Krankenversorgung

Januar 2003 hat folgenden Wortlaut:

Vor dem Hintergrund der im Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena einschließlich seiner Außenstellen anstehenden Strukturveränderungen frage ich die Landesregierung:

1. Wie ist die bisherige Struktur der rechtsmedizinischen Versorgung in Thüringen beschaffen?

2. Welchen Stellenwert nimmt das Institut für Rechtsmedizin der FSU Jena als Dienstleister für die Ermittlungstätigkeit von Thüringer Polizei und Staatsanwaltschaft sowie bei der gutachterlichen Tätigkeit insbesondere für Gerichte ein, und in welchem Umfang greift Thüringen auf weitere Dienstleister in diesem Bereich zurück?

3. Worin besteht das Tätigkeitsprofil des Instituts für Rechtsmedizin der FSU Jena auch im Hinblick auf seine Dienstleistungsaufgaben?

4. Welche konkreten organisatorischen Veränderungen wurden von der FSU Jena im Rahmen der Hochschulselbstverwaltung für das Institut für Rechtsmedizin für welchen Zeitpunkt beschlossen?

5. Wie beurteilt die Landesregierung den in Thüringen nach der Umsetzung der Beschlüsse gegebenen Versorgungsgrad mit gerichtsmedizinischen Dienstleistungen im Vergleich zu anderen Bundesländern?

6. Wie beurteilt die Landesregierung die Auswirkungen der organisatorischen Veränderungen im Hinblick auf Ermittlungen, bei denen der Zeitfaktor eine Rolle spielt?

7. Wurde zu den beabsichtigten Veränderungen eine Kosten-Nutzen-Analyse angestellt, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

8. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit, dass infolge der Veränderungen Aufträge an Dienstleister außerhalb Thüringens vergeben werden?

9. Welche Konsequenzen sind für das Personal des Instituts für Rechtsmedizin der FSU Jena mit den organisatorischen Veränderungen verbunden?

11. April 2003

Das Thüringer Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 4. April 2003 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: In Thüringen werden Leistungen der Rechtsmedizin an vier Standorten erbracht:

In Jena befindet sich das Institut für Rechtsmedizin der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena mit Außenstellen in Erfurt und Suhl. Der ärztliche Sektor und die Laborbereiche sind auf die Standorte Suhl, Erfurt und Jena verteilt.

In Gera befindet sich ein rechtsmedizinisches Institut in privater Trägerschaft.

Die Arbeit der rechtsmedizinischen Einrichtungen an den Standorten Jena, Erfurt und Suhl wird in den nachfolgenden Antworten noch ausführlicher dargestellt.

Das rechtsmedizinische Institut in Gera bietet Sektionen, die forensische Bewertung von Verletzungen sowie chemisch-toxikologische Untersuchungen mit der jeweils dazugehörigen gerichtlichen Gutachtertätigkeit an. Zum Bereich der chemisch-toxikologischen Untersuchungen gehört insbesondere die Bestimmung der Blutalkoholkonzentration im Zusammenhang mit Verkehrsdelikten. Ferner werden Gutachter- und Sachverständigentätigkeiten vor Gericht, die Anfertigung freier Gutachten und die Untersuchung lebender Personen in Anspruch genommen.

Die Leistungen des Instituts für Rechtsmedizin in Gera werden seitens der Polizei ausschließlich durch die Polizeidirektion Gera in Anspruch genommen.

Der Anteil der gerichtsmedizinischen Leistungen in Gera wird auf zirka ein Siebentel der Gesamtleistungen der Standorte in Erfurt, Suhl und Jena geschätzt.

Zu 2.: Das Institut für Rechtsmedizin der FSU Jena leistet einen wichtigen Beitrag bei den rechtsmedizinischen Versorgungsaufgaben in Thüringen. Insbesondere im Bereich der ärztlichen Tätigkeit ist die Polizei zwingend auf die Untersuchung von Tätern und Opfern, auf die Todeszeitbestimmungen und die Sektionstätigkeit angewiesen.

Für den Bereich der Labortätigkeiten werden durch Gerichte, Staatsanwaltschaften und auch die Polizei feingewebliche Untersuchungen, chemisch-toxikologische und serologische Untersuchungen sowie DNA-Untersuchungen gegeben.

In ausgesprochenen Einzelfällen sind Weichteilrekonstruktionen bei Skelettfunden notwendig, für die das Rechtsmedizinische Institut in Bonn und Frankfurt die einzigen Anbieter in Deutschland sind.

In den Landgerichtsbezirken Erfurt, Meiningen und Mühlhausen werden gerichtsmedizinische Leistungen nahezu ausschließlich an das Institut für Rechtsmedizin der FSU Jena bzw. an deren Außenstellen vergeben.

Im Landgerichtsbezirk Gera gehen je zur Hälfte an das Institut für Rechtsmedizin der FSU Jena und an das private rechtsmedizinische Institut in Gera.

Für ganz Thüringen gilt, dass für DNA-analytische Untersuchungen und die Untersuchung sonstiger biologischer Spuren das Rechtsmedizinische Institut in Jena (ohne Außenstellen Erfurt und Suhl) und auch das Thüringer Landeskriminalamt beauftragt werden.

Zu 3.: Das Institut für Rechtsmedizin nimmt folgende Aufgaben wahr:

· Lehrtätigkeit:

- in den Studiengängen Medizin, Zahnmedizin, Rechtswissenschaften, Psychologie

· Untersuchungen zur Beurteilung der Fahrtüchtigkeit bzw. Schuldfähigkeit sowie Untersuchungen im Rahmen der Krankenversorgung

- Blutalkoholbestimmungen

- Spurenuntersuchungen auf DNA-Basis

- serologische und DNA-Untersuchungen bei Abstammungsbegutachtungen und zur Identitätsfeststellung

- Mitwirkung bei der Erstellung der bundesweiten DNA-Analysedatei

Die Dienstleistungen werden von medizinischen Einrichtungen und Behörden der Rechtspflege (Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte) in Anspruch genommen. Die regionalen medizinischen Einrichtungen nehmen die Labortätigkeit des Instituts für Rechtsmedizin vorrangig in Verdachtsfällen einer Vergiftung sowie zur Therapiekontrolle (Spiegelbestimmungen u. a.) in Anspruch.

Zu 4.: Als erster Schritt der Laborkonzentration ist die Verlagerung des Laborbereichs der Außenstelle Erfurt für der IV. Quartal 2003 geplant.

Zu 5.: Im Bundesvergleich hat Thüringen derzeit mit den drei Institutsstandorten in Suhl, Erfurt und Jena den höchsten Versorgungsgrad (Anlage 1) bei stetig abnehmender Einwohnerzahl. Selbst wenn, was nicht vorgesehen ist, eine Konzentration aller Leistungsstrukturen auf einen Standort erfolgen würde, läge Thüringen im Vergleich mit den anderen Bundesländern noch im guten Mittelfeld (Anlage 2). Zukünftig sollen der ärztliche Sektor unverändert an den drei Standorten Suhl, Erfurt und Jena beibehalten und nur die Labortätigkeit am Standort Jena konzentriert werden. Dadurch bleibt die bisherige Praxis der Vorortuntersuchungen (orts- und zeitnah bei Kapitalverbrechen) bestehen. Die Qualität der gerichtsmedizinischen Versorgung in Thüringen wird nicht beeinträchtigt.

Zu 6.: Bei einer Zentralisierung der Laborleistungen in Jena könnten Untersuchungen zukünftig besser und schneller realisiert werden, da nicht nur ein einzelner Chemiker (wie derzeit z. B. in Suhl), sondern ein ganzes Team zur Verfügung stünde.

So benötigt ein Chemiker zum Beispiel für die bei einer Begleitstoffanalyse anfallenden Arbeiten einen ganzen Arbeitstag. Mit einem Team von Chemikern können andere, ebenfalls unter Zeitdruck stehende Aufgaben parallel dazu ausgeführt werden.

In Jena wurde im Jahr 2001 etwa ein bis zwei mal pro Woche, in Erfurt etwa fünf mal pro Woche und in Suhl etwa ein mal pro Woche um eine schnelle Bearbeitung der eingesandten Blutprobe (das heißt am gleichen Tag) und die telefonische Übermittlung der Blutalkoholkonzentration gebeten.

Bei einer Konzentration der Labore in Jena könnten diese Proben ohne Probleme auf dem Postweg und zum Teil durch Kuriere in das Jenaer Labor gebracht werden. In Jena existiert zudem ein toxikologischer Rufbereitschaftsdienst, der außerhalb der Dienstzeit und am Wochenende in dringenden Fällen genutzt werden kann.

Sonstige Ermittlungstätigkeiten bleiben unberührt, da der ärztliche Sektor an den Standorten erhalten bleibt.

In dringenden Fällen der Blutalkoholkonzentrationsbestimmung (auch bei Drogenfragen) ist das zuständige Gericht binnen drei Tagen über das Untersuchungsergebnis zu unterrichten. Auch dieser Zeitrahmen kann mit Hilfe des Postwegs, der üblicherweise nur einen Tag dauert, und mittels telefonischer oder Fax-Vorabmitteilungen problemlos eingehalten werden.

Zu 7.: Im Nachfolgenden werden die rechnerisch ermittelten Einsparpotentiale im Dienstleistungsbereich beim Übergang der Rechtsmedizin in die neue Organisationsstruktur inhaltlich untersetzt dargestellt. Die Berechnung enthält nur die Aufwandsarten, bei denen Veränderungen abzusehen sind. Der Berechnung für die angestrebte neue Struktur liegt eine fiktive Trennung der Ist-Kosten des Geschäftsjahres 2001 zu Grunde.