Erwerbsorientierung der Frauen

Die Höhere Erwerbsorientierung der Frauen in den neuen Ländern konzentriert sich auf Familien. Auch zehn Jahre nach der Vereinigung erweist sich die höhere Erwerbsquote der Frauen in den neuen Ländern als stabil. Allerdings äußern sich diese Unterschiede fast ausschließlich in der Familienphase und damit bei 35- bis 44-jährigen Frauen.

Kaum West-Ost-Unterschiede bestehen dagegen in der Erwerbsorientierung allein lebender Frauen. Auch die Erwerbsorientierung der Frauen in kinderlosen Paaren ist im früheren Bundesgebiet nicht viel geringer als in den neuen Ländern. Frauen im früheren Bundesgebiet bleiben also vor allem dann häufiger dem Arbeitsmarkt fern, wenn Kinder im Haushalt wohnen bzw. solange d iese noch klein sind (vgl. Pfeile in Abbildung 25). Dieser Effekt wird mit zunehmender Kinderzahl deutlicher. Leben keine Kinder im Haushalt, dann lassen sich nur geringe Ost-West-Unterschiede feststellen.

Abbildung 25: Erwerbsquoten 35- bis 44-jähriger Frauen nach Haushaltstyp 2001

Definition: Anteil der Erwerbspersonen an den Erwerbsfähigen Anmerkung: Die Werte in den Kästen geben die Verteilung der Frauen auf die verschiedenen Haushaltstypen an.

Erläuterung: 1F = alleinlebende Frau, = x Erwachsene, = x Kinder, sonst. = sonstige Haushalte, Kind = erwerbstätiges Kind, noch bei mind. einem Elternteil wohnend.

Das DIW stellt fest (DIW 42/01), dass Mutterschutz/Elternzeit in den neuen Ländern nicht so oft wie in Westdeutschland in Anspruch genommen wird. Wer dies allerdings tut, bleibt im Vergleich zu Westdeutschland häufiger ganz zu Hause (Ost: 52%, West: 43%). Offenbar wird die Elternzeit des Öfteren zur Überbrückung der Probleme am Arbeitsmarkt genutzt. Die Wiedereingliederung nach der Erwerbsunterbrechung ist aber ­ trotz des besonderen Kündigungsschutzes von Müttern während der Schwangerschaft und nach der Entbindung ­ häufig schwierig: Der Anteil arbeitslos gemeldeter Mütter mit älteren Kindern ist in Ostdeutschland besonders hoch (z. B. 23% in der Gruppe der Mütter mit Kindern von 4 bis 11 Jahren).

Das Erwerbsverhalten der Männer offenbart kaum Ost-West-Unterschiede. In allen Haushaltstypen ist die Erwerbsorientierung 35- bis 44-jähriger Männer in den alten und den neuen Ländern nahezu identisch.

Zwischen den verschiedenen Haushaltstypen variiert die Erwerbsorientierung hingegen etwas. Alleinlebende 35- bis 44-jährige Männer haben jeweils in Ost- wie in Westdeutschland mit Erwerbsquoten um 95% eine geringere Erwerbsorientierung als Männer in klassischen Familienhaushalten. Am höchsten ist die Erwerbsorientierung der Männer in Familien mit zwei Kindern.

Materialband zum 3. Thüringer Sozialbericht34

Qualitative Erwerbspersonenprognose Kann die demographische Entwicklung zu einer Bedrohung des Wachstums werden? In den nächsten Jahrzehnten wird die Anzahl der 15- bis 65-Jährigen demographisch bedingt deutlich zurückgehen. Dadurch schrumpft unmittelbar die Anzahl der Erwerbsfähigen. Deswegen drängt sich die Frage auf, ob durch diesen Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung auf dem Arbeitsmarkt zukünftig Engpässe entstehen können, die dann sogar geeignet wären, die wirtschaftliche Entwicklung zu hemmen. Zur exakten Beantwortung dieser Frage müsste die zukünftige Entwicklung der Erwerbspersonen quantitativ prognostiziert werden. Das würde den Rahmen der vorliegenden Studie jedoch sprengen. Deswegen werden die zukünftige Entwicklungsrichtungen lediglich qualitativ beschrieben.

Erwerbsorientierung wird zukünftig eher steigen als fallen. Es gibt verschiedene Ursachen, die eine Veränderung der typenspezifischen Erwerbsorientierung erwarten lassen. Deswegen kann man die folgenden Annahmen an die Veränderung der Erwerbsorientierung gegenüber heute unterstellen:

· Keine Fortführung der Frühverrentungen der 90er Jahre. Folge: Wiederanstieg der Erwerbsquoten der über 55-jährigen Männer.

· Absenkung des Rentenniveaus. Folge: Anstieg der Erwerbsquoten der 60- bis 64-jährigen Männer und Frauen.

· Kürzere Ausbildungszeiten nachwachsender Geburtskohorten. Folge: Anstieg der Erwerbsquoten unter 30-jähriger, kinderloser Männer und Frauen.

Insgesamt implizieren die angenommenen Veränderungen der Erwerbsorientierung im Vergleich zu heute eher eine noch höhere Ausschöpfung des Erwerbspersonenpotentials. Lediglich die Erwerbsorientierung der Frauen mit Kindern und Partnern werden geringer ausfallen. Demgegenüber wird die Erwerbsorientierung der über 60-Jährigen deutlich steigen. Hinzu kommt der implizite Effekt der veränderten Haushaltsstrukturen: der höhere Anteil Alleinlebender bei den unter 50-Jährigen erhöht die aggregierte Erwerbsorientierung.

Abbildung 26: Erwerbsquoten 35- bis 44-jähriger Männer nach Haushaltstyp 2001

Definition: Anteil der Erwerbspersonen an den Erwerbsfähigen Anmerkung: Die Werte in den Kästen geben die Verteilung der Männer auf die verschiedenen Haushaltstypen an.

Erläuterung: 1M = alleinlebender Mann, = x Erwachsene, = x Kinder, sonst. = sonstige Haushalte, Kind = erwerbstätiges Kind, noch bei mind. einem Elternteil wohnend.

Quelle: Statistisches Bundesamt empirica Materialband zum 3. Thüringer Sozialbericht 35

Hohe Erwerbsorientierung als Standortvorteil in einer alternden Gesellschaft. Aus heutiger Sicht mit einer Arbeitslosenquote von 16,5% (aktueller Wert von 2001) bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen, mag die Befürchtung einer Arbeitskräfteknappheit abwegig erscheinen. Hier soll aber vielmehr gezeigt werden, dass die hohe Erwerbsorientierung der Bevölkerung in Thüringen ­ insbesondere gegenüber dem früheren Bundesgebiet und dem westeuropäischen Ausland ­ ein langfristiger Standortvorteil des Freistaats Thüringen darstellt. Unabhängig davon stellt sich jedoch die Frage, ob die Qualifikation der Personen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, richtig und ausreichend ist. Dabei spielt die Altersschichtung der Erwerbstätigen eine nicht unerhebliche Rolle.

Abbildung 27: Altersverteilung der Erwerbsfähigen in Thüringen 2000 und 2020

Quelle: TLS empirica Anteil der unter 35-jährigen Erwerbspersonen schrumpft bis zum Jahr 2020 von heute 37% auf 30%. Das Medianalter der Erwerbspersonen in Thüringen wird bis zum Jahr 2020 von heute 39,5 Jahren auf 43,1 Jahre ansteigen. Insbesondere die Anzahl der unter 25-jährigen Erwerbspersonen wird deutlich zurückgehen (vgl. Abbildung 27). Aufgrund der stark besetzten Geburtsjahrgänge Ende der 70er Jahre wird die Anzahl der unter 30-jährigen Erwerbspersonen zunächst bis 2005 noch ansteigen, danach wird jedoch auch diese Altersklasse geringer besetzt sein ­ wenn auch der unterstellte Wiederanstieg der Geburtenzahlen zusammen mit der angenommen Verkürzung der Studienzeiten langfristig eine gewisse Erholung ermöglichen könnte. Insgesamt wird sich die Zusammensetzung des Arbeitsangebotes deutlich verändern. Stellten die unter 35-Jährigen im Jahr 1997 noch rund 37% der Erwerbsfähigen, werden es im Jahre 2030 noch 30% sein.

Erwerbstätige Erwerbspersonen Erwerbsfähige sind in den neuen und alten Ländern fast gleich oft erwerbstätig. In Deutschland gehen mit 67% Zweidrittel aller Erwerbsfähigen einer Erwerbstätigkeit nach. Diese Quote liegt in Thüringen mit 64% etwa 3 Prozentpunkte niedriger als in den alten Ländern ­ im Unterschied dazu liegt die Quote der Erwerbspersonen in Thüringen drei Prozentpunkte höher (vgl. Tabelle 4). Frauen sind in Thüringen mit einer Quote von 59% gleich häufig erwerbstätig wie im früheren Bundesgebiet. Dasselbe gilt unabhängig vom Geschlecht für alle unter 45-Jährigen. Die in Thüringen niedrigere Erwerbstätigkeit unter den Erwerbsfähigen resultiert demnach aus der niedrigeren Quote der Männer, insbesondere bei den über 55-Jährigen.