterstützen (Seite 35).

­ Die Untersuchung der Entwicklung leistungsstarker und leistungsschwacher Kinder hat nun keinesfalls ergeben, dass die leistungsschwachen in heterogenen Lerngruppen mehr profitieren.

Günstigstenfalls scheint die Lernentwicklung Starker und Schwacher in homogenen und heterogenen Gruppen gleich zu sein. Es finden sich jedoch unübersehbare Vorteile für die Entwicklung leistungsschwacher und leistungsstarker Kinder in homogeneren Klassen (Seite 75).

­ Der Befund... ist aber eher ein Indikator dafür, dass in beiden Systemen gerade die leistungsstarken Kinder in heterogenen Lerngruppen nicht sonderlich gefördert worden sind, ohne dass dort besondere Vorteile für die leistungsschwachen entstanden wären (Seite 76). Zitate aus. Der Schulversuch Integrative Grundschule, Endbericht der Wissenschaftlichen Begleitung.

Universität Hamburg, Arbeitsstelle Integration, September 1997.

Nach Feststellung der zuständigen Behörde gibt es in sehr vielen Grundschulen förderbedürftige Kinder, die bisher keinerlei sonderpädagogische Förderung erhalten. Deshalb wird die zuständige Behörde mit einem neuen Konzept über regionale Förderzentren den Grundschulen sonderpädagogische Kompetenz zur Verfügung stellen. Diese soll jedoch an diagnostizierte Förderbedarfe gebunden sein. Bis zur Einrichtung von Förderzentren wird sich an den bestehenden IR nichts ändern.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. Wann wird der Senat die Auswertungen des oben genannten Gutachtens vorlegen? Welche Gründe verhinderten die in Kürze angekündigte Vorstellung über fünf Monate hinweg?

2. Zu welchen Ergebnissen hat die Untersuchung geführt?

Die Ergebnisse der Untersuchung Inhaltliche Analyse von Konzepten für Grundschulen mit Integrativen Regelklassen und Integrierte Haupt- und Realschulen (Dortmund, Dezember 2001) sind in der Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage - Drucksache 17/760 - teilweise referiert worden.

Eine erneute Auswertung in der BBS wird Überlegungen zu regionalen Förderzentren einbeziehen.

Damit soll eine breitere, gezieltere und effektivere Förderung erreicht werden. Dazu wird berichtet werden.

3. Wie beurteilt der Senat die bisherigen Hamburger Maßnahmen zur Integration behinderter Schülerinnen und Schüler?

Siehe Vorbemerkung.

4. Was veranlasst den Senat, die Integrativen Regelklassen nicht als Regelangebot im zu novellierenden Schulgesetz verankern zu wollen?

Siehe Vorbemerkung.

5. Sind zum 1. August 2002 weitere Integrative Regelklassen und Integrationsklassen eingerichtet worden?

Wenn ja, wie viele und an welchen Standorten?

Integrative Regelklassen wurden zum 1. August 2002 nicht neu eingerichtet.

Integrationsklassen wurden an der Grundschule Chemnitzstraße und an der Gesamtschule Julius Leber eingerichtet.

6. Von welchen Schulen liegen der zuständigen Behörde Anträge vor, über die ggf. unter 5.1. genannten Standorte hinaus Integrative Regelklassen oder Integrationsklassen neu einzurichten?

Siehe Anlage.

Die Aufnahme allein dieser 62 Schulen in den Schulversuch IR würde mindestens 250 zusätzliche Lehrerstellen erfordern.

7. Welche Pläne verfolgt der Senat hinsichtlich der bestehenden Integrativen Regelklassen?

Zum 1. August 2003 wird es keine Veränderungen geben. Die Integrativen Regelklassen bleiben Schulversuch. Neue Förderkonzepte ­ z. B. regionale Förderzentren -, die die Integrativen Regelklassen, Sonderschulen und REBUS und die mit ihnen gemachten Erfahrungen einschließen, werden zurzeit entwickelt und nach der anstehenden Novellierung des Hamburgischen Schulgesetzes umgesetzt.

Grundschulen mit Schulkonferenzbeschlüssen zur Aufnahme in den Schulversuch IR (ab 1991)

Am Sooren

Am Walde

An der Isebek Anna-Susanna-Stieg Anton-Ree-Allermöhe Arnkielstraße Arp-Schnitger-Stieg Ballerstaedtweg

Bei der Katharinenkirche Beltgens Garten Billbrookdeich Bornheide Buckhorn Bunatwiete/Maretstraße Cranz ­ Grundschule Eberhofweg Eenstock Fährstraße Fabriciusstraße Franzosenkoppel Friedrichstraße Fünfhausen-Warwisch Griesstraße/Marienthaler Straße Groß Flottbek/Osdorfer Weg Grützmühlenweg Harburg ­ Katholische Schule Heinrich-Helbing-Straße Hinschenfelde Hohe Landwehr

In der Alten Forst Kamminer Straße Karl-Arnold-Ring Kerschensteiner Straße Kielortallee Kirchdorf ­ Gesamtschule Kirchwerder bei der Kirche Ludwigstraße Max-Traeger-Schule Max-Eichholz-Ring Max-Brauer ­ Grundschule der Gesamtschule Mendelssohnstraße Moorflagen Mümmelmannsberg Müssenredder Neuland Neugraben ­ Katholische Schule Rahewinkel Richard-Linde-Weg Rothestraße Rotenhäuser Damm Röthmoorweg Rudolf-Roß ­ Grundschule der Gesamtschule Seeredder Steinadlerweg Stengelestraße Stockflethweg Thadenstraße Theodor-Haubach-Schule Tonndorf Vizelinstraße Wegenkamp Wilhemsburg ­ Grundschule der Gesamtschule