Thüringer Beamtengesetz

Hier gibt es unter anderem die Forderung, Verbeamtungen auf hoheitliche Aufgaben zu beschränken. Dabei ist strittig, was konkret zu den hoheitlichen Aufgaben gehört.

Die im Artikel 33 Abs. 4 des Grundgesetzes zitierten hoheitlichen Aufgaben sind weder im Grundgesetz noch im Beamtenrechtsrahmengesetz noch im Thüringer Beamtengesetz näher definiert.

Nach einem Richterspruch des Europäischen Gerichtshofs werden die hoheitlichen Bereiche des Staates auf Polizei, Militär, Justiz, diplomatischen Dienst sowie Finanz- und Steuerverwaltung beschränkt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie definiert die Landesregierung den Begriff hoheitliche Aufgabe?

2. Welche Aufgaben des Landes sind nach Meinung der Landesregierung zwingend als hoheitliche Aufgaben anzusehen?

Der Chef der Thüringer Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 17. Januar 1996 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Zur Beantwortung der Frage sind Artikel 33 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) und § 2 Abs. 2 und 3 des Thüringer Beamtengesetzes heranzuziehen. Auf der Grundlage von Artikel 33 Abs. 4 GG normiert § 2 Abs. 2 das Beamtenverhältnis ist demnach nur zulässig zur Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Aufgaben oder solcher Aufgaben, die aus Gründen der Sicherung des Staates oder des öffentlichen Lebens nicht ausschließlich Personen übertragen werden dürfen, die in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehen. Nur wer Aufgaben dieser Art wahrnimmt, darf in das Beamtenverhältnis berufen werden. Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist demnach die Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Aufgaben gemäß § 2 Abs. 2 Der Begriff entspricht inhaltlich dem Begriff der Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse in Artikel 33 Abs. 4 GG, dem sogenannten Funktionsvorbehalt. Der Begriff der hoheitsrechtlichen Befugnisse ist weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung eindeutig festgelegt. Unbestritten Befehl und Zwang gegenübertritt, darunter fällt. Diese enge Auslegung wird jedoch der Verfassungswirklichkeit nicht umfaßt. Maßgeblich ist dabei, dass mit der Verwaltungstätigkeit ein öffentlicher Zweck verfolgt wird.

Darüber hinaus ist für die Zulässigkeit der Berufung in das Beamtenverhältnis maßgeblich, dass es sich um die ständige Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse handelt. Für Aufgaben, deren Dauer von vornherein beschränkt ist, darf kein eigener Beamtenstab aufgebaut werden.

Weder das Grundgesetz noch das Thüringer Beamtengesetz schließen völlig aus, dass die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse Nicht-Beamten übertragen wird. Beide Vorschriften normieren, dass diese Aufgaben in der Regel Beamten zu übertragen sind. Dies bedeutet, Angestellte können mit hoheitsrechtlichen Aufgaben betraut werden, solange das darüber hinaus ein sachlicher Grund besteht. Für die Bestimmung dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses sollte jedoch nicht allgemein an die Gesamtzahl derjenigen, die eine hoheitsrechtliche Tätigkeit ausüben, angeknüpft werden, sondern jeweils an die Zahl der einer bestimmten Staatsfunktion zuzuordnenden Bediensteten.

Als negative Abgrenzungskriterien sind schließlich rein fiskalische und rein mechanisch-technische Tätigkeiten heranzuziehen. Ebensowenig fallen unter den Funktionsvorbehalt die Tätigkeit demokratisch gewählter Organwalter.

Des weiteren ist auf die Sonderregelungen für Richter hinzuweisen.

Die von Herrn Abgeordneten Dr. Gundermann zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen herangezogen werden. Sie bezieht sich auf die Auslegung von Artikel 48 Abs. 4 des EG-Vertrages, wonach die Regelungen des EG-Vertrages zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten keine Anwendung auf die Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung finden. Die Regelung dient dem Ausgleich zwischen dem Interesse der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union herzustellen. Nach einem Urteil des vom 17. Dezember 1980 sind von dieser Ausnahme diejenigen Stellen betroffen, die eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrnehmung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind. Urteil des vom 27. November 1991, wonach die Beschäftigung als Lehrkraft für das höhere Lehramt keine Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung im Sinne des Artikels 48 Abs. 4 EG-Vertrages darstellt, könnte entnommen werden, dass der die Geltung dieser Ausnahmevorschrift lediglich auf die Eingriffsverwaltung Verwaltung im EG-Vertrag nach dem Gemeinschaftsrecht vorzunehmen ist oder auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verweist. Jedenfalls kann aus der nicht notwendig gefolgert werden, dass die innerstaatliche Auslegung des Begriffs der hoheitsrechtlichen Befugnisse im Sinne des Artikels 33 Abs. 4 GG auf die Eingriffsverwaltung zu beschränken sei. nicht zweckmäßig, vielmehr muss im Einzelfall vor allem im Bereich der Leistungsverwaltung eine sachgerechte Prüfung vorgenommen werden.

Zu 2.: Die Antwort ergibt sich bereits aus der Antwort zu 1. Jedenfalls sind diejenigen Tätigkeiten als hoheitsrechtlich anzusehen, bei denen der Staat obrigkeitlich dem Bürger mit Zwang gegenübertritt.