Krebs erregende PAK im Trinkwasser durch mit Teer ausgekleidete Wasserrohre

Durch den Bericht des ARD-Magazins PLUSMINUS vom 16. September 2000 ist bekannt geworden, dass Wasserleitungen aus den 60er- und 70er-Jahren mit Teer ausgekleidet wurden, um Rost zu verhindern. Diese Leitungen geben als Krebs erregend erkannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) ab.

Vorbemerkung der Sozialministerin:

Es ist richtig, dass Rohrhersteller bis Anfang der 70er-Jahre Trinkwasserrohre aus Grauguss bzw. duktilem Guss aus Korrosionsschutzgründen mit einer so genannten Tauchteerung versahen. Zur Tauchteerung wurde Steinkohleteer verwendet. Seit etwa 1973 wird bei Rohren aus duktilem Guss die bis heute übliche Innenausschleuderung mit Zementmörtel durchgeführt. Die Verlegung tauchgeteerter Trinkwasserrohre entsprach damals den geltenden technischen Normen.

Die Möglichkeit der Freisetzung von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen aus diesen Rohren wird seit Beginn der 90er-Jahre in der Fachwelt und in der Öffentlichkeit diskutiert. So hat der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) bereits 1993 seine Mitgliedsunternehmen auf diese Problematik hingewiesen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass in der Regel bei einem normalen Betrieb der Wasserversorgung keine nennenswerten PAK-Freisetzungen stattfinden, da die im Laufe der Jahre entstandenen physikalisch-chemischen Schutzschichten (Inkrustationen z. B. aus Kalk oder Eisenoxid) oder Biofilme eine Freisetzung verhindern. Bei bestimmten extremen Netzbedingungen wie starken Druckschwankungen, Änderung der Wassereigenschaften, Umkehrung der Fließrichtung oder nicht sachgemäßer Inbetriebnahme nach längerer Stagnationszeit konnten jedoch PAK in erhöhten Konzentrationen nachgewiesen werden.

Das DVGW-Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe untersucht in einem mehrjährigen Forschungsvorhaben, bei welchen Betriebsbedingungen und bei welchen Wasserqualitäten derartige Freisetzungen stattfinden können.

Dabei werden insbesondere auch die Bildung und die Wirkung der Schutzschichten untersucht. Nach Auskunft des DVGW wird das Forschungsprojekt voraussichtlich 2002 abgeschlossen sein.

Zur Substanzgruppe der PAK gehören mehrere Hundert Einzelstoffe, von denen bisher nur ein kleiner Teil auf seine biologische Wirksamkeit, insbesondere auf seine Kanzerogenität, untersucht wurde. Gleichwohl gilt eine Reihe von PAK als krebserzeugend, wobei das kanzerogene Potenzial der Einzelsubstanzen sehr stark variieren kann (als hochkarzinogen bekannt ist z. B. Benzo-[a]-pyren). Die Trinkwasserverordnung schreibt einen Grenzwert von 0,2 µg/l als Summenwert für sechs Leitsubstanzen vor. Mit der Novelle der Trinkwasserverordnung wird ab 1. Januar 2003 der Grenzwert am 22. Juni 2001 · Ausgegeben am 3. Juli 2001 dings auf einer geänderten Bewertungsbasis) auf 0,1 µg/l herabgesetzt.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten wie folgt:

Frage 1. In welchen Kommunen und durch welche Wasserversorger sind in Hessen noch mit Teer ausgekleidete Wasserrohre verlegt?

Die Frage lässt sich ohne aufwendige Überprüfung des gesamten Rohrnetzsystems nicht abschließend beantworten. Aufgrund verbandseigener Umfragen geht der DVGW Hessen davon aus, dass die hessischen Wasserversorgungsunternehmen ca. 1 v.H. des Gesamtrohrnetzes mit Wasserrohren betreiben, die teerhaltige Innenbeschichtungen enthalten. Gleichwohl besitzen die Landesgruppen Hessen des Bundesverbandes der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft e.V. (BGW) und des DVGW keinen flächendeckenden Überblick über die Verwendung tauchgeteerter Rohre in der Trinkwasserversorgung.

Die hessischen Gesundheitsämter haben aus Anlass der vorliegenden Kleinen Anfrage das Vorhandensein von mit Teer ausgekleideten Rohren noch einmal bei allen Wasserversorgungsunternehmen abgefragt. Die Antworten sind sehr uneinheitlich ausgefallen. Ein Teil der Wasserversorger bestätigt die Verlegung der fraglichen Rohre, ein Teil schließt das Vorhandensein nicht aus, ein weiterer Teil sieht sich nicht in der Lage, entsprechende Angaben zu machen, und ein vierter Teil schließt definitiv für das Versorgungsgebiet tauchgeteerte Rohre aus.

Frage 2. Finden regelmäßig Messungen von PAK im Trinkwasser statt, und was sind die Ergebnisse?

PAK müssen nach der Trinkwasserverordnung regelmäßig gemessen werden.

Bei diesen vorgeschriebenen Untersuchungen, die jedoch in der Regel vor der Abgabe des Wassers in das Ortsnetz erfolgen, sind erwartungsgemäß keine Grenzwertüberschreitungen bekannt geworden.

Entscheidender sind Aussagen über im Netz gezogene Proben. Sehr viele Kommunen und Wasserversorgungsunternehmen haben insbesondere nach der Berichterstattung im letzten Jahr gesonderte PAK-Untersuchungen im Ortsnetz veranlasst. Alle diese Untersuchungen ergaben nach Auskunft der Gesundheitsämter bis auf zwei Sonderfälle keine Grenzwertüberschreitungen.

In Gebiet der Wasserversorgung der Stadt Limburg wurden bereits 1997 mithilfe eines umfangreichen Messprogramms kritische Rohrleitungsabschnitte definiert. Hier waren Sanierungsmaßnahmen erforderlich, die unter anderem auch den Austausch von Leitungsrohren beinhalteten.

Im Gebiet der Wasserversorgung der Stadt Wiesbaden finden jährlich Kontrollmessungen statt, die auch den Wassertransport durch geteerte Leitungen berücksichtigen. PAK waren bei diesen Messungen bisher nicht nachweisbar.

Daneben wurden in Wiesbaden mehrere Sondermessprogramme zur PAKProblematik durchgeführt. Bei diesen Messungen wurden zunächst außergewöhnliche Betriebsbedingungen simuliert (siehe oben) und dann umfangreiche Untersuchungen im Rohrnetz (an Hydranten) und in den jeweils korrespondierenden Hauseinspeisungen durchgeführt. Hierbei konnten PAKBelastungen, teilweise auch über dem Grenzwert der Trinkwasserverordnung, an den Hydranten nachgewiesen werden, während in den parallel beprobten Hausinstallationen PAK nicht oder nur in Spuren, in jedem Fall aber deutlich unter dem Grenzwert, gefunden wurden.

Frage 3. Wie schätzt die Landesregierung diese Ergebnisse hinsichtlich gesundheitlicher Auswirkungen auf die Bevölkerung ein?

Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass das Ausmaß der Herauslösung polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe aus mit Teer beschichteten Rohren nicht so besorgniserregend ist wie ursprünglich befürchtet. Das beweisen auch die vielen diesbezüglichen Untersuchungen. Darüber hinaus hat sich häufig herausgestellt, dass in den Fällen, in denen PAK nachgewiesen werden konnten, Fluoranthen mengenmäßig die Hauptrolle spielt. Fluoranthen gilt nicht als krebserregend.

Dennoch darf das potenzielle Risiko durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, auch vor dem Hintergrund der künftigen Grenzwertherabsetzung, nicht ignoriert werden. Mit In-Kraft-Treten der neuen Trinkwasserverordnung werden Proben im Netz und beim Verbraucher routinemäßig zu ziehen sein, sodass künftig bessere Aussagen über sanierungsbedürftige Netzabschnitte möglich sein werden. Auch wird der relativ unkritische Stoff Fluoranthen nicht mehr in den Summenparameter der PAK eingehen, während das hochkarzinogene Benzo-[a]-pyren gesondert mit einem Grenzwert von 0,01 µg/l versehen wird. Dort, wo diese neuen Grenzwerte nicht eingehalten werden können, müssen zwangsläufig Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Die Landesregierung geht jedoch davon aus, dass solche Sanierungsmaßnahmen Ausnahmefälle bleiben werden.