Schule

Dezember 2002 hat folgenden Wortlaut:

Im Freien Wort vom 4. Dezember 2002 war ausgeführt, dass der Landrat des Landkreises Schmalkalden-Meiningen 14 der 51 Kreistagsmitglieder wegen Befangenheit bei der Beratung und Abstimmung der Schulnetzplanung ausschließen lassen will. Betroffen sein sollen Bürgermeister von Schulsitzgemeinden und deren Stellvertreter, Lehrer und deren Ehegatten. Das Landratsamt soll sich bei seiner Auslegung des § 38 der Thüringer Kommunalordnung auf eine Entscheidung des Meininger Verwaltungsgerichts berufen, das im April 2001 über den Ausschluss einer Lehrerin von der Beratung und Abstimmung zur Schulnetzplanung wegen Befangenheit befunden hatte.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Rechtsauffassung vertritt die Landesregierung zum Ausschluss von dem Kreistag angehörenden Bürgermeistern von Schulsitzgemeinden und deren Stellvertretern bei der Beratung und Abstimmung zur Schulnetzplanung wegen Befangenheit?

2. Welche Rechtsauffassung vertritt die Landesregierung zum Ausschluss von dem Kreistag angehörenden Bürgermeistern wegen Befangenheit, wenn Belange ihrer Gemeinden betroffen sein könnten - wie beispielsweise bei der Kreisumlage?

3. Beabsichtigt die Landesregierung dem Parlament eine Änderung des § 102 Abs. 4 der Thüringer Kommunalordnung vorzuschlagen, wonach Bürgermeister von Gemeinden des Landkreises nicht mehr im Kreistag sitzen dürfen?

Wenn ja, aus welchen Gründen? Wenn nein, warum nicht?

4. Welcher Personenkreis könnte der Landesregierung bei der Beratung zur Schulnetzplanung befangen sein?

5. Wann ist nach Auffassung der Landesregierung die Grenze zur persönlichen Beteiligung im Sinne des § 38 der Thüringer Kommunalordnung - insbesondere bei Bürgermeistern kreisangehöriger Gemeinden und bei Mitgliedern gesellschaftlich relevanter Gruppen - überschritten?

28. Januar 2003

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 14. Januar 2003 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Gemäß § 112 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 Satz 1 der Thüringer Kommunalordnung darf ein Mitglied des Kreistages an Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen, wenn ein Beschluss unter anderem einer von ihm kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen natürlichen oder juristischen Person unmittelbar einen Vor- oder Nachteil bringen kann.

Die Vertretung einer Gemeinde als juristische Person (Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts) ergibt sich aus § 31 Abs. 1 Danach vertritt der Bürgermeister die Gemeinde nach außen. Insoweit ist auch das Kreistagsmitglied, welches zugleich Bürgermeister einer kreisangehörigen Gemeinde ist, nach den Maßstäben des § 38 Abs. 1 zu beurteilen. Eine persönliche Beteiligung im Sinne des § 38 Abs. 1 ist dann gegeben, wenn das Kreistagsmitglied, welches zugleich Bürgermeister einer kreisangehörigen Gemeinde ist, mit über eine Angelegenheit beraten und beschließen soll, welche dieser Gemeinde einen Vorteil oder Nachteil bringen könnte.

Von einem Vor- oder Nachteil ist dann auszugehen, wenn die Entscheidung für den Betroffenen im Sinne des § 38 Abs. 1 eine Besser- oder Schlechterstellung beinhaltet. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung und anderer Gesetze, welcher insoweit unverändert am 12. Dezember 2002 vom Landtag beschlossen wurde, als Reaktion auf eine restriktive Rechtsprechung aus jüngerer Zeit (Beschluss des Verwaltungsgerichts [VG] Meiningen vom 3.April 2001 [2 E 244/01.Me]) eine Einschränkung des § 38 Abs. 1 Satz 1 vornimmt. Danach gilt § 38 Abs. 1 nicht, wenn das Mitglied an der Entscheidung der Angelegenheit lediglich als Angehöriger einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe beteiligt ist, deren gemeinsame Interessen durch die Angelegenheit berührt werden. Als unmittelbar gilt derjenige Vorteil oder Nachteil, der sich direkt aus der Entscheidung ergibt, ohne dass weitere Ereignisse eintreten oder Maßnahmen getroffen werden müssen, die über die Ausführung von Beschlüssen hinausgehen.

Die Ergänzungen in § 38 dienen ausweislich der Begründung dazu, auch als Reaktion auf die genannte Rechtsprechung, die Mitwirkungsverbote im Rahmen des Möglichen auf die Fälle zu beschränken, in denen die Gefahr besteht, dass öffentliche Interessen mit persönlichen Interessen vermengt werden.

Die Frage, ob eine persönliche Betroffenheit von dem Kreistag angehörenden Bürgermeistern von Schulsitzgemeinden bei der Beratung und Abstimmung zur Schulnetzplanung wegen Befangenheit vorliegt, ist in jedem Einzelfall anhand der gesetzlich vorgegebenen, oben zitierten Kriterien zu prüfen. Eine pauschale Beschlussfassung für Berufsgruppen bzw. die Gruppe der Bürgermeister von Schulsitzgemeinden und ähnliche Verfahrensweisen sind daher unzulässig.

Zu 2.: Es gilt grundsätzlich das zu Frage 1 Gesagte.

Ergänzend ist anzumerken, dass bei der Abstimmung über die Kreisumlage grundsätzlich wohl nicht von einer Befangenheit der dem Kreistag angehörenden Bürgermeister auszugehen ist, da die Abstimmung über die Kreisumlage im Allgemeinen nicht zu individuellen Sondervorteilen bzw. Nachteilen einzelner Gemeinden führt. Die Entscheidung über die Höhe der Kreisumlage betrifft grundsätzlich alle Gemeinden in gleicher Weise. Etwas anderes kann gelten, wenn besondere Umstände vorliegen, die Interessen einer oder einzelner Gemeinden in besonderer Weise berühren, wie z. B. die Entscheidung über einen Antrag einer Gemeinde auf Stundung der Kreisumlage.

Zu 3.: Die Landesregierung beabsichtigt nicht, einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Landtag einzubringen, da kein Regelungsbedarf dazu gesehen wird.

Zu 4. und 5.: Die Entscheidung über die Befangenheit von Kreistagsmitgliedern bei der Beratung und Abstimmung zur Schulnetzplanung kann nicht schematisch anhand der Zugehörigkeit von Berufs- oder sonstigen Gruppen vorgenommen werden.

Erforderlich ist vielmehr jeweils eine individuelle Einzelfallprüfung, in der die einzelfallbezogenen konkreten Auswirkungen und Regelungen einer wertenden Betrachtung unterzogen werden.