Bildung

74 Hessischer Landtag · 15. Wahlperiode · 15/4000

Begründung:

Zur Überwachung der Arbeit der Sicherheitsbehörden verfügt der Landtag über drei besondere Kontrollgremien: PKV, Art. 13 Grundgesetz-Kommission und G 10-Kommission.

Die für die Überwachung des Verfassungsschutzes zuständige Parlamentarische Kontrollkommission nach § 20 des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz (PKV) besteht aus fünf Mitgliedern, die der Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder wählt (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Die Art. 13 Grundgesetz-Kommission, die für die parlamentarische Kontrolle von Wohnraumüberwachungsmaßnahmen (Lauschangriffe) verantwortlich ist, besteht gleichfalls aus fünf Mitgliedern (§ 15 Abs. 10 HSOG i.V.m. § 20 Abs. 2 Dagegen hat die G-10-Kommission, welche die Überwachung der Telekommunikation sowie die Eingriffe in das Brief- und Postgeheimnis kontrolliert, lediglich 3 Mitglieder (§ 5 Abs. 1 HAG zum Ges. zu Art. 10 GG). Bei dieser gesetzlich festgelegten Mitgliederzahl ist es nicht möglich, alle im Landtag zurzeit vertretenen Fraktionen an der parlamentarischen Kontrolle der von Behörden vorgenommenen Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis zu beteiligen.

In der PKV und der Art. 13 Grundgesetz-Kommission sind gegenwärtig alle Fraktionen vertreten. Rechtlich zwingend ist das nicht. Weder in den Einzelgesetzen HSOG, HAG zum Gesetz zu Art. 10 GG) noch in der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags ist geregelt, dass alle Fraktionen in den drei Gremien vertreten sein müssen.

Sind mehrere Personen zu wählen, ist nach § 9 Abs. 3 GOHLT das Auszählverfahren nach Hare/Niemeyer anzuwenden. Im Unterschied zum Höchstzahlverfahren ist das Verfahren der mathematischen Proportion nach Hare/Niemeyer für kleinere Fraktionen günstiger, es kann aber nicht sicherstellen, dass alle Fraktionen einen Sitz in dem jeweiligen Gremium erhalten. Allenfalls aus § 9 Abs. 3 GOHLT, wonach bei Nachwahlen das Kräfteverhältnis der Fraktionen erhalten bleiben soll, könnte man das Erfordernis herleiten, das alle Fraktionen in den Gremien vertreten sein müssen.

Eine eindeutige Regelung sollte hier Klarheit schaffen. Sie könnte entweder in den Einzelgesetzen oder in der Geschäftsordnung erfolgen. Nach Ansicht der Enquetekommission genügt es, den Minderheitenschutz in der Geschäftsordnung zu verankern. Die Formulierung in der Regel erlaubt es, im Einzelfall antidemokratische Fraktionen aus den Kontrollgremien fernzuhalten.

Anhörungen Empfehlung

In der Geschäftsordnung sollte geregelt werden, dass der federführende Ausschuss das Recht hat, zu den überwiesenen Aufgaben Sachverständige, Personen, die Interessen Dritter vertreten, und andere Auskunftspersonen anzuhören; bei nicht überwiesenen Angelegenheiten ist eine Anhörung nur mit Zustimmung des Ältestenrats zulässig; tritt dieser nicht mehr rechtzeitig zusammen, entscheidet der Präsident. Erwachsen aus der Anzahl der Anzuhörenden oder aus sonstigen Gründen besondere Kosten, so ist vor der Einladung der Anzuhörenden die Zustimmung des Präsidenten einzuholen.

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Begründung Ausschüsse dürfen nach der Geschäftsordnung nicht selbstständig über die Durchführung von Anhörungen entscheiden. Wegen der zu erwartenden Kosten bedürfen Anhörungen der Genehmigung des Präsidenten (§ 93 Abs. 1 Satz 2 GOHLT).

Anders als die Geschäftsordnung des Bundestages (§ 70 Abs. 1 Satz 2) und beispielsweise die Geschäftsordnung des rheinland-pfälzischen Landtages (§ 79 Abs. 1 Satz 1) sieht die Geschäftsordnung des Hessischen Landtags außerdem keinen Minderheitenschutz für das Verlangen, im Ausschuss eine Anhörung durchzuführen, vor. Im Bundestag und im Landtag Rheinland-Pfalz muss bei überwiesenen Vorlagen auf Verlangen eines Viertels der Ausschussmitglieder eine Anhörung erfolgen, bei nichtüberwiesenen Verhandlungsgegenständen ist ein Mehrheitsbeschluss des Ausschusses (Bund) oder die Zustimmung des Ältestenrats (Rheinland-Pfalz) erforderlich. Die Enquetekommission empfiehlt, die Entscheidung über Anhörungen vom Präsidenten auf den Ausschuss zu verlagern. Sie hält aber einen Minderheitenschutz, wie er im Bundestag und manchen Länderparlamenten existiert, für entbehrlich und befürwortet einen Mehrheitsbeschluss. Um ausufernde Kosten durch Anhörungen zu vermeiden, muss nach Ansicht der Kommission der Präsident eine Interventionsmöglichkeit haben.

Ausbau der Informations- und Beteiligungsrechte

Verfassungsrechtliche Kompetenznorm Empfehlung

In die Hessische Verfassung sollte entsprechend Art. 39 Abs. 2 der sächsischen Verfassung folgende Regelung aufgenommen werden: Der Landtag übt die gesetzgebende Gewalt aus, überwacht die Ausübung der vollziehenden Gewalt nach Maßgabe dieser Verfassung und ist Stätte der politischen Willensbildung.

Begründung:

Die Aufgaben des Landtages sind in der Hessischen Verfassung nicht in einer zentralen Bestimmung festgehalten, sondern in über das Gesetz verstreuten Vorschriften geregelt. In neun Bundesländern ist dies anders, dort sind die Kompetenzen des Landtags in einer eigenen Verfassungsnorm zusammengefasst, allerdings unterschiedlich detailliert. Die Enquetekommission teilt die in der Literatur vertretene Auffassung, dass jede Aufzählung der Aufgaben des Landtags zwangsläufig unvollständig sein muss, weil der Landtag in einem Gesamtzusammenhang politischen Wirkens eingebunden ist, aus dem heraus je nach der politischen Lage neue Aufgaben entstehen können (Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, § 26 II 1 a). Sie plädiert deshalb für eine Regelung, die sich wie Art. 39 Abs. 2 der sächsischen Verfassung auf die bedeutsamsten Aufgabenfelder beschränkt.

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Informationspflicht der Landesregierung Empfehlung

Neben den bereits unter Nr. C.1, C.2.3 und C.2.4 empfohlenen Informationspflichten sollte in der Hessischen Verfassung geregelt werden, dass die Landesregierung den Landtag zeitnah zu unterrichten hat über

- Gesetzentwürfe und

- Entwürfe von Rechtsverordnungen, soweit es sich um Gesetze und Rechtsverordnungen mit nicht unerheblichen finanziellen Auswirkungen oder von grundsätzlicher politischer Bedeutung handelt.

Unabhängig davon sollte der Landtag die Landesregierung auffordern, bereits zuvor in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Ministerien des Landes Hessen zu bestimmen, dass der Landtag zum gleichen Zeitpunkt wie die Fachkreise, Verbände und kommunalen Spitzenverbände nicht nur wie in § 38 Abs. 3 vorgesehen über Gesetzentwürfe, sondern auch über Entwürfe von Rechtsverordnungen unterrichtet wird.

Begründung:

Der Landtag kann seine Kontrollfunktion nur erfüllen, wenn er über ausreichende Informationen verfügt. Dazu genügt es nicht, dass die Landesregierung auf Fragen von Abgeordneten (Große Anfragen, Kleine Anfragen, Auskunftsersuchen, Mündliche Fragen) antwortet. Fragen können Abgeordnete nur stellen, wenn sie dazu einen Anlass haben, d.h. bereits über Anfangsinformationen verfügen. Es muss aber darüber hinaus gesichert sein, dass der Landtag auch ohne einen solchen Anlass über Vorgänge von politischer Bedeutung unterrichtet wird. Die Landesregierung muss deshalb von sich aus den Landtag mit diesen Informationen versorgen. Eine solche Informationspflicht der Landesregierung ist in der Hessischen Verfassung anders als in den Verfassungen der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig Holstein und Thüringen jedoch nicht ausdrücklich geregelt. In der Kommentarliteratur wird allerdings die Auffassung vertreten, dass sich aus dem in der parlamentarischen Demokratie gebotenen Zusammenspiel der Verfassungsorgane eine allgemeine Informationspflicht der Landesregierung gegenüber dem Landtag ergebe. Die Landesregierung müsse den Landtag von sich aus ­ auch ohne gefragt worden zu sein - über die wesentlichen politischen Entwicklungen und Vorkommnisse, ihre Ziele und Vorhaben unterrichten (Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen, Art. 91 Erl. 8).

Zu den Themen C.1 Mitwirkung des Landtags in Europaangelegenheiten, C.2.3 Mitwirkung des Landtags bei der Willensbildung des Bundesrats und C.2.4 Beteiligung des Landtags bei Staatsverträgen usw. hat die Kommission bereits die Notwendigkeit einer frühzeitigen Information des Landtags festgestellt und empfohlen:

Die Landesregierung unterrichtet zum frühestmöglichen Zeitpunkt den Landtag über

- alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union (C.1),

- alle Vorhaben im Bundesrat, geplante Abschlüsse von Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen, über Ministerpräsidenten- und Fachministerkonferenzen und deren nachgeordnete und vorbereitende Gremien (C.2.3 und C.2.4),