Abbau der Fehlbelegung Am 01011995 ist § 17a Krankenhausfinanzierungsgesetz KHG in Kraft getreten

11.23 Einsicht des MDK in Krankenhausakten

Im Berichtszeitraum wurde ich mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen die Krankenhäuser befugt bzw. verpflichtet sind, den Krankenkassen bzw. dem MDK Krankenunterlagen zu Prüfzwecken zur Verfügung zu stellen.

Abbau der Fehlbelegung

Am 01.01.1995 ist § 17a Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in Kraft getreten. Darin wird bestimmt, dass die Krankenkassen insbesondere durch gezielte Einschaltung des MDK daraufhin hinwirken, dass Fehlbelegungen (Patienten liegen unnötig oder unnötig lange im Krankenhaus) vermieden und bestehende Fehlbelegungen zügig abgebaut werden. Zu diesem Zweck darf der MDK Einsicht in die Krankenunterlagen nehmen. Nicht von § 17a KHG gedeckt sind sogenannte Stichtagserhebungen, bei denen an einem bestimmten Tag durch Mitarbeiter des MDK landesweit in allen Krankenhäusern die Krankenakten von sämtlichen Patienten geprüft werden, die an einem bestimmten Tag stationär behandelt worden waren. Das KHG enthält außer der Verpflichtung zur gezielten Einschaltung des MDK keine näheren Bestimmungen, unter welchen Bedingungen der MDK Krankenunterlagen einsehen bzw. anfordern kann. Solche Regelungen sind in den §§ 275 ff. SGB V enthalten. Bereits aus der Formulierung gezielte Einschaltung des MDK in § 17a Abs. 2 KHG ist zu entnehmen, dass keine flächendeckende allgemeine Prüfung von Krankenunterlagen durch den MDK möglich ist, sondern in Anlehnung an die Regelungen der §§ 275, 276 SGB V und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur eine fallbezogene Prüfung in begründeten Einzelfällen vorgenommen werden darf.

Die Landeskrankenhausgesellschaft übergab mir Mitte 1997 den Entwurf einer Vereinbarung zwischen den Verbänden der Krankenkassen und der Landeskrankenhausgesellschaft nach § 112 Abs. 1 SGB V zur Prüfung.

Darin sollte ein Verfahren zur Konkretisierung der gezielten Einschaltung des MDK nach § 17a KHG festgelegt werden. Da es sich bei den Krankenunterlagen um solche Daten handelt, die der ärztlichen Schweigepflicht (§ 2 Berufsordnung der Landesärztekammer Thüringen/§ 203 unterliegen, bedarf die Einsichtnahme und Weitergabe dieser Daten einer gesetzlichen Grundlage. Der Landeskrankenhausgesellschaft habe ich mitgeteilt, daß eine Vereinbarung nach § 112 SGB V keinen Gesetzesrang hat und damit keine Befugnis zur Offenbarung von Patientendaten an den MDK darstellen kann. Maßstab hierfür können die §§ 275 und 276 SGB V sein. Allerdings ist eine solche Vereinbarung geeignet, Kriterien aufzustellen, bei welchen Konstellationen im Einzelfall anlaßbezogen Einsicht in Krankenunterlagen durch den MDK genommen werden soll. Sofern die Prüfergebnisse im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen für zukünftige Zeiträume von Bedeutung sind, dürfen diese Angaben ausschließlich in anonymisierter Form verwendet werden. Die Landeskrankenhausgesellschaft hat meine Anregungen weitgehend übernommen. Allerdings bestand von den Kassen zunächst keine Bereitschaft, eine derartige Vereinbarung abzuschließen. Vielmehr wurde der MDK von den Kassen beauftragt, in einigen Thüringer Krankenhäusern Fehlbelegungsprüfungen durchzuführen. Die Prüfungen wurden zwischenzeitlich ausgesetzt. Zwischen den Kassen und der Landeskrankenhausgesellschaft wird derzeit über den Abschluß einer Rahmenempfehlung verhandelt, die das Verfahren zur Prüfung der Erforderlichkeit von stationärer Behandlung in Thüringer Krankenhäusern festlegen soll.

Überprüfung im Rahmen der Abrechnung

Im Rahmen der Abrechnung der Krankenhausleistungen mit den Krankenkassen ist derzeit häufig streitig, ob die abgerechnete Leistung tatsächlich erforderlich war bzw. in der entsprechenden Form erbracht worden ist. In diesen Fällen beauftragen die Krankenkassen den MDK, eine gutachterliche Stellungnahme abzugeben. Die Kassen fordern das Krankenhaus auf, z. B. Operations- und Krankenhausentlassungsberichte in den jeweiligen Fällen dem MDK zur Begutachtung zu übersenden. Von einem Thüringer Krankenhaus wurde diese Praxis als nicht rechtmäßig angesehen. MDK und Krankenhaus haben mich um eine Stellungnahme zur Auslegung des § 275 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V gebeten. In dieser Vorschrift wird bestimmt, dass die Krankenkassen verpflichtet sind, wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzung, Art und Umfang der Leistung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einzuholen. Ist der MDK von der Krankenkasse beauftragt, so sind die Leistungserbringer und damit auch die Krankenhäuser nach § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V verpflichtet, Sozialdaten auf Anforderung des Medizinischen Dienstes unmittelbar an diesen zu übermitteln, soweit dies für die gutachtliche Stellungnahme und Prüfung erforderlich ist. Das Krankenhaus argumentierte, dass die Voraussetzungen des § 275 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V bei Erbringung von Leistungen keinesfalls eine Rechnungsprüfung nach Abschluß der Behandlung beinhalten könne. Damit entfalle die Rechtsgrundlage für die Übermittlung von Patientendaten und einer Übermittlung der Unterlagen stehe die ärztliche Schweigepflicht entgegen. Dies hat in dem betreffenden Fall dazu geführt, daß aufgrund der Verweigerung der geforderten Unterlagen die Krankenkasse ihrerseits die Zahlung verweigert hat und die Angelegenheit jetzt dem zuständigen Sozialgericht zur Entscheidung vorliegt. Aus dem Wortlaut des § 275 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ist jedoch nicht abzuleiten, dass eine Beauftragung des MDK nur bis zum Abschluß der Behandlung im Krankenhaus möglich ist. Andernfalls hätte dies im Gesetz einschränkend formuliert werden müssen. Aber auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich kein anderes Ergebnis. Die Krankenkassen sollen durch den medizinischen Sachverstand des MDK in die Lage versetzt werden, die Erforderlichkeit und den Umfang von im Krankenhaus erbrachten medizinischen Leistungen beurteilen zu können. Häufig ergeben sich für die Krankenkassen erst im Rahmen der Abrechnung Anhaltspunkte dafür, dass eine medizinische Leistung nicht oder nicht im erbrachten Umfang erforderlich war. Würde man eine Überprüfung durch den MDK nur vor Abschluß der Krankenhausbehandlung zulassen, so würde diese Kontrollmöglichkeit in vielen Fällen leerlaufen. Die Formulierung bei Erbringung umfaßt daher auch noch einen Zeitraum nach Abschluß der Behandlung in dem die Abrechnung stattfindet. Nicht mehr vom Wortlaut erfaßt sind jedoch nachträgliche Rechnungsprüfungen, wenn eine Abrechnung bereits erfolgt ist (z. B. um Material für Budgetverhandlungen zu sammeln).

Wie bereits erwähnt, bedarf es zur Einschaltung des MDK konkreter Anhaltspunkte durch die Krankenkassen im jeweiligen Einzelfall. Liegen die Voraussetzungen vor, so ist das Krankenhaus als Leistungserbringer nach § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V verpflichtet, die Krankenunterlagen im erforderlichen Umfang unmittelbar an den MDK zu übermitteln. Obwohl in § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V geregelt ist, dass die Leistungserbringer Sozialdaten an den MDK übermitteln, sind hier Patientendaten gemeint, da erst mit der Erhebung der Daten durch den MDK diesen der Status von Sozialdaten zufällt. Hier liegt ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers vor. § 276 SGB V setzt jedoch voraus, dass nur solche Unterlagen vom Krankenhaus an den MDK übermittelt werden dürfen und müssen, soweit dies für die gut103 achtliche Stellungnahme und Prüfung erforderlich ist. Daher sind im Anforderungsschreiben der Krankenkassen bzw. des MDK nähere Angaben über den Gegenstand und Umfang der Begutachtung zu machen, um den Leistungserbringer in die Lage zu versetzen, auch nur die erforderlichen Unterlagen zu übersenden. Diese Auffassung wurde auch vom TMSG geteilt, das ich in dieser Frage um eine Stellungnahme gebeten habe.

11.24 Gemeinsame Nutzung von Daten durch Krankenkasse und Pflegekasse

Durch das wurde bestimmt, dass bei jeder Krankenkasse eine Pflegekasse errichtet wird, die nach § 46 Abs. 2 SGB XI eine eigene rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung ist. Damit sind zwei rechtlich selbständige Institutionen errichtet worden, zwischen denen kein beliebiger Austausch der Sozialdaten erfolgen darf. Der Tatsache, daß für die Aufgabenerfüllung sowohl der Krankenkasse als auch der Pflegekasse in vielen Fällen dieselben Daten erforderlich sind, hat die Vorschrift des § 96 Abs. 1 SGB XI Rechnung getragen. Danach können die Spitzenverbände der Pflegekassen und der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich festlegen, daß die verbundenen Pflege- und Krankenkassen bestimmte Daten gemeinsam verarbeiten und nutzen können. Die Festlegung dieses gemeinsamen Datenkatalogs soll unter Beteiligung des und des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung erfolgen. Am Verfahren zur Erarbeitung des Katalogs wurden vom die Landesbeauftragten für den Datenschutz einbezogen. Als schwierig hat sich dabei erwiesen, dass anstatt der eigentlich wünschenswerten abschließenden Festlegung der Datenarten, die sowohl die Krankenkasse wie auch die bei ihr errichtete Pflegekasse für ihre Aufgaben benötigen, wegen der vielfältigen Fallgestaltungen und der bundesweit unterschiedlichen Datenverarbeitungsverfahren oft nur zusammengefaßte Oberbegriffe (wie z. B. Beitragsdaten) allgemeingültig festgelegt werden können. Es wurde daher eine erste Version für eine Übergangszeit bis Ende 1998 festgelegt. Eine zumindest teilweise Präzisierung der Datenarten sollte nach Auffassung der Datenschutzbeauftragten in einer überarbeiteten Fassung angestrebt werden. Die Tatsache der Aufnahme der Datenarten in den Katalog führt aber nicht automatisch dazu, dass Einzeldaten von der jeweils anderen Kasse genutzt werden dürfen, ohne dass eine Erforderlichkeit zur Aufgabenerfüllung besteht. Sofern die Pflegekasse beispielsweise auf die Grunddaten eines 20-jährigen im Rahmen der gemeinsamen Verarbeitung und Nutzung zugreifen könnte, darf sie es dennoch erst dann, wenn es zum Vollzug des Pflegeversicherungsgesetzes im konkreten Fall (z. B. Antrag auf Pflegeleistungen 50 Jahre später) erforderlich ist. Unabhängig von dem nach § 96 Abs. 1 SGB XI festzulegenden Datenkatalog gilt nach § 96 Abs. 2 SGB XI bei der Übermittlung von Daten, die den Krankenkassen oder Pflegekassen von einem Arzt oder sonstigen Schweigeverpflichteten zugänglich gemacht worden sind, dass solche der ärztlichen Schweigepflicht unterliegenden Daten nur unter den Voraussetzungen des § 76 SGB X ausgetauscht werden dürfen. Sofern demnach keine ausdrücklich gesetzliche Erlaubnis hierfür besteht, bedarf es zu diesem Datenaustausch der ausdrücklichen Einwilligung des Versicherten. Bevor der Datenkatalog festgelegt worden war, erhielt ich von einem Pflegedienst eine Anfrage, aufgrund welcher Rechtsgrundlagen eine Datenübermittlung zwischen Krankenkasse und Pflegekasse zulässig sei. Dem Pflegedienst gegenüber habe ich die Auffassung vertreten, dass aufgrund von § 93 SGB XI die Datenschutzvorschriften der §§ 67 SGB X gelten. Nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X hielt ich einen Datenaustausch zwischen der Krankenkasse und der Pflegekasse für zulässig, soweit dies für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe des jeweils anderen Sozialleistungsträgers erforderlich ist.