Staatsanwaltschaft

Bevor für die personenbezogene Datenerhebung und die Verwendung solcher Daten zureichende Anhaltspunkte im Sinne von § 152 Abs. 2 für eine strafbare Handlung gegeben sind, ist das Polizeiaufgabengesetz und nicht die Strafprozeßordnung der richtige Regelungsstandort. Die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten ist Teil des allgemeinen Polizeirechts, für das die Länder die Gesetzgebungskompetenz besitzen 1995, 143 ff.).

Wenn im Rahmen der polizeilichen Aufgabenstellung Rechtseingriffe erfolgen sollen, so besteht seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 zum so genannten Volkszählungsurteil 65, S. 1 ff.) für die Erhebung und Verwendung von personenbezogenen Daten die Verpflichtung, bereichsspezifische gesetzliche Regelungen zu schaffen. Zur vorbeugenden Bekämpfung der Organisierten Kriminalität fehlen im Gegensatz zur Aufgabenstellung (§ 2 Abs. 1 Satz 1) entsprechende Befugnisnormen sowie diese einschränkende Verfahrenssicherungen. Die neue Befugnisnorm erlaubt so genannte Strukturermittlungen im bisher der Polizei nicht zugänglichen Vorfeld zur Beobachtung von OK-Strukturen.

Die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten wird als Unterfall der Gefahrenabwehr angesehen, in dessen Anwendungsbereich die Begriffe der konkreten Gefahr und Störer darauf nicht anwendbar sind. Für die Schaffung von Befugnissen ist daher nicht an eine konkrete Gefahr oder die Störereigenschaft anzuknüpfen, sondern daran, dass aufgrund von tatsächlichen Anhaltspunkten im Einzelfall und nach kriminalpolizeilicher Erfahrung zu erwarten ist, dass zukünftig erneut Straftaten begangen werden - Text und amtliche Begründung -, S. 49 f.).

Das Gebot der Normenklarheit ist ein wesentlicher Bestandteil zur Realisierung der Rechtssicherheit und des Schutzes der Bürger vor Willkür der staatlichen Institutionen (Systematischer Kommentar, Rudolphi, vor § 94 Rn. 22).

Zur Wahrung dieser den Rechtsstaat konstituierenden Prinzipien macht es die Verfassung dem Gesetzgeber zur Pflicht, die Eingriffsvoraussetzungen und die mögliche Eingriffstiefe einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung hinreichend klar zu bestimmen. Voraussetzungen und Intensität des Eingriffs dürfen nicht dem Belieben der unter den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt gestellten Exekutive oder der sie kontrollierenden Judikative gestellt werden LKV 1996, 273, 275). Für den Bürger müssen Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß so bestimmt sein, dass der staatliche Eingriff für ihn genau voraussehbar und berechenbar ist. Vage Generalklauseln schließen weder die Willkür der Exekutive aus noch genügen sie den Erfordernissen der Rechtssicherheit (Systematischer Kommentar, Rudolphi, vor § 94 Rn. 22). Allerdings darf nicht verkannt werden, dass Gesetze nicht so starr und kasuistisch werden dürfen, dass sie der Vielgestaltigkeit des Lebens, dem Wandel der Verhältnisse und den Besonderheiten des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden können. Deshalb darf der Gesetzgeber zur Festlegung auch auf weite, generalklauselartige Formulierungen zurückgreifen (Maunz/Dürig-Herzog, Artikel 20 Abs. 7 des Grundgesetzes, Rn. 63 mit weiteren Nachweisen). Diese Formulierungen müssen allerdings noch auslegungsfähig und in für den Bürger erkennbar sein. Der Grad der Bestimmtheit einer Regelung hängt entscheidend davon ab, inwiefern die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs und der Normzweck es nahe legen, schnell wechselnden Situationen entsprechen zu können 21, 215; 78, 212 ff.; 49, 181; 59, 114). Anlage E zu den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren verweist hinsichtlich der Befugnisse der Polizei zu Initiativermittlungen im Rahmen der Gefahrenabwehr auf die Polizeigesetze. Nach § 2 Abs. 1 hat die Polizei die Aufgabe, auch für die Verfolgung von Straftaten vorzusorgen und Straftaten zu verhüten (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten). Der Begriff umfasst Vor32 feldtätigkeiten, die sowohl verfahrensabhängiger als auch sein können (s. Hellebrand Johannes, Die Staatsanwaltschaft, Rn. 203). Ziel der Strukturermittlungen ist die Klärung beziehungsweise der Gefahrenlage. Dabei geht es um die Gewinnung und die Analyse kriminalitätsrelevanter Gegebenheiten zur Früherkennung von Entwicklungstendenzen der Kriminalität oder von Sachverhalten, bevor strafprozessuale Maßnahmen zur Anwendung kommen. Der repressive Einsatz von Verdeckten Ermittlern auf dem Gebiet der Strafverfolgung wird in § 110a ff. geregelt, welche mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in die Strafprozeßordnung eingeführt wurden. Der Einsatz von verdeckten Ermittlern und von sonstigen nicht offen ermittelnden Polizeibeamten kommt dann in Frage, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bestimmte in § 110a näher umschriebene Straftaten begangen werden.Ausreichend ist oder Beschuldigteneigenschaft ist nicht notwendig. Hingegen wird und -zeitraum der Strukturermittlungsbefugnis durch den Übergang zum Strafverfolgungszwang begrenzt. Sobald die Vorfeldermittlungen zureichende Anhaltspunkte im Sinne von § 152 Abs. 2 mit § 163Abs. 1 für die Begehung eines OK-Deliktes ergeben ist die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten. Unterhalb des Verdachtsgrades des § 152 Abs. 2 hat die Polizei die Aufgabe zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (§ 2 Abs. 1 Satz 2). Aufgaben- und Normenkonkurrenz sind somit ausgeschlossen.

Die Polizei kann mit dem vorgenannten Instrumentarium Bestrebungen und Tätigkeiten auf dem Gebiet der Organisierten Kriminalität frühzeitig wahrnehmen.

Die Einsatzvoraussetzungen dazu sind an das Vorliegen von tatsächlichen Anhaltspunkten geknüpft.

§ 12 Abs. 2 Satz 2 enthält eine Definition für den Begriff einer Straftat, die tatbestandsmäßig und rechtswidrig begangen wurde. Daneben sind Straftaten von erheblicher Bedeutung in § 31 Abs. 5 für die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten katalogartig legal definiert. Das zusätzliche Merkmal der erheblichen Bedeutung liegt im Regelfall dann vor, wenn im Falle einer Verurteilung ein Strafausspruch von mindestens einem Jahr zu erwarten sein wird. Das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (Bundestagsdrucksache 12/989, S. 24) definiert den Begriff der Organisierten Kriminalität wie folgt: Unter Organisierter Kriminalität ist eine von Gewinnstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten durch mehrere Beteiligte zu verstehen, die auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig unter

- Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,

- Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel,

- dem Bemühen, auf Politik, Medien, Justiz Einfluss zu nehmen, zusammenwirken.

Als Verfahrenssicherung enthält die Befugnisnorm eine eigene Subsidiaritätsklausel, da für diese spezielle Ermittlungsform die Bestimmung für die verdeckte Datenerhebung nach § 31 Abs. 3 Satz 2 nicht anwendbar und auch davon genau zu unterscheiden ist (Berner/Köhler, Polizeiaufgabengesetz, Artikel 30, Rn. 3; Ebert/Honnacker, Polizeiaufgabengesetz, § 31, Rn. 7). Die Maßnahme darf nur durchgeführt werden, wenn sie zwingend erforderlich ist. Die Bestimmung ist eine besondere Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und stellt eine Steigerung gegenüber der einfachen Erforderlichkeit der Datenerhebung dar.

Kumulativ ist die Ermittlungsmethode nur zulässig, wenn die Aufklärung der kriminogenen Strukturen auf andere Weise aussichtslos wäre. Strukturermittlungen sind nur zulässig, wenn andere herkömmliche kriminalpolizeiliche Ermittlungsmethoden wegen Zweckuntauglichkeit und weniger eingriffsintensivere Maßnahmen ausscheiden, die Schwere der Tat den Einsatz aber dennoch gebietet. Im Bereich der Organisierten Kriminalität sind verdeckte Ermittlungen somit an eine strenge Stufenfolge gebunden (Ultima-ratio-Prinzip).

Um der Gesamtverantwortung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren Rechnung zu tragen, wird eine eigenständige Unterrichtungspflicht normiert.

Die bestehende Unterrichtungspflicht nach den §§ 161, 163 reicht nicht aus, weil darunter nur eine Unterrichtungspflicht in Fällen von konkret geführten Ermittlungsverfahren fällt. Durch die vorverlagerte Unterrichtungspflicht wird die Staatsanwaltschaft in die Lage versetzt zu entscheiden, inwieweit zur Klärung nach § 152 Repressivmaßnahmen für eine sich anschließende Strafverfolgung ergriffen werden müssen.

Da für Strukturermittlungen entweder verdeckte Ermittler oder nicht offen ermittelnde Polizeibeamte eingesetzt werden, gelten für die Anordnung die Verfahrensvorschriften des § 34 Abs. 6. Die Maßnahme steht somit unter einem Behördenleitervorbehalt (Leiter der Polizeidirektion oder Leiter des Landeskriminalamtes; im Falle des Einsatzes verdeckter Ermittler ausschließlich der Letztere), sie bedarf der Schriftform, ist zu begründen und auf maximal drei Monate zu befristen. Vor einer Verlängerung der Anordnung ist zu prüfen, ob die die Ursprungsanordnung tragenden Gründe weiter fortbestehen.

Zu Absatz 6:

In dem bisherigen Satz 1 Nr. 1 wird der Halbsatz 2 gestrichen. Die Anordnungsbefugnis zum Einsatz von besonderen Mitteln in Fällen der längerfristigen Observation, des verdeckten Einsatzes technischer Mittel und des Einsatzes einer Vertrauensperson konnte der Leiter des Landeskriminalamtes bisher auf die ihm nachgeordneten Abteilungsleiter übertragen. Behördenleitervorbehalte werden als verfahrenssichernde Instrumente in Fällen von intensiven Grundrechtseingriffen angesehen. Das Kontrollziel, nämlich eine Rechtmäßigkeitskontrolle durch die mit größerer Sachkompetenz ausgestattete Behördenleitung, die die Behörde nach innen und außen vertritt, geht verloren, wenn die Anordnungsbefugnis delegiert werden kann (Dr. Hartmut Schwan, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts in Thüringen, Teil I, 2000, S. 7; Tjark. Der Richtervorbehalt im deutschen Polizeirecht, S. 188).

Die Anordnung ist nunmehr auf drei Monate befristet. Die Benennung einer konkreten Frist (nach dem bisherigen Rechtsstand war die Anordnung zwar zu befristen; eine Regelfrist war dabei jedoch nicht normiert) ist von verfassungswegen geboten. Die Frist orientiert sich an vergleichbaren Regelungen (§ 100a ff. im strafprozessualen Ermittlungsverfahren.

Zu Nummer 9 (§ 34 a):

Zu Absatz 1:

Nach Artikel 10 Abs. 2 des Grundgesetzes und Artikel 8 Abs. 2 der Thüringer Verfassung steht das Grundrecht auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses unter einem Gesetzesvorbehalt, in das aufgrund eines förmlichen Gesetzes unter den dort näher bestimmten Voraussetzungen eingegriffen werden darf. Eine Ermächtigungsgrundlage für die Datenerhebung mittels Telekommunikationsüberwachung für präventiv-polizeiliche Zwecke ist im Thüringer Polizeiaufgabengesetz bislang nicht geregelt. Zu Zwecken der Strafverfolgung bestimmt § 100a die Eingriffsvoraussetzungen für eine Telefonüberwachung.