Vermögensarmut

Im Unterschied zum früheren Bundesgebiet konnten Haushalte in der ehemaligen DDR seltener Wohneigentum erwerben. Deswegen haben ältere thüringische Haushalte nur geringe Immobilienvermögen und Haushalte mit 36- bis 49-jähriger Bezugsperson die höchsten Immobilienvermögen. In der Folge haben sich die Vermögensbestände bei den jüngeren Haushalten am deutlichsten an das Niveau im früheren Bundesgebiet angepasst. Rentner dagegen haben nur bezogen auf das Geldvermögen ­ analog zu den Strukturen beim Einkommen ­ eine höhere Anpassungsquote als die 50- bis 64-Jährigen (vgl. Abbildung 59b); bei Betrachtung der Immobilienvermögen liegt deren Anpassungsquote aufgrund der historisch bedingt geringen Verbreitung von Wohneigentum jedoch niedriger als bei den 50- bis 64-Jährigen.

Relativer Rückgang der Verschuldung junger Thüringer bei bundesweit zunehmender Vermögensarmut. Im Unterschied zur Einkommensarmut offenbaren sich keine größeren Ost-West-Unterschiede in den gewählten Maßen der Vermögensarmut (vgl. Tabelle 40 bzw. Abschnitt III.4.2.4): Bei 15% aller Haushalte in Thüringen überwiegen die ausstehenden Konsumentenkredite das vorhandene Geldvermögen, rund jeder 15. Haushalt ist sogar unter Berücksichtigung seines Immobilienvermögens netto noch verschuldet.

Bezogen auf das Geldvermögen haben sich diese Quoten in ganz Deutschland während der 90er Jahre in etwa verdoppelt. Gleichzeitig hat sich aber auch die Ost-West-Relation der Armutsquoten verschoben: während im Jahr 1993 die Vermögensarmut in den unteren Altersklassen der Haushalte in den neuen Ländern ausgeprägter war als im früheren Bundesgebiet, sind diese Unterschiede mittlerweile weitgehend verschwunden. Diese Entwicklung spiegelt die hohe Verschuldung zu Konsumzwecken infolge des Nachholbedarfs bei langlebigen Konsumgütern nach der Wiedervereinigung wider. Mittlerweile ist dieser Einmaleffekt ausgeglichen.

Die finanzielle Lage von Familien und Alleinerziehenden

Im Jahr 2000 war jeder dritte Haushalt (34%) ein Familienhaushalt. In vier von fünf Familienhaushalten gab es zwei Elternteile, in jedem fünften Familienhaushalt lebten Alleinerziehende ­ das sind 7% aller Haushalte.

Diese Haushaltsstrukturen werden sich in den nächsten Jahren bis 2020 erheblich verschieben. Zukünftig werden in Thüringen noch mehr Alleinlebende und kinderlose Paare wohnen, während der Anteil der Familien drastisch auf 24% zurückgeht. Zudem wird der Anteil Alleinerziehender unter den Familienhaushalten immer größer: bis 2020 wird jede Dritte Familie alleinerziehend sein.

Quelle: TLS und eigene Berechnungen mit PROFAMY (Trendvariante) empirica Materialband zum 3. Thüringer Sozialbericht100

Unterschiede zwischen den Haushaltstypen

Vor allem weibliche Alleinlebende sind in Thüringen und anderswo häufig einkommensschwach. Mit durchschnittlich weniger als 1.000 im Monat verfügen die weiblichen Alleinlebenden über die niedrigsten Haushaltsnettoeinkommen. Diese Situation ändert sich nur wenig, wenn man statt der nominalen Einkommen die Äquivalenzeinkommen betrachtet. Folglich finden sich auch mit 17% überdurchschnittlich viele weibliche Alleinlebende unterhalb der Armutsschwelle wieder. Die höchsten Einkommen sind bei Familien mit zwei Elternteilen zu finden. Berücksichtigt man dagegen die unterschiedlichen Haushaltsgrößen in Form der Äquivalenzeinkommen, dann zeigt sich, dass die kinderlosen Paare in besseren Verhältnissen leben als die Familien. Konsequenterweise ist der Anteil einkommensarmer kinderloser Paare auch nur halb so groß wie im Durchschnitt aller Haushalte in Thüringen. Die Armutsquoten in Thüringen sind teilweise höher als in den neuen Ländern insgesamt. Dies resultiert jedoch vorwiegend aus Verzerrungen durch Berliner Haushalte: so liegen zum einen die Einkommen in Berlin-Ost näher am Niveau des früheren Bundesgebietes, zum anderen verzerren Berliner Haushalte, die im Umland Wohneigentum gebildet haben, die Mittelwerte Brandenburgs nach oben.

Tabelle 41: Einkommen und Einkommenssarmut bei verschiedenen Haushaltstypen 1998

Definition: modifiziertes Armutskonzept (Demographische Veränderungen lassen zukünftig höhere Einkommensarmut bei jungen Haushalten erwarten.

Die ­ rein demographisch bedingte (!) ­ Entwicklung der Einkommensarmut in der Zukunft kann man anhand der vorhandenen Informationen qualitativ abschätzen, indem die bekannten typen- und altersspezifischen Armutsquoten einer typen- und altersspezifischen Haushaltsprognose gegenübergestellt werden.65 Im Ergebnis wird die Einkommensarmut bei den Haushalten mit unter 50-jähriger Bezugsperson ansteigen, weil hier der Anteil Alleinlebender und Alleinerziehender zunimmt; diese Haushaltstypen sind ohnehin überdurchschnittlich häufig einkommensarm. Bei den Haushalten mit 50- bis 64-jähriger Bezugsperson könnte ein Anstieg der Einkommensarmut durch die Zunahme der weiblichen Alleinlebenden kompensiert werden durch eine gleichzeitige Zunahme der männlichen Alleinlebenden; letztere sind weitaus seltener einkommensarm. Bei den Seniorenhaushalten schließlich wirken alle demographischen Veränderungen in Richtung rückläufiger Einkommensarmut: es gibt weniger (einkommensarme) weibliche Alleinlebende und mehr (selten einkommensarme) männliche Alleinlebende. Insbesondere in dieser Altersklasse muss die hier durchgeführte Partialbetrachtung der demographischen Veränderungen jedoch mit Vorsicht interpretiert werden, da zukünftige Veränderungen bei den Rentenansprüchen eher dazu führen, dass eine neue Seniorenarmut aufkeimen wird (vgl. Abschnitt III.6.3). Alleinlebende sind nicht dümmer als Bezugspersonen in anderen Haushalten! Die unterdurchschnittlichen Einkommen der Einpersonenhaushalte haben verschiedene Ursachen: junge Alleinlebende befinden sich zum Teil noch in der Ausbildung, ältere Alleinlebende ­ insbesondere Frauen ­ haben geringere Rentenansprüche als Paare. Daneben macht sich der Familienstand aber auch in einer höheren Steuerlast bzw. geringeren Transferbezügen bemerkbar (kein Ehegattensplitting, kein Kinderfreibetrag; vgl. Kapitel III.4.1.4). Nicht zuletzt kann bei einem Alleinlebenden per definitionem nur ein Haushaltsmitglied ein Einkommen erwirtschaften; dieses liegt bei Frauen zudem meist niedriger als bei Männern (vgl. Kapitel III.6.2.1). Die bedeutendste Ursache für die niedrigen Einkommen der Alleinlebenden dürfte jedoch in Tabelle 42: Nettogeldvermögen und Vermögensarmut bei verschiedenen Haushaltstypen 1998. Definition: Geldvermögen nach Abzug von Konsumentenkrediten negativ Deutschland früheres neue Branden- Mecklenb. -/- bedeutet Fallzahlen zu gering Quelle: Eigene Berechnungen aus EVS 1998 empirica 65 Dazu ist allerdings die zusätzliche Annahme erforderlich, dass sich die Armutsquoten einzelner Haushaltstypen in verschiedenen Altersklassen nicht strukturell verändern.