Situation der Epilepsie-Erkrankten

Epilepsie ist eine der ältesten Krankheiten, die es gibt, und immer noch mit Vorurteilen in der Gesellschaft behaftet. In Hessen sind ca. 40.000 Menschen an Epilepsie erkrankt, rund ein Drittel sind Kinder und Jugendliche.

Vorbemerkung der Sozialministerin: Grundsätzlich kann jeder Mensch einen epileptischen Anfall, d.h. eine vorübergehende totale oder teilweise Dysfunktion des Gehirns erleiden, die mit einer plötzlich einsetzenden und vorübergehenden Störung mit zumeist motorischen, sensorischen, vegetativen und/oder psychischen Erscheinungen einhergeht. Die Fähigkeit zu epileptischen Reaktionen liegt in jedem menschlichen Gehirn bereit. Daher handelt es sich beim epileptischen Anfall um ein einmaliges oder wiederkehrendes Symptom bei allen Veränderungen der Organstruktur des Gehirns oder aufgrund von Stoffwechselstörungen im Gehirn und nicht um eine Krankheit sui generis.

Der Begriff Epilepsie sollte nur in Fällen chronisch gewordener und epileptische Anfälle hervorrufender Funktionsstörungen des Gehirns ohne erkennbare unmittelbare auslösende Ursache des wiederkehrenden Anfallsgeschehens Verwendung finden. Sie ist die häufigste chronische neurologische Erkrankung, von der weltweit etwa 0,6 v.H. der Bevölkerung und insbesondere auch junge Menschen betroffen sind. In Hessen leben etwa 36.000 Epilepsie-Erkrankte, von denen unter konventioneller medikamentöser Therapie durch den Hausarzt oder niedergelassenen Neurologen nur etwa die Hälfte für wenigstens fünf Jahre anfallsfrei bleibt. Heute sind bereits über 40 verschiedene Formen des komplexen Anfallsleidens bekannt, und es steht eine Reihe krampflösender Medikamente und nicht medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Insofern richten sich die Therapie, die Notwendigkeit weiterer Diagnostik und die Prognose nach der korrekten diagnostischen Zuordnung des Krampfgeschehens. 60 v.H. aller Epilepsie-Erkrankten leiden an einer fokalen Epilepsie, der stets eine lokalisierte Veränderung der Hirnstruktur zugrunde liegt. Bei 15 bis 20 v.H. dieser Patienten (in Hessen etwa 3.000 Betroffene und 50 bis 80 neue Fälle pro Jahr) besteht die Möglichkeit einer epilepsiechirurgischen Therapie, die bei ca. 60 v.H. der Patienten selbst bei schon jahrelang bestehender Epilepsie zur Anfallsfreiheit führt.

Anfallsfreie Patienten können wieder voll in das Arbeitsleben integriert werden.

Die Epilepsie ist somit die derzeit einzige chronische neurologische Erkrankung, die geheilt werden kann. In Anbetracht der Komplexität diagnostischer und therapeutischer Strategien und der stetigen Erweiterung des Behandlungsangebotes wird die Sicherstellung einer adäquaten Versorgung in spezialisierten Zentren und Epilepsie-Ambulanzen für erforderlich erachtet.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Wie viele Epilepsie-Ambulanzen und -Zentren gibt es in Hessen?

In Hessen gibt es acht Epilepsie-Ambulanzen, davon drei in Marburg. Die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums Gießen hat eine und nach dem Jahresbericht 1998 des Universitätsklinikums befindet sich eine Epilepsie-Diagnostik für die medizinische Betreuung Epilepsie-Erkrankter vor einem chirurgischen Eingriff im Aufbau. Am Klinikum der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main gibt es für die Behandlung epilepsiekranker Kinder und Jugendlicher eine Abteilung im Zentrum der Neurologie. Seit 1997 wurde in Marburg in Kooperation mit anderen Kliniken und Abteilungen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit aufgebaut, mit dem Ziel, erstmals in Hessen eine umfassende Versorgung mit allen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten für aller Altersklassen zu schaffen. Diese Entwicklung führte 1999 zur Etablierung des Interdisziplinären Epilepsie-Zentrums am Klinikum der Philipps-Universität Marburg (EZM). Siehe hierzu auch die Antwort zur

Frage 3.

Das Versorgungsangebot in den einzelnen Epilepsie-Ambulanzen ist mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung auf die Behandlung derjenigen Epilepsie-Patienten ausgerichtet, die unter der Therapie beim niedergelassenen Neurologen oder Kinderarzt nicht anfallsfrei werden. Diese Patienten werden in den Ambulanzen diagnostisch eingeordnet und mit einer Therapieempfehlung an den überweisenden Arzt zurück übersandt oder von der Ambulanz weiterbetreut, sofern dies gewünscht wird.

Frage 2. Ist der Landesregierung bekannt, wie viele Ärztinnen und Ärzte in Hessen sich auf Epilepsie-Erkrankungen spezialisiert haben?

In Hessen stehen derzeit 250 niedergelassene Nervenärzte für die Versorgung Epilepsie-Erkrankter zur Verfügung.

Frage 3. Kooperiert die Landesregierung mit dem Landesverband Hessen der Deutschen Epilepsievereinigung, und wie beurteilt sie die Arbeit des Landesverbandes?

Zwischen dem Hessischen Sozialministerium und dem Landesverband Hessen der Deutschen Epilepsievereinigung, der nach Mitteilung der Bundesvereinigung erst in 1999 gegründet wurde, besteht derzeit keine Kooperationsbeziehung.

Der Landesverband Hessen der Deutschen Epilepsievereinigung hat im Frühjahr 2000 wegen der Einrichtung eines Epilepsie-Zentrums mit dem Hessischen Sozialministerium Kontakt aufgenommen. Die Landesregierung informierte daraufhin über den derzeitigen Sachstand zur Etablierung eines Epilepsiezentrums am Standort Marburg. Darüber hinaus hat das Klinikum der Philipps-Universität Marburg im Oktober 2000 einen Antrag auf Ausweisung eines gestellt. Die Landesregierung erachtet den Bedarf der hessischen Patienten für ein solches Zentrum unter versorgerischen Gesichtspunkten als durchaus gegeben und steht der Ausweisung grundsätzlich aus fachlichen Erwägungen positiv gegenüber. Da es sich bei der Ausweisung eines solchen Zentrums um die Zuweisung einer besonderen Aufgabe im Sinne des Hessischen Krankenhausgesetzes und damit um eine wesentliche Änderung des Krankenhausplanes handelt, ist zunächst das gesetzlich vorgeschriebene krankenhausplanerische Verfahren durchzuführen, d.h. dass sich die zuständige Krankenhauskonferenz mit dem Antrag beschäftigen und einen Beschluss fassen muss. Sobald eine Beschlussfassung des Landeskrankenhausausschusses vorliegt, wird, je nach Ausgang der Abstimmung, unter Umständen die Letztentscheidung bei der Landesregierung liegen.

Über die weitere Arbeit des Landesverbandes Hessen der deutschen Epilepsievereinigung liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.

Frage 4. Ist die Landesregierung bereit, die Forderungen des Landesverbandes nach Verbesserungen der Versorgungssituation Epilepsie-Erkrankter zu unterstützen, und wenn ja, in welcher Form?

Siehe auch Antwort zur Frage 3. Sollten weitere Forderungen bestehen, wäre zu erwarten, dass diese zuerst dem Hessischen Sozialministerium bekannt würden.

Es liegen der Landesregierung auch keine Hinweise auf eine gegebenenfalls unzureichende medizinische Versorgung der Epilepsie-Erkrankten in Hessen vor.

Frage 5. Sind der Landesregierung Klagen von Epilepsie-Erkrankten hinsichtlich einer Verschlechterung in der Verschreibungspraxis der niedergelassenen Ärzte bekannt, und welche Maßnahmen, z. B. aufsichtsrechtlicher Art, wird sie ergreifen, um dies zukünftig zu verhindern?

Hier im Hessischen Sozialministerium gibt es derzeit keine Hinweise auf eine Verschlechterung der Verschreibungspraxis hinsichtlich der Verordnung von Antiepileptika; ebenso sind bisher keine Klagen von Epilepsie-Erkrankten bekannt geworden.