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Mitbestimmung können Frauen und Männer das politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben im Lande mitgestalten.

Betrachtet man die Zusammensetzung des Thüringer Landtags zeigt sich, dass in Thüringen Frauen in der Politik auf Landesebene unterrepräsentiert sind.

Nach den Ergebnissen der Landtagswahl von 1990 sitzen im Thüringer Landtag 89 Abgeordnete, 13 davon sind Frauen, das ist ein Anteil von 14,6 Prozent. Im Vergleich zum Deutschen Bundestag, dem 21 Prozent Frauen angehören, ist der Frauenanteil im Thüringer Landtag niedriger.

Dem Ältestenrat, der sich aus 14 Mitgliedern zusammensetzt, gehören zwei Frauen an.

In den 14 Ausschüssen des Thüringer Landtags sind vier Landtagsparlamentarierinnen Ausschußvorsitzende. Dabei handelt es sich um den Petitionsausschuß, den Ausschuß für Soziales und Gesundheit, den Gleichstellungsausschuß und den Ausschuß für Umwelt und Landesplanung.

Neben dem Ministerpräsidenten gehören der Landesregierung elf Minister an. Dem Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten steht eine Frau vor. Auf der Ebene der Staatssekretäre ist in Thüringen eine Frau vertreten.

Kommunale Gleichstellungsbeauftragte

Die Vorläufige Kommunalordnung für das Land Thüringen (VKO) beschränkte sich auf eine unverbindliche Empfehlung an die Kommunen, zur Verwirklichung des Grundrechts auf Gleichberechtigung von Mann und Frau Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen. Auch ohne gesetzliche Verpflichtung haben die meisten Landkreise und auch größere Städte in ihrer ersten Amtsperiode dem tatsächlichen Bedürfnis nach Frauenförderung innerhalb und außerhalb der Verwaltung personell Rechnung getragen.

In Thüringen arbeiten 54 kommunale Gleichstellungsbeauftragte, die überwiegend als Bedienstete ausschließlich mit Gleichstellungsaufgaben betraut sind oder gleichzeitig andere Funktionen (z. B. Bürgerberatung, Behindertenbeauftragte, Ausländerbeauftragte) wahrnehmen (Einzelheiten sind der Anlage 1 zu entnehmen).

Die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten Thüringens haben sich zu einer Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) zusammengeschlossen.

Nach den §§ 33 und 111 der neuen Thüringer Kommunalordnung vom 16. August 1993, die am 1. Juli 1994 in Kraft trat, sind Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern und Landkreise verpflichtet, Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen. Die personelle und organisatorische Umsetzung des gesetzlichen Auftrags liegt in der Verantwortung der Städte und der durch das Thüringer Neugliederungsgesetz gebildeten neuen Landkreise. Die Bedeutung, die dem Amt der Gleichstellungsbeauftragten zuzumessen ist, hat sich in der Empfehlung des Thüringer Innenministeriums für den Verwaltungs- und Aufgabengliederungsplan eines großen Landratsamtes niedergeschlagen (siehe 8.2).

Für die Städte hat der Deutsche Städtetag Hinweise und Empfehlungen für die Aufgaben und Kompetenzen der Gleichstellungsbeauftragten auf der Grundlage der Beratung seines Rechts- und Verfassungsausschusses vom

November 1993 gegeben.

7. Gewalt gegen Frauen

Einrichtungen von Sonderdezernaten für Sexualdelikte bei den Thüringer Staatsanwaltschaften bzw. bei der Kriminalpolizei Gewalterfahrungen gehören zur Lebensrealität vieler Frauen und Mädchen.

Der Begriff Gewalt gegen Frauen umfaßt neben der körperlichen Gewalt (Mißhandlungen physischer und psychischer Art) auch die Mißachtung der sexuellen Selbstbestimmung der Frau.

Die nachfolgenden Zahlen basieren auf der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Jahres 1993.

Der Anteil der Gewaltkriminalität an der Gesamtkriminalität in Thüringen beträgt ca. 2 Prozent.

Die Zahl der Opfer bei Gewaltdelikten stieg von 2.793 (davon 1.088 Frauen bzw. Mädchen) im Jahr 1992 auf 4.571(davon 1.548 Frauen bzw. Mädchen) 1993 an. Der Anteil der Frauen als Opfer von Gewaltdelikten betrug 1993 insgesamt 33,9 Prozent.

Von den insgesamt 160.941 registrierten Straftaten in Thüringen, handelte es sich in 134 Fällen um Vergewaltigungen und in 121 Fällen um sexuelle Nötigungen.

Es ist eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe, präventiv tätig zu werden sowie Hilfe und Unterstützung für Betroffene zu geben (siehe auch 7.2).

Zur Bekämpfung von Gewalt hat die Thüringer Polizei ein Präventionskonzept entwickelt, welches auf die Vorbeugung und Verfolgung von Gewaltstraftaten (unabhängig vom Geschlecht der Opfer) gerichtet ist.

Das Thema Gewalt gegen Frauen ist ein Teil des Kriminalpolizeilichen Vorbeugungsprogramms (KPVP) von Bund und Ländern.

Zu diesem Thema werden Plakate, Anzeigen, Faltblätter u. a. eingesetzt. Das Landeskriminalamt Thüringen setzt dieses Vorbeugungsprogramm im engen Zusammenwirken mit den örtlichen Polizeidienststellen in Thüringen um.

Zur Bearbeitung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen und Kindern wurden bei allen vier Thüringer Staatsanwaltschaften Sonderdezernate eingerichtet.

Die Einrichtung der Sonderdezernate führt zu einer Spezialisierung der staatsanwaltschaftlichen Arbeit im Bereich der Verfolgung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Dies trägt zur Effektivierung der Ermittlungstätigkeit in diesem Bereich bei. Ebenso wird die Aneignung des erforderlichen Sachwissens und der notwendigen psychologischen Fähigkeiten zu einem möglichst schonenden Umgang mit den Opfern gefördert. Die Sonderdezernate werden ausschließlich durch Staatsanwältinnen geleitet, welche durch ihre tägliche Arbeit für die Belange der Opfer sensibilisiert sind.

Vor dem Hintergrund, dass die Verarbeitung von im Kindesalter erlebten sexuellen Gewaltdelikten nachhaltige Wirkung auf die Psyche von betroffenen Frauen hat, dürfte die durch das Bundesjustizministerium initiierte Diskussion zur Verjährung von Sexualstraftaten von Kindern von Belang sein. Nach gegenwärtigem Diskussionsstand wird erwogen, die Verjährung von derartigen Straftaten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres des Opfers gesetzlich ruhen zu lassen, soweit die Strafverfolgungsbehörden hiervon keine Kenntnis erlangt haben. Das Thüringer Justizministerium beteiligt sich an dem vorbereitenden Meinungsaustausch, der noch nicht abgeschlossen ist. (siehe Anmerkung 1)

Seit Januar 1993 gibt es beim Polizeipräsidium Thüringen eine Beauftragte für Opferfragen (BFO). Diese Einrichtung wurde nach entsprechenden Vorbildern in den Altbundesländern unter Berücksichtigung der Bedingungen in Thüringen geschaffen. Die BFO steht Opfern sexueller Gewalt beiderlei Geschlechts als Ansprechpartnerin zu Verfügung.

Aus der Erkenntnis heraus, dass das Strafverfahren für die Betroffenen eine schwere seelische Belastung darstellt, hat das Polizeipräsidium Thüringen festgelegt, dass die Sachbearbeiter der Polizei den Hinweis auf die BFO und ihre Hilfsfunktion aktenkundig in der Vernehmung nachweisen.

Die Beratung von Opfern sexueller Gewalt durch die BFO beinhaltet vor allem

- Vermittlung an die sachbearbeitende Dienststelle,

- Aufklärung über rechtliche Möglichkeiten (Prozeßkostenhilfe, Nebenklage),

- Informationen und gegebenenfalls Begleitung zu Einrichtungen, Beratungsstellen in öffentlicher und freier Trägerschaft, Hilfsorganisation (Weißer Ring), die der Opferspezifik Rechnung tragen.

Durch Kontakte mit den Dienststellen, einzelnen Polizeibediensteten sowie durch Vorträge und Presseveröffentlichungen vermittelt die BFO Fachwissen für einen sensiblen Umgang mit Opfern. Für jeden Polizeibediensteten ist die Richtlinie für die Bearbeitung von sexuellen Gewaltdelikten gegen Frauen bindend.

Die Richtlinie formuliert u. a. die Grundsätze:

- Ein Opfer, das Anzeige erstattet, befindet sich in einer Ausnahmesituation; das bedeutet, daß Einfühlungsvermögen und Zurückhaltung geboten sind.

- Auf Wunsch wird das Opfer von einer Polizeibeamtin vernommen.

- Bei der Anzeigenaufnahme kann unter gegebenen Voraussetzungen eine Person des Vertrauens zugegen sein.

Bestehende Verbindungen zu Jugendämtern, Fachdiensten, Beratungsstellen, Kinderschutzdiensten baut die BFO mit dem Ziel aus, Betroffenen geeignete Hilfsangebote zu unterbreiten, dies schließt auch die Begleitung zum Gericht durch deren Bedienstete ein.

(1) Gemäß des am 29. Juni 1994 verkündeten 30. Strafrechtsänderungsgesetzes ruht die Verjährung von derartigen Straftaten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers, solange nach dem Gesetz die Verfolgung nicht begonnen hat oder nicht fortgesetzt werden kann. Frauenhäuser/Frauenschutzwohnungen

In den vergangenen vier Jahren sind in Thüringen 33 Frauenhäuser entstanden, die über das ganze Land verbreitet sind.

Insgesamt sind in diesen Einrichtungen 586 Betten für von physischer und/oder psychischer Gewalt bedrohte und betroffene Frauen und deren Kinder vorhanden.

Angaben zur Förderung durch Mittel aus dem Bereich der Landesfrauenbeauf-tragten sind im Kapitel 8.7 ersichtlich.