Von welchen so genannten polizeifremden Tätigkeiten ist die Thüringer Polizei wann entlastet worden?

Ich frage die Landesregierung:

1. Von welchen so genannten polizeifremden Tätigkeiten ist die Thüringer Polizei wann entlastet worden?

2. Von welchen Aufgaben, die das zitierte sächsische Kabinettspapier benennt, ist die Polizei im Freistaat Thüringen nicht entlastet worden, und was sind die Gründe dafür?

3. Wo ist der Freistaat Thüringen in der Entlastung von so genannten polizeifremden Tätigkeiten über das sächsische Kabinettspapier hinausgegangen?

4. Gibt es auch im Freistaat Thüringen eine (Gesamt-)Konzeption zur Entlastung der Polizei von so genannten polizeifremden Tätigkeiten und gegebenenfalls seit wann?

5. Was ist gegebenenfalls von dieser Konzeption noch nicht umgesetzt, und wenn, warum noch nicht?

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 4. August 1999 wie folgt beantwortet:

Der vom Abgeordneten Kölbel in im Sportteil der FAZ vom 6. März 1995 informierte darüber, dass das sächsische Innenministerium möglicherweise in Zukunft keine Polizeibeamten mehr in Fußballstadien einsetzen will. Dies soll aus einer Kabinettsvorlage des sächsischen Innenministers hervorgehen, nach der die Verantwortung für Sicherheit und Ordnung in den Fußballstadien in Sachsen künftig den Vereinen übertragen werden soll.

Hierzu ist festzustellen, dass das sächsische Innenministerium die Reduzierung des Polizeieinsatzes in Stadien bei Sportveranstaltungen als eine mögliche Maßnahme zum Abbau polizeifremder Tätigkeiten prüfen wollte. Aufgrund rechtlicher Bedenken beschäftigten sich die Innenministerkonferenz und Justizministerkonferenz bereits mehrfach mit dieser Problematik, ohne bisher zu einer abschließenden Entscheidung gelangt zu sein. Das Vorhaben wurde deshalb durch das sächsische Innenministerium bei der Umsetzung der Konzeption zurückgestellt.

Zu 1.: In ihrem Arbeitsprogramm für die 2. Legislaturperiode hat die Landesregierung eine Vielzahl von Vorhaben zum weiteren Aufbau der Thüringer Polizei aufgenommen, darunter auch die Entlastung der Polizeibeamten von vollzugsfremden Verwaltungsaufgaben.

Bei der Umsetzung dieser Vorhaben, insbesondere auch bei der Reduzierung des Verwaltungsaufwands zu Gunsten der Polizeipräsenz, wurden wesentliche Erfolge erzielt:

- Durch moderne Bürotechnik wurde die Mehrfachausfertigung von polizeilichen Formularen weitestgehend beseitigt und durch Vernetzung schnelle Recherche- und Weiterleitungsmöglichkeiten geschaffen.

- Die Fahrerbildübertragung auf der Zentralen Bußgeldstelle bei von Geschwindigkeitsüberschreitungen führte zu einem erheblichen Rückgang der Fahrerermittlungen durch die Polizeidienststellen und zu einer Reduzierung der Einsprüche.

- Die Einrichtung einer landesweiten Abschleppzentrale durch einen privaten Betreiber auf Initiative der Polizei befreite sie von einer sowohl sachfremden als auch strittigen Aufgabe.

- Die Zurückweisung der Ersuchen zur zwangsweisen Außerbetriebsetzung von Kraftfahrzeugen und Anhängern (Zwangsentstempelung) an die Zulassungsstellen brachte einen Zeitgewinn von etwa einer Jahresdienstzeit eines Einsatzzugs der Polizei.

- Die Zusammenlegung der sieben Filmentwicklungs- und Auswertungsstellen der Polizeidirektionen zu einer Zentralen Filmauswertungsstelle in der Zentralen Bußgeldstelle setzte Polizeivollzugsbeamte frei.

- Gleiches bewirkte die Reduzierung des Einsatzes von Polizeivollzugsbeamten für Objektschutzmaßnahmen durch Übertragung dieser Tätigkeit auf Tarifbeschäftigte.

- Aufgaben in der Zentralen Bußgeldstelle, die nicht zwingend von Polizeivollzugsbeamten wahrzunehmen sind, wurden auf Verwaltungsbeamte übertragen. Dadurch können die bisher mit diesen Aufgaben betrauten Vollzugsbeamten freigesetzt und für vollzugspolizeiliche Aufgaben in den Polizeidirektionen eingesetzt werden, was der Präsenzsteigerung zu Gute kommt.

- Mit der Erweiterung der Zuständigkeit zur Überwachung der Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzungen durch Radarüberwachung auf die Kommunen wurde die rechtliche Grundlage geschaffen, um auch in diesem Aufgabenbereich den Polizeivollzugsdienst entlasten zu können.

- Durch Reduzierung bzw. Zusammenlegung von Werkstätten der Polizei wurde nicht nur Personal eingespart; die bisher in diesen Servicebereichen tätigen Polizeivollzugsbeamten wurden auch zu Gunsten von Verwaltungsbeamten herausgelöst und werden jetzt zur Erfüllung vollzugspolizeilicher Aufgaben eingesetzt.

- Durch Einsatz in den Vollzugsdienststellen werden Polizeivollzugsbeamte deutlich von vollzugsfremden Aufgaben, wie z. B. der Wagenpflege, entlastet, was der Erhöhung der polizeilichen Präsenz insgesamt zu Gute kommt.

- Durch die Einrichtung einer Zentralen Schubstelle bei der Bereitschaftspolizei werden die Polizeidirektionen spürbar von Schub- und Vorführaufgaben zu Gunsten einer höheren Streifentätigkeit entlastet.

- In den Standorten der Bereitschaftspolizei Erfurt und Rudolstadt wurde die Objektsicherung auf Arbeiter übertragen und die bisher dafür vorgesehenen Vollzugsbeamten für polizeiliche Aufgaben freigesetzt.

- Durch die bauliche Gestaltung des neuen Polizeizentrums der Polizeidirektion Gotha wurden alle Kräfte der Objektsicherung eingespart.

- Im Ergebnis und Fortbildungsmaßnahmen konnte die Vorgangsbearbeitung qualitativ und quantitativ verbessert werden.

- Schließlich wurden die Dienstposten der Musiker des Polizeimusikkorps Thüringen, da diese keine vollzugspolizeiliche Tätigkeit verrichten, in Angestelltenstellen umgewandelt.

- Als eine permanente Aufgabe zur Entlastung des Polizeivollzugsdienstes wird der weitere Abbau von Eigensicherungsmaßnahmen durch Polizeivollzugsbeamte mittels baulicher und technischer Veränderungen an den Objekten sowie durch den Einsatz von Arbeitern weiter verfolgt.

Zu 2.: Die Thüringer Polizei ist von die die sächsische Kabinettsvorlage unter der Überschrift Abbau polizeifremder/-vollzugsinadäquater Aufgaben als abzubauend aufführt und umgesetzt hat, entlastet worden, soweit diese Aufgaben auch für Thüringen zutreffend waren.

Zu 3.: Ich verweise hier auf die Beantwortung zu Frage 1.

Zu 4. und 5.: Die Entlastung der Polizei von polizeifremden Tätigkeiten wird durch die Landesregierung als eine ständige Aufgabe im Zusammenhang mit Organisations- in der Polizei betrachtet. ist der Landesregierung für die 2. Legislaturperiode festgehalten.

Die Entlastung der Polizeivollzugsbeamten von Verwaltungsaufgaben bzw. durch Abgabe von Aufgaben an Verwaltungsbeamte hat nicht die Schaffung zusätzlicher Planstellen zur Folge.

So wird bei der Übertragung von Verwaltungstätigkeit von einem Polizeivollzugsbeamten auf einen Verwaltungsbeamten keine Planstelle frei. Der Polizeibeamte steht jedoch zusätzlich für die Besetzung eines Vollzugsdienstpostens zur Verfügung.

Durch regelmäßige Organisations- und Ablaufuntersuchungen in der Polizei sichert das Innenministerium eine effiziente Polizeistruktur. Neben der ständigen Anpassung der Polizeistruktur ist eine gezielte Personalplanung Grundvoraussetzung, um alle neu anfallenden polizeilichen Aufgaben in hoher Qualität erfüllen zu können. Dazu hat das Innenministerium mit dem Entwurf des Personalentwicklungskonzepts eine wesentliche Voraussetzung geschaffen.