Rehabilitation

Ebenfalls im Jahr 1992 traten die Richtlinien für die investive Förderung sozialer Gemeinschaftseinrichtungen für die Aufgabenbereiche der Suchthilfe und der psychiatrischen Versorgung und die Richtlinien für die Förderung nichtinvestiver sozialer Maßnahmen für die Aufgaben der Suchthilfe und der psychiatrischen Versorgung in Kraft.

Es folgten 1993 die Richtlinien für die Förderung von Selbsthilfegruppen, -verbänden und -organisationen im Gesundheitswesen und Sozialbereich und 1994 die Richtlinien für die Förderung nichtinvestiver sozialer Maßnahmen zur Durchführung des Betreuten Wohnens für Behinderte und Suchtkranke.

Beratung und ambulante Behandlung Zentraler Bestandteil der Suchtkrankenhilfe in Thüringen sind die Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstellen für Suchtkranke, Suchtgefährdete und ihre Angehörigen. Sie dienen fast immer als erster Kontaktpartner, wenn es um Probleme der Suchtgefährdung und -abhängigkeit geht.

Die Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstellen halten neben dem Beratungsauftrag de facto ambulante Behandlung im Sinne der Empfehlungsvereinbarung über die Leistungen zur ambulanten Rehabilitation Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängiger vom 01. April 1991 vor. Bisher sind die Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstellen in Gera (Diakonisches Werk), in Meiningen (Sozialwerk) und in Erfurt (Arbeiterwohlfahrt) von den Leistungsträgern nach dieser Empfehlungsvereinbarung für die ambulante Rehabilitation anerkannt.

Es gibt gegenwärtig 31 Psychosoziale Beratungs- und ambulante Behandlungsstellen mit 23 Nebenstellen. Das bedeutet, jeder Landkreis bzw. jede kreisfreie Stadt ist mit einem entsprechenden Angebot für Suchtberatung und Suchtbehandlung versorgt. Von diesen Beratungs- und Behandlungsstellen sind inzwischen 29 in freigemeinnütziger Trägerschaft.

Die Orientierung für den Versorgungsschlüssel liegt in dem von der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.V. erstellten Rahmenplan, nach dem für etwa 100.000 Einwohner eine Suchtberatungsstelle eingerichtet sein soll.

Die personelle Ausstattung der Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstellen orientiert sich sowohl am Rahmenplan der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (pro 10.000 Einwohner eine Fachkraft) als auch an der praktisch umsetzbaren Möglichkeit (pro 20.000 Einwohner eine Fachkraft). Es ist also davon auszugehen, dass mindestens 130

Fachkraftstellen in o. g. Beratungs- und Behandlungsstellen notwendig sind.

Insgesamt bestehen (Stand: Oktober 1995) über 120 Personalstellen für Fachmitarbeiter in Beratung und Behandlung.

Das fachliche Profil der Mitarbeiter wird durch die in den Richtlinien zur Förderung von psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstellen für Suchtgefährdete, Suchtkranke und ihre Angehörigen geforderten Grundberufe und Qualifikationen bestimmt.

Das Fachpersonal hat zur eigenen Psychohygiene sowie zur fachlichen Weiterbildung an Supervision und an den erforderlichen Schulungen, Tagungen und Fachseminaren teilzunehmen.

Die inhaltliche Orientierung der Arbeit der Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstellen ergibt sich aus der Forderung nach einem integrativen und gemeindenahen Beratungs- und Behandlungsangebot, d. h. die Suchtberatungsstellen sollen offen sein für Suchtgefährdungen und Suchtabhängigkeiten jeglicher Art, insbesondere auch für illegale Drogen.

Die breite inhaltliche Ausrichtung bezieht sich jedoch nicht nur auf die unterschiedlichen Formen der Abhängigkeit, sondern ebenso auf die verschiedenartigen Leistungsanforderungen, die sich im Verlauf von Abhängigkeitserkrankungen ergeben bzw. ergeben können. Hier sind u.

a. zu nennen die aufsuchende Arbeit (z. B. Straßensozialarbeit, Beratung im Justizvollzug), die sozio-therapeutische Arbeit (z. B. Betreutes Wohnen, niederschwellige Angebote) und nicht zuletzt auch die präventive Arbeit mit verschiedenen gesunden und gefährdeten Zielgruppen.

Deshalb muss die inhaltliche und methodische Spezialisierung der Mitarbeiter für die einzelnen Sachgebiete in den Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstellen - wie Arbeit mit Strafgefangenen und Haftentlassenen, Streetwork, niederschwellige Arbeit (Kontaktläden, Teestuben, Suppenküchen), soziotherapeutische Arbeit (Betreutes Wohnen, Wohnheime), Arbeits- und Beschäftigungsprojekte - in den kommenden Jahren weiter vorangetrieben werden.

Entsprechende Ausbildungsangebote sind in Zusammenarbeit mit der Thüringer Landesstelle gegen die Suchtgefahren zu entwickeln.

Die Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstellen des Landes Thüringen beteiligen sich an der Jahresstatistik der ambulanten Beratungs- und Behandlungsstellen für Suchtkranke in der Bundesrepublik Deutschland (EBIS-Statistik). Das ermöglicht eine Widerspiegelung des durch die Beratungsstellen erbrachten Leistungsspektrums sowie eine Beschreibung der Klientel hinsichtlich sozio-demografischer und krankheitsbezogener Merkmale.

Probleme gibt es gegenwärtig noch in der Erreichbarkeit und im Umgang mit jugendlichen Suchtgefährdeten bzw. Abhängigen. Es bestehen hier kaum Konzepte, um diese Gruppe in einen therapeutisch-pädagogischen Prozeß einzubinden. Das trifft auch auf die Arbeit mit jenen Suchtkranken zu, die aus verschiedenen Gründen (noch) nicht abstinent leben wollen oder können. Erste Erfahrungen dazu werden seit Mitte 1994 in einer nach einem niederschwellig angelegten Konzept arbeitenden Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstelle in Erfurt gesammelt. Das Modellprojekt Integrierte gemeindenahe Hilfe für Suchtkranke INTHIS leistet hierzu einen wesentlichen Beitrag (siehe 4.2).

Die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten, die Mitarbeiter aus Institutsambulanzen sowie der sozialpsychiatrischen Dienste an den Gesundheitsämtern leisten bei der Versorgung Abhängigkeitskranker einen erheblichen Beitrag. Zielstellung ist hier eine weitere Verbesserung der direkten Zusammenarbeit dieser therapeutisch Tätigen mit den Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstellen und den anderen Angeboten des Suchtkrankenhilfenetzes im Sinne der integrierten gemeindenahen Versorgung.

Stationäre Therapie

Trotz erfolgversprechender Möglichkeiten von differenzierten ambulanten Angeboten ist für einen Teil der Suchtkranken eine stationäre medizinische Entzugsbehandlung sowie ggf. eine anschließende Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung ein notwendiger Weg zur Wiederherstellung der Gesundheit.

Die stationäre Therapie hat sich als eine eigenständige Säule in der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen etabliert. Sie ergänzt somit die ambulanten und komplementären Möglichkeiten mit dem Ziel der Suchmittelabstinenz bzw. der erfolgreicheren Lebensbewältigung, ggf. auch zur Stabilisierung der gegebenen Situation oder zu deren Linderung.

Im Behandlungsspektrum der stationären therapeutischen Suchtkrankenhilfe Thüringens dominieren Alkoholkranke. Dabei nimmt der Anteil der chronisch mehrfachgeschädigten Alkoholabhängigen und der Patienten mit Mehrfachmißbrauch und Polytoxikomanie zu. Im Zusammenhang damit steht die Tendenz der relativen Zunahme von Mehrfachgeschädigten und Patienten mit hirnorganischen Folgezuständen.

Abhängige von illegalen Drogen sind in Thüringen noch Einzelerscheinungen. In einigen wenigen Fällen wurden bei Abhängigen von Heroin, Cannabis und Ersatzstoffen Drogenentgiftungen durchgeführt.