Rehabilitation

3. In welchem Umfang wird Sport- und Freizeitförderung für Behinderte angeboten, und wie werden diese von Behinderten angenommen?

In Thüringen gibt es ca. 169 000 Behinderte (Statistisches Jahrbuch 2000). In Vereinen treiben ca. 10 000 behinderte Menschen Sport, also ca. sechs Prozent. Davon sind 11,4 Prozent Kinder und Jugendliche.

Durch den Thüringer Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband und seine ihm angeschlossenen Vereine werden Sportangebote im Rehabilitations-, Breiten- und Leistungssport auch für Behinderte, die nicht Mitglied eines Vereins sind, organisiert.

Dabei umfasst der Rehabilitationssport den größten Teil der Mitglieder, die ärztlich verordneten Sport unter Anleitung von 370 lizenzierten Übungsleitern betreiben. Im Mittelpunkt stehen dabei die Sportarten Gymnastik, Leichtathletik, Schwimmen und Spiele.

Spezielle Angebote bestehen für bestimmte Behinderungsarten wie für Blinde und Sehgeschädigte, Rollstuhlfahrer, Menschen mit Cerebralparesen (spastisch Gelähmte), mit geistigen Behinderungen sowie für Krebs-, Herz-, Osteoporose- und Diabetes-Kranke.

Breitensport wird schwerpunktmäßig in den Sportarten Leichtathletik, Schwimmen, Spiele, Tischtennis, Kegeln, Bogenschießen, Wintersport und Rollstuhltanz betrieben. Dabei besteht auch die Möglichkeit, an Vergleichskämpfen und Meisterschaften bis auf Bundesebene teilzunehmen.

Der Leistungssport der Behinderten konzentriert sich auf wenige Sportvereine, in denen sich behinderte Sportlerinnen und Sportler gezielt auf internationale Wettkämpfe vorbereiten.

Über den Bereich des organisierten Sports für Behinderte hinaus werden Spiel- und Sportfeste durch Sportvereine in Zusammenarbeit mit öffentlichen Institutionen organisiert, welche bei Behinderten auch ohne Vereinsbindung großen Zuspruch erfahren.

Großen Anklang finden Fußballturniere in Bad Salzungen, Sondershausen und Jena, an denen Lernbehinderte aus Förderschulen bzw. geistig Behinderte teilnehmen.

Herausragende Sport- und Spielangebote für alle Behinderungsarten bieten die jährlichen Sport- und Spielfeste des Thüringer Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbandes, bei denen sich die Teilnehmerzahlen in den vergangenen acht Jahren von 600 auf 1 800 Behinderte und deren Betreuer erhöht haben.

4. gibt es für den Erwachsenen- und Freizeitsport und in der Gymnastik für Senioren an welchen Orten und mit welchen Angeboten?

56 226 Männer und 27 485 Frauen im Altersbereich 41 bis 60 Jahre (12,1 Prozent der Bevölkerung in Thüringen) sowie 18 206 Männer und 13 690 Frauen im Altersbereich über 60 Jahre (5,6 Prozent der Bevölkerung) waren im Jahr 2001 in Sportvereinen aktiv.

Bevorzugte Sportarten sind Bergsteigen, Behinderten- und Rehasport, Fußball, Handball, Kegeln, Leichtathletik, Schießsport, Schwimmen, Sportangeln, Tennis, Tischtennis, Turnen/Gymnastik, Volleyball und Wandern.

Dabei hat die Sportart Turnen/Gymnastik mit 5 669 Mitgliedern über 60 Jahre die höchste Mitgliederzahl.

Der Landessportbund Thüringen hat 2001 erstmalig in Zusammenarbeit mit fünf Landkreisen und kreisfreien Städten eine detaillierte Erfassung von Seniorensportangeboten veröffentlicht. Das bezieht sich auf die Sportkreise Suhl, Weimar, Saale-Orla, Saale-Schwarza und Jena (beispielhaft siehe Informationsblatt des LSB in der Anlage 4.4.1). Im Jahr 2002 werden Angebote in weiteren vier Landkreisen und kreisfreien Städten hinzukommen.

Der Landessportbund Thüringen fördert zusätzlich folgende Projekte: Seniorensportbetreuer vor Ort, Neugründung und Erweiterung von Sportgruppen 50 PLUS und Informationsveranstaltungen sowie Aktionstage und Wettbewerbe 50 PLUS.

Nicht erfasst sind die umfangreichen, nicht vereinsmäßig organisierten Sportangebote wie Sport-Center, Schwimmbäder, Fitness-Center und andere.

5. Wie werden die Angebote von den Zielgruppen angenommen und wie erfolgt die Finanzierung der Angebote?

Die oben genannten Vereinsangebote werden von der Bevölkerung sehr gut angenommen. Es kann von einer nahezu vollständigen Auslastung ausgegangen werden.

Die Finanzierung der Gruppen im Bereich des Erwachsenen- und Seniorensports erfolgt über Mitgliedsbeiträge und Kurskosten. In Ausnahmefällen, wenn das durch den Deutschen Sportbund zertifizierte Qualitätssiegel SPORT PRO GESUNDHEIT vorliegt, erfolgt die Refinanzierung durch Kurskostenrückerstattung der Krankenkassen an die Teilnehmer auf gesetzlicher Grundlage § 20 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Im Bereich Rehabilitation erfolgt die Finanzierung über Mitgliedsbeiträge und über Rezepte für Rehabilitationssport (Leistungen durch die Krankenkassen auf Grundlage § 43 SGB V).

Die Auslastung der nicht in Vereinen organisierten Angebote ist nicht erfasst.

6. Prof. Gabriel, Lehrstuhl Sport der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena, empfiehlt das Modell Netzwerk Gesundheit für Thüringen. Gibt es dazu seitens der Landesregierung Initiativen zur Umsetzung des Modells?

Ein Modell Netzwerk Gesundheit für Thüringen liegt der Landesregierung bisher nicht vor.

7. Welche Rolle kommt dem Gesundheitsbericht Thüringen bei der Gesundheitsförderung aus Sicht der Landesregierung zu?

Die durch das TMSFG im Abstand von drei Jahren veröffentlichten Gesundheitsberichte sollen grundsätzlich die Transparenz des gesundheitlichen Geschehens verbessern.

Die aktuelle Zusammenstellung von gesundheitlich relevanten Daten dient der wirksamen Unterstützung gesundheitspolitischer Entscheidungen auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Wirksame Gesundheitspolitik bekommt erst mit einer Gesundheitsberichterstattung, die Defizite benennt und Handlungsbedarf präzisiert, einen verlässlichen, wissenschaftlich abgesicherten Unterbau.

Nur durch die Bewertung des Erreichten und die Formulierung von Gesundheitszielen sind wegweisende gesundheitspolitische Entscheidungen möglich, insbesondere auch auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung.

Zu den Zielen einer zukunftsorientierten Gesundheitspolitik zählt zweifellos die Schaffung einer gesundheitsförderlichen Lebensumwelt und die Entwicklung gesundheitsdienlicher Einstellungen und Verhaltensweisen bei jedem Einzelnen. Maßnahmen der Gesundheitsförderung stehen mit im Mittelpunkt der Überlegungen im Rahmen der Gesundheitsreform. Die Gesundheitsförderung bildet einen Schwerpunkt der Thüringer Gesundheitspolitik. Um Gesundheitsförderung zielgruppenorientiert und damit effektiv zu gestalten, bedarf es insbesondere der Analyse des aktuellen Gesundheitsbewusstseins und Gesundheitsverhaltens der Bevölkerung.

8. Gesundheitsförderung ist ohne Gesundheitsbildung nicht möglich. Wo sieht die Landesregierung Ansätze für eine stärkere Bürgerbeteiligung zur Gesundheitsbildung und zu einem bewussten individuellen Gesundheitsverhalten?

Der entscheidende Ansatz, die Nachhaltigkeit der Thüringer Gesundheitsbildung zu erhöhen und damit eine stärkere Bürgerbeteiligung im Prozess der Festigung von Gesundheitsbewusstsein und Gesundheitsverhalten zu erreichen, ist die Erhaltung der bereits der Gesundheitsbildung, die Bestandteil der in I/3, 5, 6, 7, 8; II/1, 3, 4, 5, 7, 8, 9, 16 a, 19; IV/10 bis 15 sowie VI/4, 5 genannten Maßnahmen der Gesundheitsförderung sind. Die dort genannten Maßnahmen seien an dieser Stelle ergänzt um die nach dem Thüringer Erwachsenenbildungsgesetz anerkannten förderungsberechtigten Einrichtungen, die ihren spezifischen Beitrag zur Gesundheitsbildung leisten.

Die Volkshochschulen und freien Träger der Erwachsenenbildung unterbreiten seit Jahren ein umfangreiches Angebot an Kursen im Bereich der Gesundheitsbildung (Gesunde Ernährung, Körperpflege, Yoga, Entspannungstechniken, Stress und Bewegung, Gymnastik, Körpererfahrung, Gesundheitspflege, Heilkräuternutzung, Rückenschule) und reagieren damit auf eine verstärkte Nachfrage (s. auch IV/9).

Um die Bürgerbeteiligung an der Gesundheitsbildung zu stärken, sind diese Angebote der Thüringer Gesundheitsbildung

- in ihrer inhaltlichen und methodischen Qualität zu beschreiben (Dokumentation sowie Bewertung in den bestehenden Fachgremien wie AGETHUR, Thüringer Koordinierungsstelle Suchtprävention, Landeskoordinierungsgruppe Schulische Gesundheitsförderung) und kontinuierlich am aktuellen Fachstandard der Gesundheitswissenschaften/Gesundheitsförderung auszurichten,

- hinsichtlich ihrer Überzeugungskraft und Zielguppengenauigkeit kontinuierlich zu prüfen und gegebenenfalls zu modifizieren,

- auf Defizite in der regionalen Verteilung zu prüfen, um ggf. vorhandene Lücken zu schließen,

- zu koordinieren und zu vernetzen,

- verstärkt über die Arbeit mit Multiplikatoren umzusetzen, um die Reichweite zu erhöhen,

- durch eine offensive Öffentlichkeitsarbeit zu begleiten,

- über bürgernahe Informationswege an die verschiedenen Zielgruppen weiter zu vermitteln.

Als Einzelbeispiel für das Bemühen um eine stärkere Bürgerbeteiligung sei das Kooperationsvorhaben von Volkshochschulen und Klett-Verlag VHS - Gemeinsam Gesundheit erleben genannt.

Ein ein gesundheitsbewusstes gesellschaftliches Klima zu fördern, für die Gesundheitsbildung zu werben, Träger von Gesundheitsbildung/Gesundheitsförderung vorzustellen sowie Informationen über konkrete Angebote der Gesundheitsbildung (thüringenweit und regional bzw. kommunal) zu streuen, sind die bereits zur Tradition gewordenen Thüringer Gesundheitswochen.

Über die Annahme der zahlreichen und differenzierten Angebote im Bereich der Gesundheitsbildung entscheiden jedoch letztlich die Bürger in eigener Verantwortung.

9. Sind in der Thüringer Bevölkerung veränderte Einstellungen zum gesunden Leben nachweisbar und wie unterscheiden sich diese vom Bundesdurchschnitt oder von anderen Bundesländern?

Studien, die die Komplexität der Einstellung der Thüringer Bevölkerung zum gesunden Leben widerspiegeln, liegen der Landesregierung nicht vor.Allerdings gibt es aus verschiedenen Quellen Informationen zu einzelnen Aspekten des Gesundheitsverhaltens, die Rückschlüsse auf die Einstellung zum gesunden Leben zulassen.

1. Die statistischen Berichte zu der Mikrozensus-Ergänzungserhebung zur Gesundheit im Freistaat Thüringen enthalten Angaben zum Tabakrauchen aus den Jahren 1992, 1995 und 1999 sowie einen deutschlandweiten Vergleich für die Jahre 1995 und 1999. Bezogen auf die befragten Personen (im Alter ab 15 Jahre) ist der Anteil der Nichtraucher im Untersuchungszeitraum fast konstant geblieben: er betrug 1992 72 Prozent und 1995 sowie 1999 74 Prozent. Die geringfügige Steigerung ist dabei ausschließlich auf die Altersgruppe der über 65-Jährigen zurückzuführen. Eine positive Veränderung der Einstellung zum gesunden Leben ist aus dem Rauchverhalten nicht abzuleiten. Im Bundesvergleich liegt Thüringen beim Anteil der Nichtraucher in den Jahren 1995 und 1999 nach Sachsen (Rangplatz 1), Baden-Württemberg und Bayern (beide Rangplatz

2) auf Rang 3. Der Anteil der Nichtraucher bewegt sich - bezogen auf alle Länder - zwischen 66,4 und 77,1 Prozent (1999).

2. Eine Befragung der Thüringer Sportjugend von 2 404 Thüringer Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 11 und 14 Jahren aus dem Jahr 2000 zeigt, dass es für fast 93 Prozent der Befragten wichtig ist, sportlich fit zu sein. Dabei bestehen keine Unterschiede zwischen Geschlecht, Schulbildung, Alter und Wohnort. Fast zwei Drittel treiben regelmäßig Sport - 27 Prozent viermal pro Woche und 35 Prozent zweimal pro Woche. Zeitvergleiche und Vergleiche mit anderen Ländern liegen nicht vor.

3. Die Analyse der Nutzung von Angeboten der Gesundheitsbildung in den Volkshochschulen zeigt, dass

- gemessen an allen Unterrichtsstunden - der Gesundheitsbereich einen mittleren Programmbereich (ca. 15 Prozent) darstellt. Dies entspricht dem Bundesdurchschnitt. In den neuen Ländern sowie in Hamburg, Bremen und Niedersachen gilt der Gesundheitsbereich mit weniger als zehn Prozent der Unterrichtsstunden hingegen als kleiner Programmbereich (in den Stadtstaaten wird das mit dem großen Gesundheitsangebot außerhalb von Volkshochschulen begründet). Diese Zahlen könnten dafür sprechen, dass in Thüringen im Verhältnis zu den neuen und einigen alten Ländern ein relativ hohes Gesundheitsbewusstsein herrscht. Interessant ist darüber hinaus, dass in Thüringen überdurchschnittlich viele Frauen an der Gesundheitsbildung teilnehmen (90,6 Prozent). Im Vergleich dazu sind es im Bundesdurchschnitt 74,5 Prozent Frauen (25,5 Prozent Männer) und im Gesamtdurchschnitt der Thüringer Volkshochschulteilnehmer 75,3 Prozent Frauen und 24,7 Prozent Männer.

4. Die Vorsorgeuntersuchungen (Krebsfrüherkennungsuntersuchungen, Gesundheitsuntersuchungen Checkup 35) werden von der Thüringer Bevölkerung in ungenügendem Umfang genutzt. Der 3. Thüringer Gesundheitsbericht zeigt für die Jahre zwischen 1996 und 1998 für Thüringer Frauen eine Inanspruchnahmequote bei Krebsfrüherkennungsuntersuchungen von ca. 45 Prozent, für Männer von 15 Prozent. Bei den Frauen ist die Inanspruchnahmequote von 1991 bis 1996 permanent gestiegen und hat sich seitdem auf einem Niveau eingepegelt, das etwa dem deutschen Durchschnitt entspricht. Bei den Männern hingegen ist keine positive Entwicklung erkennbar. der Krankenkassen für die letzten Jahre bestätigen eine verbesserungswürdige Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen. Bei Betrachtung der bei der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen in den Jahren 1999, 2000 und 2001 zur Abrechnung gekommenen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen sowie der gekommenen Gesundheitsuntersuchungen Check-up 35 ist allerdings bereits eine Steigerung der Inanspruchnahme zu erkennen.