Welche Planungssystematik lag der 4 Thüringer Krankenhausplanung

Februar 2002 hat folgenden Wortlaut:

Mit dem 4. Thüringer Krankenhausplan wurden weitreichende Entscheidungen für die Entwicklung im Krankenhaussektor getroffen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Planungssystematik lag der 4. Thüringer Krankenhausplanung zugrunde?

2. Welche Planungsziele verfolgte die Landesregierung mit dieser Planungssystematik?

3. Welche Möglichkeiten wurden dem Krankenhausplanungsausschuss eingeräumt seine Rolle im Planungsprozess auszufüllen?

4. Wurden einvernehmliche Beschlüsse des Krankenhausplanungsausschusses vom Letztentscheidungsträger ignoriert oder anders interpretiert?

5. Welche Rolle soll künftig dem Krankenhausplanungsausschuss zugestanden werden, und wie will man den Ausschuss in Zukunft besetzen?

6. Wie wurden Gebietskörperschaften in den Planungsprozess einbezogen?

7. Wie definiert die Landesregierung Mindest- bzw. Optimalgrößen von Krankenhäusern und mit welchem Leistungsmix?

8. Wie wurde mit der Planung die Sicherstellung unter dem Aspekt der territorialen Versorgungsstruktur und somit auch topographische Besonderheiten und verkehrstechnische Erreichbarkeit für den Bürger berücksichtigt?

9. Welche Bedeutung kommt der Versorgungsdichte für regionale und überregionale Fachgebiete zu und welches sind die markanten Beispiele dafür im Krankenhausplan?

10. Wie beurteilt die Landesregierung die Rolle der Krankenkassen im Planungsprozess unter dem Aspekt der ganzheitlichen Versorgung?

11. Wie ist die Möglichkeit bisher stationärer Leistung in den teilstationären bzw. ambulanten Bereich zu bewerten?

12. Wie beurteilt die Landesregierung eine sektorübergreifende ambulant stationäre Regionalplanung?

13. Wie beurteilt die Landesregierung hinsichtlich der Neuorientierung in der Krankenhausplanung die Versorgung außerhalb des Krankenhausbereichs - Pflege, Rehabilitation, ambulante ärztliche Versorgung - bei zunehmendem Ärztemangel, insbesondere im ambulanten Bereich?

15. April 2002

Wird die Landesregierung mit der Einführung des neuen Entgeltsystems für die Krankenhäuser diesen Prozess begleiten und in welcher Form?

15. Wie verfährt die Landesregierung mit der Erteilung von Feststellungsbescheiden zum 4. Krankenhausplan unter Berücksichtigung der Tatsache, dass noch Klagen zum 3. Krankenhausplan anhängig sind?

Das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 3. April 2002 wie folgt beantwortet:

Zu 1. und 2.: Die Erstellung des 4. Thüringer Krankenhausplans erfolgte auf der Grundlage der §§ 6 und 7 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) sowie der §§ 4 bis 7 des Thüringer Krankenhausgesetzes Nach § 4Abs. 2 soll der Krankenhausplan die für eine patienten- und bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung notwendigen Krankenhäuser ausweisen. Unter Beachtung der Kriterien der Patienten- und Bedarfsgerechtigkeit verfolgt der 4. Thüringer Krankenhausplan zur Gewährleistung der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der stationären Versorgung das Planungsziel, entsprechend der Entwicklung der medizinischen Versorgung in Thüringen bestehende Überkapazitäten abzubauen und die Strukturen der Krankenhausversorgung zu optimieren.

Ausgehend von den Strukturen und Bettenkapazitäten des 3. Thüringer Krankenhausplans wurde in Abstimmung mit dem Krankenhausplanungsausschuss im Auftrag des Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit (TMSFG) ein Gutachten zur Vorbereitung des 4. Thüringer Krankenhausplans durch das Institut für Gesundheitssystemforschung (IGSF) Kiel erstellt. Zu den planungsrelevanten Gebieten Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Geriatrie und Intensivmedizin hat darüber hinausgehend der Krankenhausplanungsausschuss unter Einbeziehung von Sachverständigen eigene Bedarfsermittlungen angestellt. Unter Einbeziehung der Ergebnisse des IGSF-Gutachtens und der eigenen Bedarfsermittlungen wurde die eingetretene und künftig zu erwartende Entwicklung der Krankenhausversorgung in Thüringen durch den Krankenhausplanungsausschuss bewertet. Dabei wurden insbesondere auch die zu erwartenden Auswirkungen des im März dieses Jahres verabschiedeten Fallpauschalengesetzes auf die Entwicklung der Krankenhausverweildauern und des Bettenbedarfs berücksichtigt. Dies ist insbesondere auch im Interesse der Krankenhäuser notwendig, um deren Wirtschaftlichkeit unter den Bedingungen des mit dem Fallpauschalengesetz einzuführenden Diagnosis Related Groups (DRG)-Vergütungssystems sicher zu stellen. Dabei wurde erkennbar, dass unter DRG-Bedingungen mit einer deutlichen Verweildauerverkürzung und einem sinkenden Bettenbedarf zu rechnen ist. Nach den hieraus gewonnenen Erkenntnissen hinsichtlich der Entwicklung des Bedarfs wurden durch das TMSFG standortbezogene Vorschläge erarbeitet und in die Beratungen des Krankenhausplanungsausschusses eingebracht. Die Krankenhäuser und Krankenhausträger wurden hierzu angehört.

Zu 3.: Nach § 7 KHG in Verbindung mit den §§ 5 und 6 hat der Krankenhausplanungsausschuss die Aufgabe, die Mitwirkung der an der Krankenhausversorgung im Lande Beteiligten bei der Krankenhausplanung sicher zu stellen.

Der Krankenhausplanungsausschuss wurde entsprechend dieser gesetzlichen Bestimmungen in die Erstellung des 4. Thüringer Krankenhausplans einbezogen. Er hat seine diesbezüglichen Rechte, zum Verfahren und zu Sachfragen Anträge zu stellen und über ein eigenständiges Votum Empfehlungen an das TMSFG zu geben, in vollem Umfange wahrnehmen können.

Die Mitglieder des Krankenhausplanungsausschusses haben das Gutachten des IGSF Kiel sowie alle hierzu mit den Krankenhäusern und Krankenhausträgern geführten Korrespondenzen für ihre eigene Meinungsbildung erhalten.

Der Krankenhausplanungsausschuss hat seine rechtlichen Möglichkeiten jedoch nur zum Teil wahrgenommen und zu Beginn des Planungsverfahrens hierzu keine eigenen standort- und kapazitätsbezogenen Empfehlungen für den 4. Thüringer Krankenhausplan abgegeben. Insoweit erfolgten die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung der Krankenhäuser und Krankenhausträger sowie die weiteren Beratungen zu einzelnen Standorten, Abteilungen und Bettenzahlen auf der Grundlage eines vom TMSFG erarbeiteten Planungsvorschlags. Der abschließenden Beschlussfassung lagen neben den dargestellten Ergebnissen zur Bedarfsermittlung die Voten der Krankenhäuser zum Planungsvorschlag des TMSFG sowie weitere Anträge der Mitglieder des Planungsausschusses zu Grunde.

Zu 4.: Beschlussfassungen des Krankenhausplanungsausschusses kommen durch Mehrheitsentscheidungen zu Stande. Soweit der Krankenhausplanungsausschuss zu einzelnen Standorten, Abteilungen oder Planbettenzahlen einvernehmliche Beschlüsse gefasst hat, wurden diese durch das TMSFG in den 4. Thüringer Krankenhausplan aufgenommen. Sie wurden also weder ignoriert noch anders interpretiert.

Zu streitbefangenen Planungsentscheidungen hat der Krankenhausplanungsausschuss in der Regel keine einvernehmlichen Beschlüsse gefasst. Unter Beachtung der im Rahmen gewonnenen Erkenntnisse ist das TMSFG lediglich hinsichtlich der Neustrukturierung der Versorgung in den Gebieten Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Neurologie an den Standorten der FSU Jena und Stadtroda, der Kinderabteilung am Kreiskrankenhaus Bad Salzungen und der Gesamtbettenzahl der gynäkologisch/geburtshilflichen Abteilung am Klinikum Erfurt von den mit einfacher Mehrheit verabschiedeten Voten des Krankenhausplanungsausschusses abgewichen.

Zu 5.: Der Planungsausschuss arbeitete und arbeitet auf der Grundlage der einschlägigen Bestimmungen des Thüringer Krankenhausgesetzes (§§ 4 bis 7 siehe Antwort zu Fragen 1 bis 3).

Mit der derzeit vorbereiteten Novellierung dieses Gesetzes ist eine Veränderung dieser Bestimmungen nicht vorgesehen.

Zu 6.: Die Gebietskörperschaften wurden in den Planungsprozess einbezogen.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 und 4 sind der Thüringer Landkreistag sowie der Gemeinde- und Städtebund Thüringen mit je einem stimmberechtigten Mitglied im Krankenhausplanungsausschuss vertreten. Sie haben dabei die spezifischen Interessen der Kommunen und der kommunalen Krankenhausträger in vollem Umfang wahrgenommen. Entsprechend § 7 Abs. 1 KHG wurden alle Krankenhausträger und Krankenhäuser zu den Planungsvorschlägen angehört.

Soweit kommunale Gebietskörperschaften Träger von Krankenhäusern sind, waren sie damit in die Anhörung unmittelbar einbezogen.

Zu 7.: Mindest- bzw. Optimalgrößen von Krankenhäusern oder Krankenhausabteilungen werden durch die Kriterien Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit bestimmt. Leistungsfähig ist ein Krankenhaus oder eine Abteilung dann, wenn neben der erforderlichen technischen Ausstattung eine ausreichende ärztliche Besetzung durchgehend gewährleistet werden kann. Hierfür sind nach Aussagen des Gutachtens für eine einzelne Fachabteilung mit Stationsgröße mindestens sieben Ärzte mit der erforderlichen Qualifikation erforderlich. Die Optimalgröße wird dann erreicht, wenn bei Gewährleistung der notwendigen Leistungsfähigkeit durch das Krankenhaus eine maximale Wirtschaftlichkeit erzielt werden kann. Die Unterschreitung der hierfür erforderlichen Bettenzahlen führt dabei in unterschiedlichem Maße zur Umlage unvermeidbarer Fixkosten auf weniger Betten und damit zur Verteuerung der Behandlungskosten im Einzelfall.

Die Krankenhausplanung hat dabei dem Zielkonflikt zwischen den Interessen der Krankenhausträger sowie der Zielstellung einer möglichst wohnortnahen Krankenhausversorgung der Bevölkerung einerseits und der aus wirtschaftlichen Gründen wünschenswerten Konzentration von Krankenhausleistungen in größeren Einheiten andererseits Rechnung zu tragen. Aufgrund der Differenzierung des Versorgungsauftrags in regional und überregional zu versorgende Fachgebiete ist es nicht zweckmäßig, Absolutzahlen für Mindest- und Optimalgrößen anzugeben.

Die Leistungsstrukturen der Thüringer Krankenhäuser sind im Wesentlichen historisch gewachsen. Regionale Versorgungskrankenhäuser sollen die Abteilungen Chirurgie, Innere Medizin sowie Gynäkologie und Geburtshilfe vorhalten.

Aus wirtschaftlichen Gründen kann es aber zweckmäßiger sein, das Leistungsangebot auf ein oder zwei Fachgebiete mit ausreichender Abteilungsgröße zu begrenzen. Eine Vorgabe im Sinne eines Leistungsmixes ist daher nicht sinnvoll.

Zu 8.: Naturgemäß haben im Flächenstaat Thüringen die topographischen Besonderheiten und verkehrstechnische Erreichbarkeit innerhalb eines Versorgungsgebiets bei der Krankenhausplanung stets eine erhebliche Rolle gespielt. Dies findet seinen Niederschlag insbesondere darin, dass kleinere Krankenhausabteilungen, insbesondere die Kinderabteilungen in Apolda und Bad Salzungen im Rahmen der Krankenhausplanung bestätigt wurden.

Zu 9.: Wie zu Frage 7 dargestellt, sollen insbesondere die Gebiete Innere Medizin, Chirurgie und Gynäkologie/Geburtshilfe grundsätzlich wohnortnah vorgehalten werden und die Bürger regional versorgen. Für eine Reihe hochspezialisierter Gebiete, wie z. B. die Kinderchirurgie, die Strahlentherapie, die Herzchirurgie und die Kinder- und Jugendpsychiatrie ergibt sich aus ihren Inhalten primär ein überregionaler Versorgungsauftrag. Für die übrigen Gebiete, insbesondere Pädiatrie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Urologie, Orthopädie u. a. ist eine möglichst wohnortnahe Versorgung anzustreben, es ist jedoch weder möglich noch sinnvoll, diese Gebiete an jedem Krankenhaus und in jedem Landkreis vorzuhalten. Die im Krankenhausplan ausgewiesenen Standorte entsprechen dabei vor allem den historisch gewachsenen Strukturen.

Zu 10.: Die Verbände der Krankenkassen haben die ihnen im Rahmen des Krankenhausplanungsausschusses in vollem Umfange wahrgenommen. Dabei war im Hinblick auf die schwierige Finanzsituation der Krankenkassen deren Interesse insbesondere an der Schaffung kostengünstiger und wirtschaftlicher Krankenhausstrukturen und an einem weitergehenden Bettenabbau erkennbar.

Die Schaffung einer ganzheitlichen Versorgung im Sinne sektorenübergreifender Leistungsangebote kann im Rahmen der Krankenhausplanung nur bedingt geleistet werden, da ambulante Leistungen oder Leistungen der medizinischen Rehabilitation nicht Gegenstand der Krankenhausplanung sind, wenngleich sie bei der Ermittlung des Bettenbedarfs berücksichtigt werden müssen.

Zu 11.: Der 4. Thüringer Krankenhausplan weist für die Gebiete Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Geriatrie sowie Orthopädie in größerem Umfang tagesklinische Kapazitäten aus. Darüber hinaus ist es rechtlich nicht möglich, auf dem Planungsweg unmittelbar Einfluss zu Gunsten einer ambulanten Leistungserbringung zu nehmen, da die ambulante Versorgung ausschließlich Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen (KVT) ist.

Zu 12.: Eine sektorübergreifende ambulant stationäre Regionalplanung wäre aus der Sicht der Landesregierung außerordentlich zu begrüßen. Es ist jedoch hierzu festzustellen, wie bereits zu Frage 11 ausgeführt, dass nach dem Krankenhausrecht lediglich stationäre Kapazitäten geplant werden können. Die Planung der vertragsärztlichen Versorgung erfolgt als Selbstverwaltungsaufgabe durch die KVT in Zusammenarbeit mit den Krankenkassenverbänden. Nach § 6 ist die KVT mittelbar Beteiligte im Krankenhausplanungsausschuss und nimmt dort Einfluss auf sektorübergreifende Fragen der medizinischen Versorgung im ambulanten und akutstationären Bereich. Soweit Vertragsarztpraxen im Krankenhaus angesiedelt werden, ist dies eine Entscheidung der jeweiligen Krankenhausträger. Die Landesregierung unterstützt derartige Bemühungen ausdrücklich.

Zu 13.: Die Versorgung im Bereich der Kranken- und Altenpflege ist sichergestellt. Die ärztliche Betreuung erfolgt in der Regel durch Vertragsärzte. Auch die Versorgung im Rahmen der stationären Rehabilitation erfolgt bei noch bestehenden Überkapazitäten an Thüringer Rehabilitationskliniken bedarfsgerecht. Die ambulante Versorgung durch Vertragsärzte kann derzeit noch bedarfsgerecht sichergestellt werden. Die Landesregierung hat jedoch mit Besorgnis zur Kenntnis genommen, dass Ärzte in den neuen Ländern generell nicht mehr in ausreichendem Umfang auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Insbesondere ist bekannt, dass in einigen Jahren aufgrund der Altersstruktur vor allem im hausärztlichen Bereich ein Mangel an niedergelassenen Ärzten entstehen kann. Die Landesregierung hat aus diesem Grund bereits seit mehreren Jahren das Förderprogramm für die Weiterbildung im nachhaltig unterstützt. Entsprechende Forderungen an die Bundesregierung, mit einer Angleichung der ärztlichen Honorare an das Niveau der alten Länder (zurzeit ca. 76 Prozent) einer drohenden Unterversorgung entgegen zu wirken, blieben bisher ohne Erfolg.

Zu 14.: Hinsichtlich der Einführung des neuen Entgeltsystems auf steht das TMSFG seit längerem sowohl mit der Thüringer Krankenhausgesellschaft als auch mit den Krankenkassenverbänden und der Kassenärztlichen Vereinigung im engen Kontakt. Nach der kürzlich erfolgten Verabschiedung des Fallpauschalengesetzes durch Bundestag und Bundesrat wird dieser Prozess in den nächsten Monaten fortgesetzt werden. Der Krankenhausplanungsausschuss wird seinerseits die Auswirkungen des Fallpauschalengesetzes in Thüringen in einer der nächsten Sitzungen beraten und sodann weiter begleiten.

Zu 15.: Das TMSFG erstellt derzeit die Feststellungsbescheide zum 4. Thüringer Krankenhausplan auf der Grundlage der im Krankenhausplan ausgewiesenen Strukturen und Bettenkapazitäten. Noch nicht abgeschlossene Verwaltungsstreitsachen zum 3. Thüringer Krankenhausplan sind hiervon unabhängig. Die aus diesen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse finden jedoch bei der Erstellung der Feststellungsbescheide zum 4. Thüringer Krankenhausplan Berücksichtigung.