Asylbewerber

August 2002 hat folgenden Wortlaut:

In der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) Jena Forst ist es wiederholt zu Zwangsmaßnahmen im Zusammenhang mit Umverteilungen von Asylbewerber/-innen aus der EAE Jena gekommen. In einigen Fällen hat dabei der eingesetzte Wachschutz der Firma MSD einfache körperliche Gewalt oder Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs gegenüber betroffenen Asylbewerbern angewandt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Auf welcher rechtlichen Grundlage sind private Sicherheitsfirmen in Gemeinschaftsunterkünften -innen in Thüringen eingesetzt und worauf stützt sich ihr Handeln?

2. Aufgrund welcher gesetzlichen Ermächtigung wenden Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen körperliche Gewalt oder Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs im Zusammenhang mit Umverteilungsmaßnahmen an?

3. Sind Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen berechtigt, amtliche Dokumente bzw. Ausweispapiere zu kontrollieren, Taschen von Asylbewerbern/-innen einzubehalten oder deren Inaugenscheinnahme zu fordern? Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage?

4. Unter welchen Umständen sind private Sicherheitsfirmen, Betreiberfirmen und/oder Heimleitungen befugt oder berechtigt, die von Asylbewerbern/-innen bewohnten Räume zu betreten? Welche rechtliche Grundlage existiert hierfür?

5. Inwieweit hat ein/eine Bewohner/-in einer Landesgemeinschaftsunterkunft (LGU) oder Gemeinschaftsunterkunft (GU) das Recht, Besuch zu empfangen und über den Verbleib des Besuchs im zugewiesenen Zimmer zu befinden?

6. Auf welcher gesetzlichen Grundlage kann das Besuchsrecht von Asylbewerbern/-innen in LGUs/GUs in welchem Maße eingeschränkt werden?

7. In welchem Verhältnis steht Besuchsrecht, das Besuchsempfangsrecht der Bewohner/-innen einer LGU/GU zum formalen, vertraglichen Hausrecht des LGU- bzw. GU-Betreibers?

8. Kann eine Betreiberfirma eine Person, die von einem/einer Bewohner/-in einer LGU/GU auf das Gelände oder in die Gebäude der LGU/GU eingeladen wurde, mit Hausverbot belegen oder gar wegen Hausfriedensbruchs anzeigen, sofern allein die bloße, als störend empfundene Anwesenheit und offenkundig keine Straftat vorliegt?

16. Oktober 2002

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 1. Oktober 2002 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Grundlage für das Handeln der Mitarbeiter privater Bewachungsunternehmen ist das Hausrecht des Trägers der jeweiligen Gemeinschaftsunterkunft (GU), das - soweit eine entsprechende Ermächtigung durch den Träger der Einrichtung vorliegt - auch von den Mitarbeitern des jeweiligen Bewachungsunternehmens ausgeübt werden kann. Eine Übertragung des Hausrechts ist insbesondere im jeweiligen Vertrag zwischen dem Träger der Einrichtung und dem Bewachungsunternehmen möglich. Dieser regelt vor allem den Umfang der Bewachungstätigkeit des jeweiligen Unternehmens.

Den Mitarbeitern privater Bewachungsunternehmen stehen bei der Durchführung ihrer Bewachungsaufgaben gegenüber Dritten die Rechte zu, die jedermann im Falle einer Notwehr (§ 32 Strafgesetzbuch - eines Notstands (§ 34 sowie einer vorläufigen Festnahme nach § 127 der Strafprozessordnung zustehen.

Zu 2.: Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Mitarbeiter privater Bewachungsunternehmen bei Umverteilungsmaßnahmen körperliche Gewalt oder sonstige Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs anwenden. Widersetzen sich einzelne Asylbewerber der notwendigen Verteilung oder Umverteilung, wird grundsätzlich die Polizei gerufen. Diese hat, sofern die polizeirechtlichen Voraussetzungen vorliegen, die Möglichkeit, im Einzelfall unmittelbaren Zwang anzuwenden.

Zu 3.: Die Kontrolle von Taschen der Asylbewerber erfolgt grundsätzlich auf freiwilliger Basis. Die Anwendung von unmittelbarem Zwang durch Wachleute ist nicht zulässig. In begründeten Einzelfällen wird die zuständige Polizeidienststelle zum Zwecke der Durchführung einer Durchsuchung informiert. Eine Einbehaltung von Taschen oder anderen privaten Gegenständen der Asylbewerber durch die Mitarbeiter privater Bewachungsunternehmen ist nicht zulässig. Die Kontrolle von Ausweispapieren hat ihre Grundlage im Hausrecht, das die Wachleute im Einzelfall für den Träger der Einrichtung ausüben.

Zu 4.: Eine regelmäßige Kontrolle der Zimmer ist zur Gewährleistung von Hygiene und Sicherheit unerlässlich. Die Möglichkeit der Durchführung von Zimmerkontrollen ergibt sich aus dem Hausrecht, das vom jeweiligen Träger der Einrichtung auch auf andere Personen delegiert werden kann. Hierbei wird in angemessener Weise auf die Belange der ausländischen Flüchtlinge Rücksicht genommen.

Zu 5.: Grundsätzlich kann jede/r Bewohner/in einer GU, LGU oder EAE Besuch empfangen. Die Träger der Einrichtungen sind jedoch gehalten, ein Mindestmaß an Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Zu diesem Zweck werden zum Beispiel auch Zeiten festgelegt, in denen die Nachtruhe einzuhalten ist.

Aus Sicherheitsgründen ist ein Übernachten von Fremdpersonen in entsprechenden Einrichtungen grundsätzlich nicht möglich. Eine Übernachtungsmöglichkeit kommt in Einzelfällen nur für enge Familienangehörige in Betracht.

Zu 6.: Eine Einschränkung des Besuchsrechts der Asylbewerber erfolgt grundsätzlich nicht. Sonstige Einschränkungen für Besucher können sich unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Hausrecht des Trägers der Einrichtung ergeben.

Zu 7.: Das Besuchsrecht, das Recht Besuch zu empfangen und das Hausrecht des Trägers der Einrichtung sind im Einzelfall miteinander abzuwägen. Geht aber von Besuchern eine Gefahr für das Personal der Einrichtung oder für die Einrichtung selbst aus oder sind sonstige Straftaten zu erwarten, kann im Einzelfall dem Hausrecht des Trägers der Einrichtung der Vorrang gegenüber dem Besuchsrecht zukommen. Auch der Ausschluss einzelner Besucher ist dann möglich.

Zu 8.: Es müssen Gründe für ein Hausverbot vorliegen. Dabei muss es sich jedoch nicht zwingend um eine Straftat handeln.

Zur Begründung eines Hausverbots kann es ausreichen, wenn die Ausübung einer Straftat zu befürchten ist oder eine sonstige Gefahr z. B. für die Sicherheit und Ordnung in der Liegenschaft von dem Besucher ausgeht.