Bürgerzug zum Gedenken an die Volksversammlung in Ober-Laudenbach im Jahre 1849

Am 24. Mai 1999 veranstaltete der Ober-Laudenbacher Heimatverein Neunhubendorf zum Gedenken an die Volksversammlung in Ober-Laudenbach im Jahre 1849 einen Bürgerzug. Diese polizeilich angemeldete Veranstaltung wurde von der Polizei gestoppt.

Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Hält die Landesregierung den Stopp des historischen Bürgerzuges zum Gedenken an den tödlichen Ausgang der Volksversammlung am 24. Mai 1849 durch die Polizei für angemessen?

Der Dienstgruppenleiter der Dienst habenden Schicht der Polizeistation Heppenheim erhielt am 24. Mai 1999 um 13:55 Uhr einen Anruf einer Bürgerin aus Kreiswald. Sie teilte mit, dass eine Gruppe von 20 Personen von Kreiswald in Richtung Juhöhe ziehe. Die Personen führten Deutschlandfahnen mit sich und es sei mit einem Gewehr geschossen worden.

Die Erlaubnis der Kreisstadt Heppenheim für einen Bürgerzug im Stadtteil Ober-Laudenbach, beginnend ab 15:00 Uhr, lag der Polizeistation vor. Die dem Veranstalter erteilten Auflagen hatten folgenden Wortlaut: Der Umzug muss die vorhandenen Gehwege benutzen. Die Benutzung der Fahrbahn ist nur zulässig, wenn Gehwege nicht vorhanden sind. Dann ist ausschließlich die rechte Fahrbahnseite zu benutzen. Wird der Umzug durch Bedienstete der Polizeistation Heppenheim begleitet, so ist deren Anweisungen Folge zu leisten. Zur Durchführung des Umzuges ist unverzüglich nach Zugang dieser Erlaubnis eigenverantwortlich Verbindung mit der Polizeistation Heppenheim aufzunehmen.

Die entsandte Aufklärungsstreife stellte fest, dass etwa 20 bis 30 Personen in historischer Kleidung mit Dreschflegeln und anderen bäuerlichen Arbeitsgeräten tatsächlich an der durch die Anruferin bezeichneten Örtlichkeit aufenthältlich waren. Einer der Männer aus dieser Gruppe hatte eine sehr alte Flinte dabei.

Angesichts der Abweichung zwischen genehmigter Örtlichkeit und Zeit und tatsächlichem Antreffen des Umzuges sowie der Tatsache, dass eine Waffe mitgeführt wurde, aus der offensichtlich schon geschossen wurde, war die Polizei aufgrund ihres gesetzlichen Auftrages zur Abwehr konkreter Gefahren und zur Strafverfolgung gezwungen, im Rahmen der geltenden Gesetze geeignete, erforderliche und verhältnismäßige Maßnahmen zu ergreifen.

Dabei kommt erschwerend hinzu, dass der Veranstalter mit der Polizeistation Heppenheim bis zu diesem Zeitpunkt schon längst hätte Verbindung aufnehmen müssen.

Ein Stopp des Bürgerzuges mit dem Ziel der Verhinderung der Begehung weiterer Straftaten und der Ahndung bereits begangener Straftaten war angemessen.

Frage 2. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Polizei verhältnismäßig handelte, wenn diese mit vier Polizeieinsatzwagen, einem Mannschaftswagen und Maschinenpistolen anrückte, um ihre Feststellungen zu treffen?

Nach hier vorliegenden Erkenntnissen waren drei Streifenwagen mit jeweils zwei Beamten besetzt und ein Mannschaftswagen, der nur mit einem Beamten besetzt war, zum Stopp des Zuges vor Ort. Keiner der Beamten hatte eine Maschinenpistole.

Angesichts der unter Antwort zu Frage 1 dargestellten Gesamtsituation und des durch den Einsatz leitenden Polizeibeamten im Voraus nicht abschließend einzuschätzenden Lageverlaufs war dieser Kräfteansatz verhältnismäßig.

Frage 3. War der Polizei bekannt, dass der Bürgerzug angemeldet war?

Wie sich aus der Beantwortung zu Frage 1 ergibt, lag der Polizei die Erlaubnis für einen Bürgerumzug zu einem anderen Zeitpunkt an einem anderen Ort vor. Eine in der Erlaubnis festgeschriebene Kontaktaufnahme des Veranstalters mit der Polizei im Vorfeld hatte nicht stattgefunden.

Frage 4. Wie ist es richtig, dass der Polizei kaum Informationen vorlagen, worum es sich bei der Veranstaltung handelte?

Es lag die Erlaubnis der Kreisstadt Heppenheim nach § 29 Straßenverkehrsordnung vor.

Frage 5. Warum wurde im Vorfeld der Veranstaltung kein Kontakt zwischen Polizei und Veranstalter aufgenommen?

Ich verweise auf die Antwort zu Frage 1.

Frage 6. Wie ist das Mitführen von zwei historischen Waffen bei dem Bürgerzug juristisch zu bewerten?

Eine der beiden Waffen war eine unbrauchbar gemachte Flinte. Diese durfte bei dem Umzug erlaubnisfrei mitgeführt werden. Bei der zweiten Waffe handelt es sich um eine nachgebaute Schwarzpulverpistole mit Zündhütchenzündung. Diese ist als einläufige Einzelladerwaffe, deren Modell vor dem 1. Januar 1871 entwickelt worden ist, von verschiedenen Vorschriften des Waffengesetzes freigestellt. Dennoch darf sie ohne Erlaubnis weder bei öffentlichen Veranstaltungen (§39 Abs. 1 noch - von engen Voraussetzungen, die hier nicht vorliegen, abgesehen - in der Öffentlichkeit geführt werden (§ 45 Der mit der Perkussionspistole schießende Umzugsteilnehmer hat sich folgender Verstöße schuldig gemacht:

Er hat ohne Erlaubnis eine Schusswaffe geführt (Straftat nach § 53 Abs. 3 Nr. 1 b Er hat ohne Zulassung einer Ausnahme bei einer öffentlichen Veranstaltung eine Schusswaffe geführt (Straftat nach § 53 Abs. 3 Nr. 5 Er hat außerhalb einer Schießstätte mit einer Schusswaffe geschossen (Ordnungswidrigkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 25 Weiterhin hat sich dieser Umzugsteilnehmer einer Straftat nach dem Sprengstoffgesetz schuldig gemacht. Er ist mit einem explosionsgefährlichen Stoff (Schwarzpulver in einer Pulverflasche) umgegangen, ohne die dafür erforderliche sprengstoffrechtliche Erlaubnis zu besitzen.

Frage 7. Ist die Landesregierung mit mir der Meinung, dass die Maßstäbe bei der hessischen Polizei nicht mehr stimmen, wenn bei einer Veranstaltung von Neonazis in Lich die Polizei nicht eingreift, bei Krawallen von Hooligans in Offenbach anlässlich des Spiels der Kickers gegen Waldhof Mannheim unzureichend gehandelt wird, aber ein Bürgerzug zum Gedenken an die bürgerliche Revolution 1848/49 mit massivem Polizeieinsatz aufgehalten wird?

Der in dieser Fragestellung gezogene Vergleich ist nicht angemessen und unzutreffend, da die Ausgangsbedingungen, die zu den jeweils getroffenen polizeilichen Maßnahmen geführt haben, in den hier beispielhaft aufgeführten Fällen erheblich differieren. Die Polizei hat sich bei der Entscheidungsfindung sowohl an den rechtlichen als auch an den situativ tatsächlichen Möglichkeiten zu orientieren. Dabei sind eine Vielzahl von Einflussgrößen, oftmals in einer zeitlich stark determinierten Lagebeurteilung, zu berücksichtigen. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit belegen, dass die hessische Polizei diesen Anforderungen mit einem hohen Maß an Professionalität gerecht wird. Aus diesem Grunde hat sie das volle Vertrauen der Hessischen Landesregierung.