Worin sieht die Landesregierung die wichtigsten Ursachen für Unterrichtsausfall in

Ich frage die Landesregierung:

1. Worin sieht die Landesregierung die wichtigsten Ursachen für Unterrichtsausfall in Thüringen?

2. Wie hat sich die Personalsituation in den so genannten Mangelfächern, in welchen seit dem politischen Neubeginn nicht genug Fachlehrer vorhanden waren, entwickelt?

3. Wie beurteilt die Landesregierung den Unterrichtsausfall im Verhältnis zur Stundentafel im Vergleich mit anderen Ländern?

4. Welchen Orientierungsrahmen gibt es, wann welcher Unterricht notfalls und welcher Unterricht unter keinen Umständen ausfallen darf?

5. Welche Haltung nimmt die Landesregierung zu fachfremd vertretenem Unterricht ein?

6. An wen können sich Schülerinnen und Schüler bzw. Eltern wenden, um sachgerechte Auskunft über Unterrichtsausfall zu erhalten?

7. An wen wenden sich Schülerinnen und Schüler bzw. Eltern, wenn sie mit der erteilten Auskunft unzufrieden sind?

8. Welche Erwartungen hat die Landesregierung an das Verwaltungshandeln von Schulleiterinnen und Schulleitern, wenn Unterricht ausfällt?

9. Welche Erwartungen hat die Landesregierung an das Handeln der Schulämter, wenn Unterricht ausfällt?

10. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung für die staatliche Schulverwaltung, den offensiven Umgang bei Unterrichtsausfall einzuüben?

11. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung für ihr eigenes Eingreifen, wenn Unterricht ausfällt?

21. Oktober 2002

Das Thüringer Kultusministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 7. Oktober 2002 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Die wichtigste Ursache für den gegenwärtig zu verzeichnenden Unterrichtsausfall, der vorrangig die berufsbildenden Schulen des Freistaats betrifft, aber auch die so genannten Mangelfächer an den allgemein bildenden Schulen, ist der, auch bundesweit zu verzeichnende, zunehmende Mangel an geeigneten Bewerbern für die Einstellung in den Thüringer Schuldienst. Erschwerend hinzukommt das im Vergleich zu den alten Bundesländern niedrigere Besoldungs- bzw. Vergütungsniveau in Thüringen.

Zu 2.: Die nachfolgenden Übersichten stellen die Ergebnisse der Ausfallstatistiken, die im Rahmen der Schulstatistik der Schuljahre 1993/1994 und 2001/2002 in einer Woche zum Beginn des jeweiligen Schuljahres erhoben wurden, gegenüber. Aufgeführt ist jeweils die Gesamtzahl der ersatzlos wegen des Fehlens eines Fachlehrers ausgefallenen Stunden in Fächern, bei denen mehr als 100 Stunden im Erhebungszeitraum ausgefallen sind. Dies liegt zum einen an den vollzogenen Neueinstellungen von Lehrkräften in den vergangenen Jahren, wo im allgemein bildenden Bereich vorwiegend Lehrer mit diesen Lehrbefähigungen eingestellt wurden und zum anderen an der Tatsache, dass sich der Bedarf an Lehrkräften wegen des Schülerrückgangs verringert.

Zu 3.: Vergleichszahlen zum Unterrichtsausfall in anderen Bundesländern liegen nicht vor. Im Freistaat Thüringen liegt die Anzahl der Pflichtstunden je Schulart und Bildungsbereich über dem Durchschnitt im Bundesgebiet.

Zu 4.: Auf der Basis des Thüringer Schulgesetzes ist mit der Thüringer Schulordnung - dort vor allem in § 44 Stundentafel, Lehrpläne, Stundenplan - und der Verwaltungsvorschrift zur Organisation des jeweiligen Schuljahres ein Orientierungsrahmen vorgegeben.

Auf dieser Grundlage werden den Schulen nach dem so genannten Sockel-Faktoren-Modell die notwendigen Lehrerstunden zugewiesen. Über die Verwendung dieser Stunden für Unterricht und andere Aufgaben sowie Abminderungen entscheidet die Schule in eigener Verantwortung im Rahmen der rechtlichen Vorgaben.

In gleicher Weise hat die Schule Freiräume bei der Bildung von Klassen und Lerngruppen sowie bei der Gestaltung des Unterrichts.

Die Vermeidung von Unterrichtsausfall bildet einen Schwerpunkt in den regelmäßig stattfindenden Beratungen des Thüringer Kultusministeriums mit den Staatlichen Schulämtern. Ziel ist der Erfahrungsaustausch über Möglichkeiten zur Vermeidung von Unterrichtsausfall im Rahmen personalwirtschaftlicher Maßnahmen und organisatorischer Überlegungen.

Eine Wichtung der einzelnen Unterrichtsfächer würde dem gemeinsamen Auftrag des Thüringer Schulgesetzes für die Thüringer Schulen widersprechen; der allgemeine Bildungs- und Erziehungsauftrag wird durch die festgesetzte Stundentafel umgesetzt. Dessen ungeachtet ergeben sich in der Schulpraxis bei Berücksichtigung der Verschiedenheit der Bildungsgänge notwendige Schwerpunkte. Grundsätzlich sind die Schulen aufgefordert, unvermeidbaren Unterrichtsausfall möglichst gleichmäßig zu verteilen.

Insbesondere ist der Unterricht in den Abgangsklassen - dort vor allem in den prüfungsrelevanten Fächern - abzusichern.

Zu 5.: Grundsätzlich wird angestrebt, dass ausgebildete Fachlehrer Unterricht in dem entsprechenden Fach erteilen. Allerdings lässt sich dieses Grundprinzip aufgrund des bestehenden Fachlehrerbedarfs an einzelnen Schulen, der regionalen Schulnetzstruktur, der bestehenden Fachlehrerverteilung sowie der in einzelnen Fächerkombinationen nicht oder nur in begrenztem Maße zur Neueinstellung zur Verfügung stehenden Bewerber nicht immer einhalten. Insofern ist punktuell ein zeitlich befristeter fachfremder Einsatz von Lehrpersonal unumgänglich.

Das Thüringer Kultusministerium unterstützt die Lehrer, bei denen ein längerfristiger fachfremder Einsatz zu erwarten ist, mit einschlägigen Fortbildungsmaßnahmen. So wurde beispielsweise 2002 ein Fortbildungsprogramm für Lehrer neu aufgelegt, die im Fachbereich Arbeit-Wirtschaft-Technik unterrichten wollen und sollen.

Zu 6.: Der erste Ansprechpartner an der Schule ist für Schülerinnen und Schüler sowie für Eltern der Klassenlehrer. Daneben steht aber auch der Schulleiter im Rahmen seiner Gesamtverantwortung für den geordneten Schulbetrieb und den Unterricht zur Verfügung.

Zu 7.: Werden an der Schule die bestehenden Fragen zur Unterrichtsversorgung nicht zufriedenstellend beantwortet, können sich Schülerinnen und Schüler sowie Eltern an das Staatliche Schulamt wenden. Die zuständigen Referenten sind auskunftsfähig zur Personalsituation im Schulamtsbereich und können Eltern Auskunft über die Maßnahmen zu einer ordnungsgemäßen Personalplanung geben. Dabei müssen den Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen personalwirtschaftlichen und organisatorischen Handelns aufgezeigt werden.

Zu 8.: Das Thüringer Kultusministerium verfolgt insgesamt die Strategie, einen möglichst großen Anteil der Verantwortung für Schulorganisation und Lehrereinsatz an die Schulen zu geben. Nach dem Grundsatz, dass der Unterrichtserteilung oberste Priorität zukommt, muss der Schulleiter den Lehrereinsatz und die schulische Organisation mit Engagement, Variantenreichtum und Konsequenz so gestalten, dass Unterrichtsausfall weitgehend vermieden wird.

Dazu muss er mit den Schülerinnen und Schülern, und hier insbesondere den Schülervertretungen, aber ebenso mit den Eltern und den Elternvertretungen, offen über die personelle Situation sprechen und seine Überlegungen und Maßnahmen zur Vermeidung von Unterrichtsausfall darlegen. Es sollte auch darüber gesprochen werden, welche Möglichkeiten es für die Schülerinnen und Schüler sowie die Eltern gibt, einen Beitrag zum Ausgleich von unvermeidbarem Unterrichtsausfall zu leisten. Ist der Unterrichtsausfall vorübergehend, wäre beispielsweise denkbar, über längerfristige Lernaufträge einen gewissen Ausgleich zu schaffen. Auch die Verwendung neuer Medien sollte hier eine Rolle spielen, beispielsweise beim Vokabellernen. In einer kooperativ und offen geführten Schule kann der Schulleiter auch Verständnis erwarten, wenn vorübergehend beispielsweise größere Lerngruppen zur Vermeidung von Unterrichtsausfall gebildet werden müssen.

Zu 9.: Voraussetzung für die Vermeidung von Unterrichtsausfall ist eine rechtzeitige, bedarfsgerechte und ausgewogene Personalplanung. Im Falle von unvorhersehbarem Unterrichtsausfall muss das Staatliche Schulamt umgehend alle möglichen ausgleichenden Personalmaßnahmen prüfen und veranlassen. Dazu gehören die Prüfung von Möglichkeiten der Stellenanteilserhöhung und außerplanmäßigen Mehrarbeit, die Abordnung von Lehrkräften anderer Schulen teilweise oder in vollem Umfang, befristete Einstellungen und gegebenenfalls die Anforderung von Unterstützung aus anderen Schulamtsbereichen.

Zu 10.: Nach den Grundsätzen einer dialogischen Schulaufsicht steht an erster Stelle, mit Offenheit über Möglichkeiten und Grenzen personalwirtschaftlicher Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung von Unterrichtsausfall zu informieren. Anzustreben ist, mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen und sie an allen Überlegungen zu beteiligen.

Dies betrifft sowohl die Schulleitungen als auch die Schüler- und Elternvertretungen.

Zu 11.: Wichtigste Aufgabe der Landesregierung beim Umgang mit Unterrichtsausfall ist es, für Rahmenbedingungen zu sorgen, die einen solchen Ausfall so gering wie möglich halten (z. B. auch durch Neueinstellungen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Stellen). Zudem ist es Aufgabe des Thüringer Kultusministeriums, im Rahmen der dialogischen Schulaufsicht die Staatlichen Schulämter bei unterrichtsorganisatorischen Maßnahmen und beim flexiblen Personaleinsatz zu unterstützen. Hierzu zählen auch entsprechende Aus- und Fortbildungsangebote sowie die Schaffung der Möglichkeit zur Einstellung von so genannten Seiteneinsteigern.

Dr. Krapp Minister.