Anschläge auf die jüdische Synagoge in Erfurt

Besonders schändliche Höhepunkte dieser Aktivitäten waren die Anschläge auf die jüdische Synagoge in Erfurt und ein moslemisches Gotteshaus in Gera.

Neben diesen Ereignissen hat es seit Jahresbeginn zahlreiche Aufmärsche und Konzerte rechtsradikaler und rechtsextremistischer Gruppen in Thüringen gegeben, so dass der Eindruck entsteht, Thüringen entwickelt sich zu einem Schwerpunkt neonazistischer Gruppen und Organisationen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Hat es in den vergangenen Monaten einen erkennbaren Mitgliederzuwachs bei rechtsextremen Gruppen in Thüringen gegeben?

2. Wie viele Mitglieder sind in welchen Gruppierungen derzeit in Thüringen im rechten Bereich aktiv?

3. Hat die Landesregierung Hinweise dafür, dass rechtsextreme Gruppen in Thüringen nicht nur Brandanschläge, sondern darüber hinaus andere terroristische Anschläge planen?

4. Wie beurteilt die Landesregierung die Tatsache, dass führende Mitglieder der rechtsextremen Szene des Landes Leitungsfunktionen im Landesvorstand der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) übernommen haben?

5. Ist davon auszugehen, dass aus der NPD heraus Gewalttaten gegen Menschen und Sachen geplant und durchgeführt werden?

6. Was konkret hat die Landesregierung seit dem Brandanschlag auf die Synagoge zusätzlich veranlasst, gefährdete Personen und Sachen - Synagogen, Gotteshäuser von Minderheiten, die Gedenkstätten Buchenwald und Dora sowie Ausländerunterkünfte - zu schützen?

7. Erwägt die Landesregierung Vereinsverbote z. B. für den so genannten Thüringer Heimatschutz und seinen so genannten Kameradschaften zu verfügen?

28. August 2000

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 21. August 2000 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Der Landesregierung liegen keine zusätzlichen Erkenntnisse vor, die über die im Verfassungsschutzbericht veröffentlichten Angaben hinausgehen.

Zu 2.: - Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) im Landesverband Thüringen: ca. 260 Mitglieder

- Junge Nationaldemokraten (JN): ca. 50 Mitglieder

- Deutsche Volksunion (DVU): ca. 200 Mitglieder

- Bund Deutscher Patrioten (BDP): ca. 20 bis 30 Mitglieder

- Die Republikaner (REP): ca. 190 Mitglieder

- Thüringer Heimatschutz (THS): ca. 120 Anhänger

- Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG): 8 Mitglieder

- Deutsche Heidnische Front (DHF): 8 Mitglieder

- Skinheads ca. 350; von denen nur ein kleiner Teil, ca. 75, organisiert ist (z.B. in Blood & Honour Sektion Thüringen, White Youth oder Hammerskins)

Zu 3.: nein.

Zu 4.: Da die NPD selbst eine rechtsextremistische Partei ist, ist dies nicht überraschend.

Zudem handelt es sich um eine bundesweit zu beobachtende Feststellung.

Zu 5.: Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass aus der NPD heraus Gewalttaten gegen Menschen und Sachen geplant und durchgeführt werden.

Zu 6.: Die Sicherheitsbehörden haben die Gefährdungslage auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse neu beurteilt. Gefährdungsanalysen und Sicherungskonzepte wurden gegebenenfalls überarbeitet. Zu Einzelheiten wird unter Hinweis auf Artikel 67 Abs. 3 Nr. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen keine Stellung genommen.

Zu 7.: Ungeachtet dessen, dass der Heimatschutz den Eindruck einer organisierten und schlagkräftigen Vereinigung erweckt, kann er vereinsrechtlich nicht verboten werden. Hierzu fehlt es an festen Strukturen (wie Vorstand, Funktionäre, Mitgliederlisten, Ausweise etc.). Es handelt sich vielmehr um einen (offenbar gewollten) unstrukturierten Personenzusammenschluss, dem es an einer vereinsrechtlichen organisierten Willensbildung fehlt.