Geschwindigkeitsbeschränkungen und Kontrollen

Die Kleine Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt:

Frage 1. Unter welchen Voraussetzungen können Geschwindigkeitsbeschränkungen angeordnet werden?

Rechtsgrundlage für die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen ist § 45 Straßenverkehrs-Ordnung Nach Abs. 1 dieser Bestimmung können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken insbesondere aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Das gleiche Recht haben sie

1. zur Durchführung von Arbeiten im Straßenraum,

2. zur Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße,

3. zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen,

4. zum Schutz der Gewässer und Heilquellen,

5. hinsichtlich der zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen sowie

6. zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen.

Frage 2. Wer ist zuständig für die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen?

Anordnungen von Geschwindigkeitsbeschränkungen werden von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde getroffen; die Zuständigkeiten ergeben sich aus der Verordnung zur Bestimmung straßenverkehrsrechtlicher Zuständigkeiten vom 16. Dezember 1997 (GVBl. II 61-49). Zuständige Straßenverkehrsbehörde für Autobahnen ist das Hessische Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen.

Frage 3. Unter welchen Voraussetzungen können Geschwindigkeitskontrollen angeordnet werden, und wer ist hierfür zuständig?

Geschwindigkeitskontrollen können von allen für die Erforschung und Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständigen Behörden durchgeführt werden. Zuständige Behörden sind nach § 53 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten die Polizeibehörden sowie nach § 26 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes i.V.m. § 36 Abs. 1 die Behörden, die von der Landesregierung durch Rechtsverordnung dazu bestimmt sind. In Hessen sind dies gemäß Verordnung vom 7. April 1992 (GVBl. I S. 134) das Regierungspräsidium Kassel als Bezirksordnungsbehörde, soweit nicht in der Stadt Frankfurt am Main die Oberbürgermeisterin als örtliche Ordnungsbehörde zuständig ist. Daneben sind alle Bürgermeisterinnen/Bürgermeister (Oberbürgermeisterinnen/Oberbürgermeister) als örtliche Ordnungsbehörden auf den Straßen in ihrem Gemeindegebiet, ausgenommen auf den Autobahnen, zuständig.

Frage 4. Liegen dem Land Erkenntnisse vor, dass - entgegen bestehender Richtlinien Geschwindigkeitskontrollen nur aus dem Grund durchgeführt werden, um Buß- bzw. Verwarnungsgelder verhängen zu können (z.B. zur Verbesserung kommunaler Haushalte)? Nein.

Frage 5. a) Wie viele Bußgeldverfahren wegen überhöhter Geschwindigkeit wurden im letzten Jahr in Hessen eingeleitet?

Zuständig für den Erlass von Bußgeldbescheiden wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten sind das Regierungspräsidium in Kassel als Bezirkspolizeibehörde und die Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main als örtliche Ordnungsbehörde. Diese Behörden haben im letzten Jahr insgesamt 181.852 Verfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen im Bußgeldbereich eingeleitet.

Die vorgenannten Behörden haben außerdem 384.066 Verfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen im Verwarnungsbereich durchgeführt.

Von einer Befragung der übrigen Städte und Gemeinden, die als örtliche Ordnungsbehörden ebenfalls Verfahren im Verwarnungsbereich durchführen dürfen, wurde abgesehen, weil der damit verbundene Verwaltungsaufwand unvertretbar hoch wäre.

In den oben angeführten Verwarnungsverfahren sind mangels Statistik auch die Fälle nicht enthalten, bei denen an Ort und Stelle ein Verwarnungsgeld erhoben wurde.

b) Wie viele Verfahren wurden eingestellt?

Eine Statistik darüber wird nicht geführt.

c) Wie viele Fahrverbote wurden verhängt?

Die zur Anordnung von Fahrverboten befugten Verwaltungsbehörden haben im letzten Jahr insgesamt 18.245 Fahrverbote verhängt. Eine Statistik, wie viele Fahrverbote davon wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen angeordnet wurden, wird nicht geführt. Geschwindigkeitsüberschreitungen sind jedoch der mit Abstand häufigste Grund für die Anordnung von Fahrverboten.

Frage 6. In welchem Verhältnis steht die Entwicklung der Einnahmen aus Buß- und Verwarnungsgeldern zur Entwicklung der Unfallzahlen?

Nach den vorläufigen Zahlen ereigneten sich im letzten Jahr rund 133.

Verkehrsunfälle. Das waren rund 10,7 v.H. mehr als im Jahr 1995 (erstes Jahr nach der letzten Änderung des Straßenverkehrsunfallstatistikgesetzes).

In der gleichen Zeit ist das Aufkommen an Buß- und Verwarnungsgeldern beim Regierungspräsidium Kassel und der Stadt Frankfurt am Main insgesamt (eine besondere Statistik für Geschwindigkeitsverfahren wird nicht geführt) von rund 95,7 auf rund 89,8 Mio. DM (rd. 6,2 v.H.) zurückgegangen.

Ein direkter Bezug zwischen diesen Zahlen kann jedoch nicht hergestellt werden, da für die Unfallentwicklung viele Umstände und Maßnahmen, die Einfluss auf die Verkehrssicherheit haben, maßgeblich sind.

Frage 7. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus dem Urteil des VGH Kassel vom 31. März 1999, in dem die im Jahr 1991 auf der A 661 angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung mit der Begründung aufgehoben wurde, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung aus Lärmschutzgründen nur unter engen Voraussetzungen angeordnet werden kann, ebenso wie eine Geschwindigkeitsbegrenzung aus Gründen der Verkehrssicherheit?

Frage 8. Gibt es weitere vergleichbare Situationen an hessischen Autobahnen, die der A 661 ähneln, z. B. an der A 3 und der A 66, wo der Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Wilsch gefordert hat, die Geschwindigkeitsbeschränkung aufzuheben?

Aus Anlass der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Kassel vom 31. März 1999 und vor dem Hintergrund der Koalitionsvereinbarung werden zurzeit sämtliche Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen überprüft.

Der Verwaltungsgerichtshof Kassel kommt in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung aus Lärmschutzgründen nur dann zulässig ist, wenn durch sie eine Lärmpegelminderung von mindestens 3 eintritt.

Weiterhin wurde festgestellt, dass sich Geschwindigkeitsbeschränkungen aus Verkehrssicherheitsgründen nicht schon allein aus dem Umstand rechtfertigen, dass sie zu einer Reduzierung der Unfallzahlen führen. Wie sich insbesondere aus § 45 Abs. 9 Satz 2 ergibt, ist eine Geschwindigkeitsbeschränkung nur rechtmäßig, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit erheblich übersteigt.

Die Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung wurde daher aufgefordert, unter Berücksichtigung dieser Vorgaben alle Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen zu überprüfen. Erst nach dieser Überprüfung wird über die eventuelle Wegnahme bzw. Beibehaltung von Geschwindigkeitsbeschränkungen entschieden.