Migrationsströme

Die Bevölkerung von Thüringen schrumpft seit über 40 Jahren. Thüringen hatte besonders in den 50er Jahren einen negativen Wanderungssaldo ­ vermutlich vorwiegend mit Westdeutschland. Insgesamt verlor Thüringen durch Abwanderung von 1955 bis 2000 knapp 420.000 Einwohner, davon 180.000 im Zeitraum 1955 bis 1960 (rd. 30 Tsd. p.a.) und weitere 130.000 von 1989 bis 1992 (rd. 35 Tsd. p.a.). Von 1993 bis 1996 war ein Gewinn von insgesamt 6.500 Personen zu verzeichnen, seither sind bis zum Jahr 2000 und mit zunehmender Tendenz wieder rund 21.000 Personen abgewandert (rd. 5 Tsd. p.a.). Seit 1991 verliert Thüringen Abbildung 14: Wanderungssaldo und natürlicher Bevölkerungssaldo in Thüringen 1955­2000

Quelle: TLS empirica Abbildung 15: Wanderungsbilanz in Thüringen 1991 bis 2000

Quelle: TLS empirica Materialband zum 3. Thüringer Sozialbericht 25 auch Bevölkerung durch einen deutlich negativen natürlichen Bevölkerungssaldo. Die Geburtenzahlen steigen zwar seit 1994 allmählich wieder an, die Gestorbenen übertreffen sie jedoch im Jahr 2000 immer noch um rund 8.500.

Die Wanderungsbilanz mit dem früheren Bundesgebiet ist seit 1991 durchgehend negativ. Trotz der ausgeglichenen Wanderungsbilanz Thüringens Mitte der 90er Jahre war der Wanderungssaldo mit dem früheren Bundesgebiet im gesamten Zeitraum 1992 bis 1999 negativ. Der jährliche Verlust an das frühere Bundesgebiet lag jeweils zwischen 5.000 und 10.000 Einwohnern12 und hat sich im Jahr 2000 auf knapp 11.

Einwohner erhöht. Zwei Effekte beeinflussen diesen Prozess maßgeblich: zum einen werden junge Haushalte von der besseren Arbeitsmarktsituation im früheren Bundesgebiet angezogen. Zum anderen begünstigt die schiere Masse der geburtenstarken Geburtsjahrgänge zwischen 1977 und 1990 die absolute Anzahl der Migranten, weil sich diese Jahrgänge derzeit in den wanderungsfreudigsten Altersklassen befinden (vgl. Abbildung 17).

Der hohe Abwanderungssaldo im Jahr 2000 geht vor allem auf eine sinkende Zuwanderung aus dem Ausland zurück. Die nahezu ausgeglichene Wanderungsbilanz Thüringens Mitte der 90er Jahre war bei gleichzeitiger Nettoabwanderung in das frühere Bundesgebiet nur durch einen entsprechend hohen Zuzug aus dem Ausland möglich. Während aber im Jahr 1999 noch 5.000 Menschen aus dem Ausland hinzugewonnen werden konnten, verringerte sich dieser Zufluss im Jahr 2000 auf nur noch weniger als 2.000 Personen.

Die Auslandszuwanderung ist jedoch nicht trendbildend, da sie stark von der administrierten Wanderung abhängt (Aussiedler und Flüchtlinge). Es kann deshalb nur spekuliert, werden, ob sich dieser Rückgang in Zukunft fortsetzt.

Abbildung 16: Wanderungsbilanz von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen 1992 und 2000

Anmerkung: absolute Anzahl Wanderungen in den Kästen Quelle: TLS empirica Abwanderung ist in Thüringen ein geringeres Problem als in anderen neuen Ländern. Ein Vergleich der Wanderungssalden von Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt macht deutlich, dass die Abwanderung in Thüringen besonders im Vergleich zu Sachsen-Anhalt deutlich geringer ist. Schon im Jahr 1992 war der Gesamtwanderungssaldo in Thüringen positiv während er in Sachsen und Sachsen-Anhalt noch negativ war (vgl. Abbildung 16). Im Jahr 2000 haben sich die Verhältnisse weiter ausdifferenziert. Sachsen-Anhalt verliert bei ähnlicher Größe mehr als doppelt so viele Einwohner wie Thüringen.

12 Das sind zwei bis drei Personen pro Tausend Einwohner.

13 Pro 1.000 Einwohner verliert Thüringen nur so viele Einwohner wie Sachsen (Sachsen ­ 3,8 und Thüringen ­ 4,1 pro 1.000 Einwohner). Materialband zum 3. Thüringer Sozialbericht26

Der Wanderungsverlust konzentriert sich auf die Altersklassen zwischen 15 und 39. Wie überall sind es auch in Thüringen vor allem die mobilen, jungen Altersklassen, die abwandern (und auch zuwandern). Personen zwischen 15 und 39 Jahren müssen auf Grund von Arbeitsplatzwechsel und Ausbildung häufiger umziehen als andere und sind familiär noch nicht so gebunden wie etwa ältere Personen. Der Anteil dieser Altersklassen am Wanderungsverlust Thüringens beträgt demnach auch 80%. Weitere 12% der Abwanderer sind unter 15 Jahre alt; dabei handelt es sich um Kinder, die mit ihren Eltern umziehen. Damit bestehen 92% des Wanderungsverlustes aus den jungen Erwerbstätigen und ihren Kindern, an denen es langfristig wegen der demografischen Veränderungen in allen Ländern mangeln wird (vgl. Abbildung 17). Abbildung 17: Wanderungsbilanz in Thüringen nach Altersklassen im Jahr 2000

Quelle: TLS empirica Abbildung 18: Wanderungsbilanz in Thüringen nach Geschlecht 1991­2000