Neuregelung der Vergabe von Abschleppaufträgen sei unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten nicht vertretbar

90 Der Rechnungshof hat dem Thüringer Innenministerium mitgeteilt, die o. a. Richtlinie sei nicht mit § 55 LHO vereinbar, wonach dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen grundsätzlich eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen müsse. Durch die Anweisung, ausschließlich die Abschleppzentrale mit dem Abschleppen und Verwahren von Fahrzeugen zu beauftragen, sei mangels vorheriger Ausschreibung dieser Leistungen der freie Wettbewerb, wie ihn § 1 Abs. 1 VOL/A vorschreibe, ausgeschaltet worden. Unabhängig davon werde der Wettbewerb zusätzlich dadurch eingeschränkt, dass nicht der Abschleppzentrale angeschlossene Abschleppdienste bei der Auftragsvergabe unberücksichtigt blieben. Das Ministerium solle daher umgehend eine Ausschreibung der Abschleppleistungen durchführen, an der sich der fragliche Verein neben anderen Bewerbern beteiligen könne, die jeweils wirtschaftlichsten Anbieter für die entsprechende Region auswählen und die genannte Richtlinie entsprechend ändern.

Weiter hat der Rechnungshof darauf hingewiesen, die seit Mai 1995 gültige Neuregelung der Vergabe von Abschleppaufträgen sei unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten nicht vertretbar. Die vom Rechnungshof geprüfte Polizeidirektion habe im Jahr 1998 ­ unter großzügiger Auslegung einer Ausnahmeregelung der fraglichen Richtlinie ­ Abschleppaufträge ohne Einschaltung der Abschleppzentrale direkt an Abschleppunternehmen erteilt und damit Einsparungen in Höhe von mehr als 45 TDM gegenüber dem Vorjahr erzielt. Trotz dieser erheblichen Kostenersparnis habe das Innenministerium die Polizeidirektion aber angewiesen, Abschleppaufträge ­ mit Ausnahme von Fällen einer gebotenen besonderen Verwahrung ­ wieder ausschließlich an die Abschleppzentrale zu vergeben.

Im Übrigen hat der Rechnungshof dem Ministerium mitgeteilt, es sei nicht zu erkennen, dass das mit der neuen Regelung verfolgte Ziel erreicht werde, den Polizeivollzugsdienst von sachfremden Aufgaben zu entlasten. Zum einen mache es für den Vollzugsdienst keinen Unterschied, ob er die ihm übermittelten Abschleppaufträge direkt an den nächstgelegenen Abschleppdienst oder an die Abschleppzentrale weiterleite. Zum anderen entstünden gerade durch die Vergabe der Aufträge an die Abschleppzentrale negative zeitliche und finanzielle Effekte. Einerseits werde die Auftragserledigung durch die nunmehr vorgeschriebene Zwischenstation Abschleppzentrale zeitlich verzögert. Andererseits entstünden, weil für jede Abschleppmaßnahme eine Vermittlungsgebühr zu zahlen sei, in jedem Einzelfall zusätzliche Kosten.

91 Das Ministerium hat in seiner Stellungnahme ausgeführt, die Frage einer Ausschreibung der Abschleppaufträge sei nach einer erfolgreich abgeschlossenen Pilotierungsphase im Jahr 1997 überprüft worden.

Dabei habe sich ergeben, dass eine Ausschreibung nur für hoheitliche Abschleppaufträge, die von der Polizei selbst zu bezahlen sind, erfolgen könne, nicht aber für solche Aufträge, die von der Polizei auf Bitte und im Auftrag der Fahrzeugführer erteilt würden. Da das kalkulierte Auftragsvolumen je Unternehmen in diesem Jahr nur ca. 8 TDM betragen habe, sei von einer Ausschreibung abgesehen worden.

Zwischenzeitlich habe sich gezeigt, dass die Abschleppaufträge in regional unterschiedlicher Anzahl anfielen. Daher werde nunmehr zunächst eine Ausschreibung für Abschleppleistungen in Ballungsräumen und im Bereich der Bundesautobahnen in Erwägung gezogen.

Damit würden derartige Abschleppaufträge nicht mehr über die Abschleppzentrale vermittelt. Die Vermittlung der Aufträge, die von Kraftfahrern direkt erfolge, solle aber bei der Zentrale verbleiben.

Zum Wirtschaftlichkeitsvorteil der bis April 1995 geltenden Regelung

­ direkte und eigenständige Vergabe der Abschleppaufträge ­ bei der vom Rechnungshof geprüften Polizeidirektion hat das Ministerium mitgeteilt, die erheblichen Preisunterschiede zwischen den Ab88 schleppmaßnahmen dieser Polizeidirektion und denen anderer Direktionen hätten ihre Ursache in den unterschiedlichen regionalen Strukturen der Polizeibehörden. Im Übrigen seien die erwähnten Einsparungen der fraglichen Polizeidirektion im Jahre 1998 vor dem Hintergrund eines Rückganges der Fallzahlen von rund 34 v. H. gegenüber 1997 zu sehen. Zudem lägen die von dieser Polizeidirektion ermittelten Preise für Abschleppleistungen weit unter den in allen anderen Polizeidirektionen anfallenden Durchschnittswerten.

Eine Entlastung der Polizei im Zusammenhang mit der Abwicklung aller Abschleppvorgänge durch die Abschleppzentrale sei sehr wohl eingetreten. Sie beschränke sich nicht nur auf die erforderlichen Telefonate zur Auswahl des Unternehmens, sondern bestehe auch im Fortfall der Pflege des Datenbestandes, der Prüfung der Unternehmen auf Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen usw.

Die von der Abschleppzentrale berechnete Vermittlungsgebühr sei Teil der Gesamtkosten der Abschleppleistung und werde mit Kostenbescheid zurückgefordert bzw. als Auslagenvormerkung in Strafverfahren behandelt. Diese Aufwendungen würden daher dem Landeshaushalt wieder zugeführt.

92 Der Rechnungshof hat zur Kenntnis genommen, dass das Ministerium nunmehr wenigstens eine Ausschreibung von Abschleppleistungen in bestimmten Gebieten erwägt. Er bleibt aber bei seiner Auffassung, dass es notwendig ist, die fraglichen Leistungen für die Fälle, in denen das Land Auftraggeber ist, nicht nur in Ballungsräumen, sondern für alle Regionen auszuschreiben. Die Richtlinie über das Abschleppen und Verwahren von Fahrzeugen, nach der grundsätzlich die Abschleppzentrale mit dem Abschleppen und Verwahren von Fahrzeugen zu beauftragen ist, muss daher geändert und den Bestimmungen des § 55 LHO angepasst werden.