Gedenkstättenkonzeption in Buchenwald

Geschäftsstelle des Thüringer Landesbeauftragten zur gegenseitigen Information über aktuelle Anlässe. Aus dem ursprünglichen Gedanken, die Opferverbände zu unterstützen, zu gemeinsam interessierenden Themen gleichen Informationsstand herbeizuführen und daraus und ein gemeinsames Vorgehen abzuleiten wurde eine feste Einrichtung.

An den Beratungen nehmen Vertreter folgender Verbände teil:

· Bund der Zwangsausgesiedelten e.V.

· Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS),

· Opfer des Stalinismus Thüringen e.V.

· Bund der Stalinistisch Verfolgten (BSV),

· Bürgerkomitee Thüringen e.V.,

· Initiativgruppe Buchenwald 1945-50 e.V.,

· der Häftlingsbeirat der Gedenkstätte Buchenwald.

Es sind vor allem zwei Themen, die immer wieder von den Opferverbänden akzentuiert werden:

1. Ein Themenkomplex, der die Mitglieder der Thüringer Opferverbände vor allem beschäftigt, ist die Rehabilitierung und Wiedergutmachung von erlittenem Unrecht in der Zeit von 1945 bis 1990. Deshalb wurde gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung am 04.05.96 eine Informationstagung durchgeführt, um die juristische Aufarbeitung, die Rehabilitierungs- und Wiedergutmachungssituation in Thüringen von der Seite der Gerichte und des Landesamtes für Rehabilitierung und Wiedergutmachung in Hildburghausen darzustellen. Der Stand der gesetzlichen Möglichkeiten wurde von den Betroffenen auch auf dieser Veranstaltung als unzureichend bezeichnet.

Die Mängel in den Reha-Gesetzen, die von den Betroffenen immer wieder genannt werden, können kurz wie folgt zusammengefaßt werden:

· eine höhere Kapitalentschädigung pro Haftmonat wird gefordert,

· die Haftschwere findet in den Reha-Gesetzen keine Beachtung,

· Verdienst- und Arbeitsausfall des Inhaftierten werden nicht beachtet,

· die Anerkennung von psychischen Haftfolgeschäden ist problematisch,

· die Betroffenen sind unzufrieden mit dem Arbeitstempo des Landesamtes in Hildburghausen; deshalb wird ein gemeinsames Gespräch der Vertreter der Opferverbände mit dem Amtsleiter des Amtes für Rehabilitierung und Wiedergutmachung in Hildburghausen beim Landesbeauftragten angestrebt, wenn der neue Leiter berufen ist, um bestehende Unstimmigkeiten abzubauen,

· die Zwangsausgesiedelten mahnen immer wieder die schlechte Gesetzessituation bei ihrer Entschädigung an,

2. Der Streit um die Gedenkstättenkonzeption in Buchenwald, zwei Diktaturen an einem Ort darzustellen und beider Opfergruppen zu gedenken

Der Streit um die Gesamtkonzeption für das KZ und (nach 1945-1950) des Speziallagers 2 in Buchenwald durchzieht alle Treffen wie ein Dauerbrenner. Am 11.06.1996 wurde den Vertretern der Opferverbände in einem gemeinsamen Gespräch mit dem Abteilungsleiter des Ministeriums für Forschung und Kultur, Herrn Dr. Lettmann, Gelegenheit gegeben, um die bestehenden Dissonanzen zu äußern und nach einem gemeinsamen Weg zu suchen.

Die Problematik um die Speziallager war lange Zeit totgeschwiegen worden. Als 1990 die Existenz eines Speziallagers 2 in Buchenwald endlich wieder offen benannt werden konnte, bestand weitestgehend Einigkeit, mit Sensibilität und gegenseitiger Toleranz gemeinsam bei der Neukonzipierung der Gedenkstätte Buchenwald vorzugehen.

Das Vertrauen der Thüringer Opferverbände an einer gemeinsamen Konzeption wurde aber vernichtet, als die Gedenkstättenleitung mehr und mehr begann, das Thema Speziallager als Sonderthema aus der allgemeinen Gedenkstättenkonzeption auszuklammern und dafür einen gesonderten Rahmen zu bilden.

Der Häftlingsbeirat sah sich nur ungenügend in die Konzeption einbezogen und die Gedenkstättenleitung ging seiner Meinung nach zu wenig auf Vorschläge der ehemaligen Häftlinge ein.

Unmittelbarer Stein des Anstoßes war zum einen die Tatsache, dass das Dokumentenhaus außerhalb des Lagers errichtet wird und durch einen Zaun vom Lager abgetrennt werden soll, so dass es von Besuchern nicht unmittelbar erreicht werden kann.

Wegen Unstimmigkeiten über geschichtsinterpretierende Elemente war 1995 Baustopp verfügt worden. Entgegen der ursprünglich auch vom Häftlingsbeirat mitgetragenen 2.

Bauvariante hatte die Gedenkstättenleitung ohne erneute Befragung der Beteiligten die Konzeption geändert.

Neben der lokalen und baulichen Dissonanz ging der Streit vor allem auch darum, wer im Speziallager war und warum er dort inhaftiert wurde. Anders gesagt: Waren im Speziallager nur Nazis interniert? Oder fand an diesem Ort schon die (erste) Stalinistische Säuberung statt?

Nach Meinung der Opferverbände führten ungenügende Recherchen zu anzuzweifelnden Ergebnissen. Die wahrheitsgemäße historische Darstellung anhand der wenigen bisher ausgewerteten Akten wird hinterfragt; denn etliche Dokumente sollen in Spezialarchiven lagern und damit dem Zugriff immer noch entzogen sein. Auch konnten nur noch wenige Zeitzeugen befragt werden.

Aus all diesen Gründen könnten jetzt noch keine abschließenden Aussagen darüber getroffen werden, wer in die Speziallager verbracht wurde und warum. Nicht zuletzt stehen deshalb öffentlich geäußerte Aussagen des Gedenkstättenleiters dazu in der Kritik der Verbände.

Der Gebrauch des Begriffes Funktionsträger des NS-Regimes für ehemalige Internierte trifft nach Meinung der Opferverbände nicht zu und sei zu oberflächlich gewählt. Ist denn ein Jugendlicher, der in der HJ oder bei den Wehrwölfen war, auch Funktionsträger des NSRegimes? Nicht zuletzt führte die Auseinandersetzung dazu, dass Vertreter der Opferverbände zu Rechtsextremisten und Verherrlichern des NS-Regimes disqualifiziert wurden.

Der Eklat bei der öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission am 14.10.96 in Weimar zum Thema Buchenwald machte deutlich, wie tief der Graben zwischen der und der Stalinismus-Opfergruppe ist.

Aber damit Thüringen die Chance der Darstellung und Aufarbeitung zweier deutscher Diktaturen (jeweils im Unterschied und in der Übereinstimmung der menschenverachtenden Mechanismen) an diesem Ort nicht vertut, darum bemüht sich der Landesbeauftragte auch weiterhin.

6. Historische Aufarbeitung und politisch-historische Öffentlichkeitsarbeit

Eigene Beiträge zur Aufarbeitung

Eine eigene Forschungstätigkeit kann von einer Behörde des Landes im Grunde kaum betrieben werden. Dennoch kommt der Landesbeauftragte nicht um eigene Recherchen in den und Thüringer Landesarchiven umhin, will er eine politische Bildungstätigkeit zu oftmals noch gar nicht oder nur wenig aufgearbeiteten Themen der jüngsten Vergangenheit betreiben. Dabei zeigte sich Aufarbeitungsbedarf sowohl unmittelbar aus der vorgenannten Beratungstätigkeit sowie auch aus direkten Anfragen für die Vortragsund Bildungstätigkeit heraus.

Vor diesem Hintergrund beschäftigte sich die Behörde mit zahlreichen Detailfragen der - der Einbettung der inoffiziellen Arbeit, der Praxis gegenüber Ausreiseantragstellern, den Isolierungslagern, den im Grenzbereich, der Rolle des als strafrechtliche DDR-Ermittlungsstelle, der Kategorisierung und Weiterverarbeitung von

Einzelinformationen durch das dem Umgang mit Jugendlichen, den konspirativen u. dgl. Derzeit kann eingeschätzt werden, dass der Stand der Aufarbeitung zum selbst dem Gros der an den Landesbeauftragten gerichteten Fragen und Wünsche entsprechen kann und dies in Parallelität zum Sachakten-Erschließungsstand des Bundesbeauftragten.

Diese Einschätzung kann jedoch für die Erfordernisse an Aufarbeitung nicht im Ganzen getroffen werden. Das hat folgende Ursache: Aus dem Verständnis der Aufarbeitung seitens des Landesbeauftragten - und in Ergänzung auch der Erfordernisse für die Tätigkeit der Behörde - ist eine auf die Institution beschränkte politische Aufarbeitung der DDRVergangenheit Thüringens unzureichend und unangepaßt. Bereits im letzten Tätigkeitsbericht wurde ausgeführt, dass die Beschäftigung mit der Geschichte eigentlich auch nur dort erfolgen kann, wo sie unmittelbar erlebt wurde, in den Städten, Kreisen und Dörfern des Landes Thüringen. Und dies weitergeführt: nur so erfolgen kann, wie sie dort erlebt wurde - nämlich im Zusammenspiel der verschiedenen regionalen und lokalen Machtinstrumente.

Vor diesem Hintergrund wurden 1996 Recherchen im Stadtarchiv Jena exemplarisch für die Arbeitsweise eines Rates der Stadt angestellt. Dafür wurden von Behördenmitarbeitern ca. 50 Akteneinheiten eingesehen. Besonderes Augenmerk wurde auf die Struktur, Themen und Methoden der Abteilung Innere Angelegenheiten des Rates der Stadt als SEDherrschaftssicherndem örtlichen Organ gelegt.

Parallel und (aufgrund der Quellenmöglichkeiten) umfangreicher angelegt sind die derzeit noch erfolgenden Recherchen über die Arbeitsweise des Rates des Bezirkes Suhl (im Staatsarchiv Meiningen). Auch sie werden in die mittelfristige Publikationstätigkeit des Landesbeauftragten einfließen.

Derzeit in Bearbeitung befinden sich noch zwei langfristige Forschungsanträge :

1. über die letzte Tätigkeitsphase des dessen Handlungsstrategien in Thüringen ab Januar 1988 und das Ende des politischen Systems und seines Bestandteils, dem (in dessen Rahmen bereits über 2000 Blatt in den Dokumentenbestand übernommen wurden) sowie

2. über die Arbeitsweise des im Bereich der Ermittlung und Strafverfolgung für die politische Justiz der DDR, speziell in den Regionen Thüringens (ein Antrag, der auf Grund datenschutz-rechtlicher Bedingungen sehr stark auf den Sachaktenbestand des Bundesbeauftragten angewiesen ist).

Weitere noch laufende (in der Wartefrist stehende) Anträge der Behörde an den Bundesbeauftragten wurden zu folgenden Themen gestellt: Die Abteilung XI (Chiffrierwesen) des die Arbeitsweise einer Grenzkreisdienststelle (Meiningen / Sonneberg), das Menschenbild des in Theorie und Praxis und die eines hauptamtlichen leitenden Projektförderung für Bürger, Vereine und Forschung

Neben selbständiger Aufarbeitung und Veröffentlichung unterstützt der Landesbeauftragte Projekte Dritter, die sich mit regionaler historischer Aufarbeitung befassen. Es besteht Kontakt zu Vereinen, die sich mit der Aufarbeitung der DDR-Geschichte befassen. Der Landesbeauftragte unterstützt das Bürgerkomitee Thüringen sowie die Geschichtswerkstatt Jena - zwei außerakademische Initiativen, die sich sehr intensiv mit Themen der Aufarbeitung politischer DDR-Vergangenheit anhand von Archivmaterialien beschäftigen.

Das genannte Themenfeld wird nach Kenntnis des Landesbeauftragten von der akademischen Forschung der Geschichte, Politik- und Sozialwissenschaften im Verhältnis etwa zu Themen der deutschen Geschichte vor 1945 zu wenig bearbeitet, was keineswegs einen ausreichenden Grund in einer nach dem Archivgesetz zu beschränkten Zugangsmöglichkeit zu den Quellen haben kann. Die Debatte um die politischen Mechanismen, den Formen der Maßregelung von Bürgern ist so selten, dass es kaum zu Kontroversen in der Einschätzung der DDR-Diktatur in Thüringen kommt, wie dies etwa der Fall im Umfeld der Nutzer der zentralen DDR-Archivbestände in Berlin ist.