Rechtsform der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU)

Es gibt nach Angaben des Personalrats Überlegungen des Vorstands des Klinikums der Friedrich-Schiller-Universität, das Klinikum von einer unselbständigen Anstalt öffentlichen Rechts (§ 95Abs. 1 Satz 1 Thüringer Hochschulgesetz) in eine selbständige Anstalt öffentlichen Rechts umzuwandeln. In diesem Zusammenhang wird von den Beschäftigten die Befürchtung geäußert, dass dies überwiegend negative Auswirkungen auf die künftige Entwicklung des Klinikums habe und insbesondere so die Tarife des öffentlichen Dienstes zur Disposition gestellt werden könnten.

Zur Versachlichung der Diskussion bitten wir die Landesregierung um die Beantwortung nachfolgender Fragen:

1. Welche Ziele verfolgt die Landesregierung hinsichtlich des Klinikums der FSU und ist dafür eine Rechtsformänderung notwendig?

2. Welche neuen Möglichkeiten des verbesserten Managements, der Tarifgestaltung etc. würde es in der selbständigen Anstalt geben, die in der bisherigen Rechtsform der unselbständigen Anstalt öffentlichen Rechts nicht realisierbar sind?

3. Welche Ziele verfolgt die Landesregierung hinsichtlich des Klinikums der FSU und ist dafür eine Rechtsformänderung notwendig?

4. Wie hoch sind die Kosten, die mit einer solchen oben genannten Rechtsformänderung verbunden wären?

5. Welche Universitätsklinika wurden in Deutschland bereits in eine selbständige Anstalt öffentlichen Rechts umgewandelt, und sind die dortigen Gesichtspunkte und Auswirkungen bekannt?

6. Ist die Kostentransparenz in einer selbständigen Anstalt öffentlichen Rechts größer als in der derzeitigen Rechtsform? Wenn ja, warum?

7. Wie stellt sich in einer selbständigen Anstalt öffentlichen Rechts für die Landesregierung die Einheit von Forschung, Lehre und Krankenversorgung dar?

8. Würde bei einer selbständigen Anstalt öffentlichen Rechts generell der Bundesangestelltentarif (BAT) angewendet?

9. Ist in einer selbständigen Anstalt öffentlichen Rechts die Zusatzversorgung der Mitarbeiter gewährleistet?

10. Wäre in einer selbständigen Anstalt öffentlichen Rechts die Hochschulbauförderungsgesetz(HBFG)-Förderfähigkeit gewährleistet?

11. Welche Auswirkungen hätte eine Änderung der Rechtsform auf den Neubau des Klinikums?

12. Wie würde sich das Klinikum in der neuen Rechtsform in die Universität eingliedern?

13. Welches Ministerium würde für das Klinikum als eine selbständige Anstalt öffentlichen Rechts zuständig sein?

14. Wären in einer selbständigen Anstalt öffentlichen Rechts die Professoren weiterhin Beamte des Landes?

15. Erhielte als selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts das Klinikum Dienstherrenfunktion?

16. Ist der Landeszuschuss für Forschung und Lehre in bereits umgewandelten Universitätsklinika gestiegen/gleichgeblieben oder hat er sich verringert?

17. Wer wäre im Verwaltungsrat einer selbständigen Anstalt öffentlichen Rechts im Falle des Klinikums der FSU vertreten?

18. Sind außertarifliche Regelungen in der öffentlichen Rechts möglich, die in der gegenwärtigen Rechtsform nicht möglich wären?

Das Thüringer Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 27. Dezember 2001 wie folgt beantwortet:

Zum besseren Verständnis erlaube ich mir einige allgemeine Vorbemerkungen, bevor ich zu den einzelnen Fragen der Abgeordneten Stellung nehme:

Die hochschulrechtliche Struktur der Hochschulmedizin ist deutschlandweit in der Diskussion. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat 1995 einen grundlegenden Beschluss zur zukünftigen Struktur und zur Finanzierung der Hochschulmedizin gefasst. Dieser sieht für die Länder verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten vor; als eine der Möglichkeiten auch die rechtliche Verselbständigung der Hochschulmedizin. Auf diese Weise haben die Länder als Träger der Universitätsklinika die Möglichkeit, die Entscheidungsstrukturen nach dem Vorbild einer privatrechtlichen Betriebsführung ohne Änderung der Trägerschaft dem zunehmenden Wettbewerbsdruck im Gesundheitswesen anzupassen.

Der Wissenschaftsrat hat in seinen Empfehlungen 1999 zur Struktur der Hochschulmedizin (Aufgaben, Organisation, Finanzierung), dem Zusammenwirken zwischen der Medizinischen Fakultät als Ausbildungs- und Forschungsstätte und dem Universitätsklinikum als Krankenhaus der Supramaximalversorgung viel Aufmerksamkeit gewidmet. Die Medizinische Fakultät muss auch zukünftig ihren festen, sicheren Platz in der Universität und im Universitätsklinikum behalten, ohne hierdurch in der eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Führungsaufgaben in der Krankenversorgung eingeschränkt zu werden.

Der Landeshochschulplan enthält folgerichtig den Auftrag, die rechtliche Stellung des Klinikums und der Medizinischen Fakultät zur gesamten Universität unter dem Aspekt der kostendeckenden stationären Krankenversorgung trotz zunehmendem Wettbewerbsdruck auf dem Gesundheitsmarkt zu prüfen. Der Klarstellung halber sei angemerkt, dass das Klinikum als Teil der Körperschaft Friedrich-Schiller-Universität Jena bereits heute gegenüber der Landesregierung rechtlich selbständig ist.

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst hatte in Übereinstimmung mit dem Finanzministerium, dem Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit und mit der FSU Jena (Klinikumsvorstand, Personalrat des Klinikums) ein Strategiegutachten für das Klinikum der FSU Jena bei Roland Berger Strategy Consultants darüber in Auftrag gegeben, wie die Wettbewerbsfähigkeit der Thüringer Hochschulmedizin auch zukünftig gewährleistet werden kann.

Dieses Gutachten empfiehlt dem Freistaat Thüringen für die Hochschulmedizin im Rahmen des KMK-Beschlusses von 1995 und in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Wissenschaftsrates von 1999 unter Berücksichtigung die Integrationslösung. Das heißt, Medizinische Fakultät (Lehre und Forschung) und Klinikum (Krankenhausbetrieb) sollen auch zukünftig organisationsrechtlich eng verbunden bleiben. Es wird dem Land empfohlen, unter diesen Voraussetzungen auch die rechtliche Verselbständigung der Hochschulmedizin gegenüber der Universität und die privatrechtliche Betriebsführung zu prüfen. Die Trägerschaft des Landes würde hierbei beibehalten bleiben, so dass dies keine materielle Privatisierung darstellen würde.

In der Sitzung des Rats der Medizinischen Fakultät am 9. Oktober 2001 wurde die Frage der Rechtsformänderung des Klinikums der FSU Jena aufgeworfen. Es ist daraufhin innerhalb der Universität eine entsprechende Arbeitsgruppe gebildet worden, in der auch die Universitätsleitung und der Personalrat des Klinikums mitarbeiten. Die Beratungen ohne Beteiligung der Ministerien sind ergebnisoffen.

Zu 1.: Die Medizinische Fakultät der FSU Jena ist mit ihrem Klinikum die Ausbildungsstätte für Human- und Zahnmediziner Thüringens und trägt die Verantwortung für die universitäre Ausbildung und Forschung. Als größtes Krankenhaus Thüringens nimmt das Universitätsklinikum regional für die Bevölkerung Jenas sowie überregional für Ostthüringen und darüber hinaus Versorgungsaufträge wahr. Für den Technologiestandort Jena mit seinem biomedizinischen und gerätetechnischen Schwerpunkt ist die Leistungsfähigkeit der naturwissenschaftlichen, ingenieurwissenschaftlichen und medizinischen Fachgebiete der beiden Hochschulen von essentieller Bedeutung, sowohl für die Drittmitteleinwerbung als auch für Existenzgründungen und für die Sicherung von Arbeitsplätzen.

Hinsichtlich der Ausbildung und Forschung muss die Medizinische Fakultät mit ihrem Klinikum international wettbewerbsfähig werden und im Bereich der Krankenversorgung dem Anspruch der Maximalversorgung entsprechen; der Wissenschaftsrat spricht sogar von Supramaximalversorgung. Ob hierfür der Medizinischen Fakultät und dem Klinikum der FSU Jena eine eigene Rechtspersönlichkeit zuerkannt werden muss, wird gegenwärtig innerhalb der Universität beraten.

Zu 2.: Die privatrechtliche Betriebsform eines Wirtschaftsbetriebs ist gekennzeichnet durch Konzentration der Entscheidungskompetenzen in entsprechenden Gremien, z. B. Geschäftsführung oder Vorstand, Verwaltungsrat oder Aufsichtsrat, Gesellschafterversammlung oder Trägerversammlung. Die Gremien sind beim Klinikum der FSU Jena zum Teil bereits hochschulrechtlich realisiert, weitere können erforderlichenfalls auch bei Beibehaltung der bisherigen Rechtsform der unselbständigen Anstalt öffentlichen Rechts gebildet werden. Eine rechtlich selbständige Anstalt könnte einen Hausvertrag abschließen und damit über eigene Möglichkeiten zur Motivation ihrer Mitarbeiter als Leistungsträger verfügen.

Zu 3.: Diese Frage ist mit Frage 1 gleich lautend und wurde dort beantwortet.

Zu 4.: Eine Rechtsformänderung selbst verursacht keine Kosten, sieht man von den Kosten des Gesetzgebungsverfahrens und den Gebühren für den Eintrag in das Handelsregister ab. Zu eventuellen Folgekosten können mangels Erfahrungen keine Aussagen getroffen werden.

Zu 5.: Bundesweit stellt sich die derzeitige Situation wie folgt dar: 18 Universitätsklinika sind gegenüber ihrer Hochschule rechtlich selbständig gestellt worden, 16 Universitätsklinika sind rechtlich unselbständige Anstalten öffentlichen Rechts.

In allen Ländern werden Umfang, Struktur und Finanzierung der Universitätsklinika intensiv diskutiert, zumal die äußeren Randbedingungen durch die Gesundheitsgesetzgebung des Bundes den Wettbewerb verschärfen (z.B. durch Einführung der Fallpauschalen). Die Begründungen der einzelnen Hochschulgesetze spiegeln diese Beweggründe für die Entscheidungen wider. Über die Auswirkungen lassen sich noch keine allgemein gültigen Aussagen wegen der geringen Erfahrungswerte treffen. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg hat im Januar 2000 mit seinen Medizinischen Fakultäten und Universitätsklinika aus Freiburg, Heidelberg, Tübingen, Ulm und Mannheim eine Zwischenbilanz über seine Medizinreform in Buchform veröffentlicht. Es wird darin deutlich, dass für die Einheit von Lehre, Forschung und Krankenversorgung mit den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen entsprechende Berücksichtigungen auf allen Entscheidungsebenen notwendig sind.

Zu 6.: Nein; es wären weiterhin die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs, der Krankenhaus-Buchführungsverordnung und der Thüringer Landeshaushaltsordnung einschlägig.

Zu 7.: In den vorangegangenen Ausführungen ist diese Frage bereits ausführlich beantwortet worden.