Berufsvorbereitungsjahr (BVJ)

In den vergangenen Jahren war es möglich, nahezu allen Jugendlichen Thüringens eine Lösung des Ausbildungsproblems zu vermitteln, auch den benachteiligten Jugendlichen. Dazu haben die für die benachteiligten Jugendlichen eingerichteten Maßnahmen wesentlich beigetragen.

- Durch das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) als vollzeitschulische Maßnahme im Schuljahr 1995/96 haben sich ca. 2.300 Thüringer Jugendliche, die keinen Hauptschul- oder gleichwertigen Abschluß hatten und noch keinen Ausbildungsvertrag abschließen konnten, auf ein Berufsausbildungsverhältnis vorbereiten können.

- Zirka 1.400 weitere Jugendliche werden z. Z. in berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen der Arbeitsverwaltung aufgenommen und auf die Berufsausbildung vorbereitet.

Die in den letzten Jahren insgesamt schwierige Ausbildungsstellensituation führte jedoch dazu, dass die Mehrzahl der benachteiligten Jugendlichen nicht in betriebliche Ausbildungsverhältnisse vermittelt werden konnte.

Dadurch sind diese Jugendlichen zu einem großen Teil in Maßnahmen gemäß § 40 c Abs. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (Berufsausbildung in überbetrieblichen Einrichtungen) vermittelt worden. Notwendig ist es, auch in den folgenden Jahren ausreichende Maßnahmen zur Förderung der Berufsausbildung benachteiligter Jugendlicher vorzusehen.

Die Landesregierung geht davon aus, dass die Maßnahmen der Arbeitsverwaltung auch künftig zur Verfügung stehen und dass die Initiativen im Rahmen der Jugendberufshilfe fortgesetzt werden.

Außerdem werden zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze für benachteiligte Jugendliche mit einem deutlich höheren Zuschuß als solche für normal leistungsstarke Jugendliche gefördert (6.000,- Deutsche Mark gegenüber ansonsten 2.500,- bis 3.500,- Deutsche Mark).

Zu 6.: Im Rahmen der Förderung zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze durch das Thüringer Ministerium für Wirtschaft und Infrastruktur werden junge Frauen mit einem um 1.000,- Deutsche Mark höheren Zuschuß als junge Männer gefördert. Der Zuschuß für Mädchen bzw. junge Frauen beträgt 3.500,- Deutsche Mark und für Jungen 2.500, Deutsche Mark.

Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen von Mädchen und jungen Frauen konzentriert sich größtenteils auf wenige Ausbildungsberufe (Anlage 5).

Insgesamt ist die Situation für weibliche Bewerber deutlich schwieriger. Es ist allerdings nach Auskunft der Berufsberatungen der Arbeitsämter nicht zu erwarten, dass durch eine verbesserte Förderung, z. B. für Plätze für Mädchen in gewerblich-technischen Berufen, eine bessere Inanspruchnahme des gesamten Ausbildungsspektrums durch diese Personengruppe erreicht wird, da dies nicht vorrangig vom Angebot, sondern insbesondere vom Nachfrageverhalten geprägt ist. In den außerbetrieblichen Maßnahmen, die insbesondere kaufmännische- und Dienstleistungsberufe abdecken, sind Mädchen überproportional vertreten. Hinsichtlich des Übergangs in Ausbildung ist eine differenzierte Darstellung mit geschlechtsspezifischer Auswertung als Anlage 6 beigefügt.

Zu 7.: Nach Auskunft der Berufsberatungen der Arbeitsämter in Thüringen ist eine ständig steigende Zahl von sogenannten Konkurslehrlingen nicht generell feststellbar. Im Bereich der Bauwirtschaft gab es in den vergangenen Monaten verstärkt Probleme.

In der Regel gelingt es im Zusammenwirken der Arbeitsämter und der Kammern und mit Hilfe des Zuschusses bis 9.000,- Deutsche Mark aus dem Förderprogramm des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft und Infrastruktur, eine neue betriebliche Ausbildungsstelle zu finden.

Die Landesregierung bzw. das Thüringer Ministerium für Wirtschaft und Infrastruktur hat diesen Fördersatz von 6.000,- Deutsche Mark auf 9.000,- Deutsche Mark im Februar 1996 verbessert sowie Gespräche mit den Kammern aufgenommen, um im Bedarfsfall rechtzeitig weitere Maßnahmen ergreifen zu können.

Zu 8.: Die Landesregierung hält zur Zeit eine gesetzliche Regelung zur Umlagefinanzierung nicht für den geeigneten Weg, um das Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen zu verbessern. Die Landesregierung hält deshalb z. Z. positive

Anreiz-Systeme für den erfolgversprechenderen Weg, wie z. B. Honorierung von Ausbildung im Rahmen der Wirtschaftsförderungsprogramme (Gemeinschaftsaufgabe, Landesinvestitionsprogramm), steuerliche Anreize, betriebliche Förderprogramme usw.

Eine gesetzliche Umlageregelung würde zu einer deutlichen Erhöhung der Kostenbelastung der Wirtschaft führen und damit weitere Standortnachteile mit sich bringen, auch wenn eventuell eigene Ausbildungsleistungen der Betriebe abgezogen werden könnten. Dies könnte zu einer Gefährdung bestehender Arbeitsplätze führen.

Außerdem wurde die betriebliche Ausbildungsleistung in Thüringen seit 1992 bis 1995 um rund 30 Prozent gesteigert, ohne eine Umlagefinanzierung, die sicherlich nicht deutlich mehr Plätze gebracht hätte.

Die Ausbildung über Bedarf bzw. zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze werden derzeit aus Landesmitteln und Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert, ebenso betriebliche Ausbildungsverbünde. Hinsichtlich einer Finanzierungsumlage oder eines Lastenausgleichs vertritt die Landesregierung die Auffassung, dass sich die einzelbetriebliche Finanzierung der Berufsausbildung im dualen System bewährt hat, auch wenn in wirtschaftlich schwierigen Zeiten das betriebliche Angebot durch gezielte staatliche Förderprogramme unterstützt wird. Bei einer gesetzlich geregelten Umlagefinanzierung würden die Nachteile überwiegen. Es würden keine neuen, zusätzlichen Ausbildungsplätze geschaffen.

Ein solches System wäre aufgrund branchenspezifischer Unterschiede, der Tatsache, dass viele Unternehmen nicht die Ausbildungsvoraussetzungen erfüllen, der unterschiedlichen Lohnintensität und des immensen bürokratischen Aufwands bildungs- und wirtschaftspolitisch nicht sinnvoll.

Zudem würde nicht mehr am künftigen Fachkräftebedarf bzw. arbeitsmarktorientiert ausgebildet, sondern entsprechend bürokratisch festgelegter Quoten und der Mittelvergabe. Außerdem bestünde die Gefahr, dass einige Betriebe versuchen könnten, sich über die Umlage freizukaufen.

Soweit allerdings auf tarifrechtlicher Ebene freiwillige Modelle vereinbart werden, die dann auch die branchenspezifischen Anforderungen erfüllen, steht die Landesregierung solchen Initiativen aufgeschlossen gegenüber.

Zu 9.: Jugendlichen, insbesondere benachteiligten Jugendlichen, sollte nach einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung, nach einer Orientierungs- oder Suchphase eine berufliche Integration in den regulären Arbeitsmarkt oder den öffentlich geförderten Arbeitsmarkt ermöglicht werden. Eine Arbeitsplatzgarantie bei Ausbildungsbetrieben dürfte in Anbetracht der realen Verhältnisse und der allseitigen Bemühungen um mehr Ausbildungsplätze bzw. zusätzliche Ausbildungsplätze über den Eigenbedarf hinaus eher kontraproduktiv wirken. Für die außerbetriebliche Ausbildung wäre ein solches Vorhaben ohnehin ohne Bedeutung.

Im Falle der Arbeitslosigkeit im Anschluß an eine erfolgreiche Berufsausbildung wird bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes die Hälfte des Arbeitsentgeltes zugrundegelegt, das der arbeitslose Jugendliche im Falle einer Beschäftigung hätte erzielen können, mindestens aber das Arbeitsentgelt aus dem Ausbildungsverhältnis (§ 112 Abs. 5 Nr. 2 AFG).

Das volle Arbeitsentgelt wäre erst nach einer mindestens 6monatigen Anschlußbeschäftigung maßgeblich. Insoweit ist an die Betriebe, denen dies möglich ist, zu appellieren, zumindest eine Beschäftigungsmöglichkeit zu bieten.

Zur Unterstützung der beruflichen Eingliederung werden deshalb aus Landesmitteln und Mitteln des Europäischen Sozialfonds Einstellungsbeihilfen für arbeitslose Personen unter 25 Jahren im Anschluß an eine berufliche Erstausbildung gewährt.

Die Fördervoraussetzung einer 6monatigen Sucharbeitslosigkeit, die ansonsten erfüllt sein muß, entfällt bei Benachteiligten und Schwerbehinderten.