Strafbarkeit des Skandierens von Neonazi-Parolen

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung die Rechtsfrage?

2. Gibt es aus Sicht der Landesregierung Bedarf einer Gesetzesänderung mit dem Ziel der Strafbarkeit des Skandierens von Neonazi-Parolen - wie oben dargestellt - herbeizuführen?

3. Wäre die Regierung des Freistaats Thüringen bereit, eine entsprechende Gesetzesänderung im Bundesrat zu beantragen?

Das Thüringer Justizministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 14. Dezember 2001 (Eingang: 27. Dezember 2001) wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Die Parole Ruhm und Ehre der Waffen-SS wird seit geraumer Zeit wiederholt bei Demonstrationen der NPD und von Neonazis im gesamten Bundesgebiet gerufen. Die Strafbarkeit des Verwendens dieser Parole wird unterschiedlich beurteilt.

Nach § 86 a Abs. 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen - kommt eine Strafbarkeit in Betracht, wenn es sich bei der Losung um ein Kennzeichen handelt, das einem der in § 86 a Abs. 1 Nr. 1 benannten Kennzeichen zum Verwechseln ähnlich ist. Kennzeichencharakter im Sinne der genannten Strafvorschrift haben auch akustische oder optische Kennzeichen, wie beispielsweise bestimmte Grußformen, so dass auch eine Losung grundsätzlich ein Kennzeichen im Sinne des § 86 a darstellen kann. Weitere Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist, dass die verwandten verkörperten oder nicht verkörperten Symbole während des Dritten Reichs mit spezifisch nationalsozialistischer Bedeutung gebraucht wurden.

9. Januar 2002

Bei der Parole Ruhm und Ehre der Waffen-SS handelt es sich nicht um eine Losung, die während des Dritten Reichs von der Waffen-SS gebraucht wurde. Die Parole setzt sich vielmehr aus dem Wappenspruch der Hitler-Jugend (Blut und Ehre) und der Losung der Waffen-SS (Meine Ehre heißt Treue) und dem nachfolgenden Annex der zusammen.

Aus diesem Grunde wird teilweise eine Strafbarkeit des Verwendens der Parole Ruhm und Ehre der Waffen-SS verneint, da diese während des Dritten Reichs nicht in instrumentalisierter Form bei der Waffen-SS Verwendung fand.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bezieht sich der Schutzzweck des § 86 a jedoch nicht nur auf die Abwehr einer Wiederbelebung einer verbotenen Organisation oder der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen, sondern auch auf die Wahrung des politischen Friedens. Es ist jeder Anschein einer Wiederbelebung verbotener Organisationen zu vermeiden. Bei in- und ausländischen Beobachtern des politischen Geschehens in der Bundesrepublik Deutschland darf nicht der Eindruck entstehen, in ihr gäbe es eine rechtsstaatswidrige innenpolitische Entwicklung, in der verfassungsfeindliche Bestrebungen der durch das Kennzeichen angedeuteten Richtung geduldet würden. Darüber hinaus will § 86 a verhindern, dass die Verwendung von Kennzeichen verbotener verfassungsfeindlicher Organisationen - ungeachtet der damit - sich wieder derart einbürgert, dass das Ziel, solche Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich zu verbannen, nicht erreicht wird. Andernfalls wäre zu besorgen, dass sie schließlich auch wieder von den Verfechtern der politischen Ziele, für die das Kennzeichen steht, gefahrlos gebraucht werden könnten.

Der Thüringer Generalstaatsanwalt hält daher die Verwendung der Parole Ruhm und Ehre der Waffen-SS für strafbar nach § 86 a Entsprechende Straftaten werden in Thüringen verfolgt und zur Anklage gebracht.

Zu 2. und 3.: Soweit sich in Thüringen keine gegenläufige Rechtsprechung entwickelt, gibt es aus Sicht der Landesregierung keinen Bedarf für eine Gesetzesänderung.