In der ehemaligen DDR erfolgte und in der Republik Österreich erfolgt eine Anerkennung mit 50 GdB der Behinderung

September 1994 hat folgenden Wortlaut:

Nach fünf Jahren sogenannter Heilungsbewährung nach einer Brustamputation wird die Behinderung von 50 auf 30 (Grad der Behinderung) zurückgestuft. Das bedeutet den Verlust der Schwerbehinderteneigenschaft, der sich besonders bei berufstätigen betroffenen Frauen sehr negativ auswirkt.

In der ehemaligen DDR erfolgte und in der Republik Österreich erfolgt eine Anerkennung mit 50 der Behinderung auf Lebenszeit.

Ich frage die Landesregierung:

1. Aufgrund welcher Erkenntnisse wurde der Zeitraum fünf Jahre der Heilungsbewährung, nach dem die Rückstufung der Behinderung erfolgt, festgelegt?

2. Wie steht die Landesregierung zu der Forderung des Bundesverbandes Frauenselbsthilfe nach Krebs, die Schwerbehinderteneigenschaft auf Lebenszeit anzuerkennen?

Das Thüringer Ministerium für Soziales und Gesundheit hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 26. Oktober 1994 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Das Schwerbehindertengesetz dient dazu, die im Einzelfall tatsächlich durch die Behinderung bedingten Nachteile so weit wie möglich auszugleichen. Diesem Ziel dienen auch die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Richtlinien zur Beurteilung des Grades der Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (Anhaltspunkte).

Für die Beurteilung des ist grundsätzlich maßgebend, in welchem Umfang Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen zu dem Zeitpunkt vorliegen, an dem die Beurteilung vorgenommen wird. Bei Leiden, die zu Rezidiven neigen, kann der jedoch unter dem Gesichtspunkt einer Heilungsbewährung beurteilt werden, wie sich dies aus Nummer 18 Abs. 7 der Anhaltspunkte ergibt. Danach kann während der Zeit des Abwartens einer Heilungsbewährung ein höherer gerechtfertigt sein, als sich an sich aus dem festgestellten Schaden ergibt.

Gerade durch die Heilungsbewährung ist es also erst möglich, den an Brustkrebs erkrankten Frauen für eine bestimmte Zeit pauschal die Schwerbehinderteneigenschaft zuzuerkennen. Ohne dieses Instrumentarium der Heilungsbewährung wäre dies

in vielen Fällen nicht möglich.

Bei Verlust der Brust wegen einer bösartigen Geschwulst wird der unter dem Gesichtspunkt der Heilungsbewährung mit wenigstens 50, d. h. in jedem Fall höher bewertet, als er sich allein aus den funktionellen Auswirkungen des Organschadens ergeben würde. Dies bedeutet aber nicht, dass auch der Organverlust selbst mit seinen regelhaften Auswirkungen mit einem von 50 bewertet wird. Nach Ablauf der Heilungsbewährung werden dann in der Regel nur die tatsächlichen Auswirkungen des Brustverlustes der Beurteilung zugrundegelegt. Dies bedeutet für den einseitigen Verlust der Brust einen von 30, für den beidseitigen Verlust einen solchen von 40. Bei diesen ist beachtet worden, dass der Verlust der Brust allein - ohne zusätzliche Komplikationen der Behandlung - keine direkten Funktionsausfälle zur Folge hat. Deshalb ist für die - vergleichbar mit der Beurteilung bei Entstellungen - der körperliche Integritätsverlust entscheidend, der zu Auswirkungen in der ganz persönlichen Sphäre und im Zusammenhang damit auch zu psychischen Reaktionen führt.

In die genannten sind somit die seelischen Begleiterscheinungen, die beim Verlust der Brust den entscheidend oder zumindest zu einem wesentlichen Teil mitbestimmen, miteinbezogen. Wie in den Anhaltspunkten ergänzend ausgeführt ist, sind Funktionsbeeinträchtigungen im Schultergürtel oder Arm als Operations- oder Bestrahlungsfolgen (z.B. Lymphödem, Muskeldefekte, Nervenläsionen) sowie außergewöhnliche psychoreaktive Störungen ggf. zusätzlich zu berücksichtigen.

Wie oben bereits dargelegt, besteht kein Zweifel darüber, dass die gutachterliche Beurteilung der Behinderung nicht allein auf den Brustverlust selbst beschränkt werden kann. Deshalb besteht kein Anlaß, von den derzeitigen grundsätzlichen Beurteilungskriterien abzugehen. Es ist sicher, dass es eine ganze Reihe von Frauen gibt, bei denen die Folgeerscheinungen des Brustverlustes und der anschließenden Therapie, insbesondere in Verbindung mit anderen Behinderungen, auch nach Ablauf der Heilungsbewährung noch so gravierend sein können, dass weiterhin die Annahme einer Schwerbehinderung gerechtfertigt ist. Dies erfordert stets eine Einzelfallprüfung.

Zu 2.: Die Deutsche Krebshilfe und der Bundesverband Frauenselbsthilfe nach Krebs haben sich in einem gemeinsamen Schreiben an alle Minister und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder mit dem Anliegen gewandt, die für das Schwerbehindertengesetz maßgebenden Begutachtungskriterien dahingehend zu ändern, dass allen Frauen nach Verlust der Brust lebenslang der Schwerbehindertenstatus zuerkannt werde, wie dies in der ehemaligen DDR der Fall war und auch in der Republik Österreich erfolgt.

In den neuen Bundesländern wirken die Feststellungen des nach dem Schwerbehindertengesetz nur deshalb als neue Regelungen, weil in der früheren DDR auf die ursprünglich im Schwerbeschädigtenbereich vorgesehenen Nachprüfungen insbesondere auch ab einem bestimmten Lebensalter - weitgehend verzichtet worden ist.

Vergleiche mit dem österreichischen System sind wegen der anderen Zielsetzungen und beschränkten Wirkungen dieser Regelungen kaum möglich.

Die Landesregierung unterstützt die Interessen der an Brustkrebs erkrankten Frauen. Allerdings kann dies nicht durch Maßnahmen geschehen, die sich unter Umständen zum Nachteil aller von Krebs Betroffenen auswirken.