Der Rentenversicherungsträger ist grundsätzlich an die Feststellungen im Rehabilitierungsbescheid gebunden

Die Enttäuschung war groß, als der Rentenbescheid mit beruflicher Rehabilitierung eine Rentenerhöhung um weniger als 100 DM brachte. Als auch die Klage vor dem Sozialgericht kein anderes Ergebnis brachte, wandte er sich an den Landesbeauftragten, der ihm aber nur noch einmal bestätigen konnte, dass alles nach dem Gesetz gelaufen ist und das Problem, warum das Gesetz nur zum Teil greift, darstellen konnte.

Der Rentenversicherungsträger ist grundsätzlich an die Feststellungen im Rehabilitierungsbescheid gebunden. Er macht Vergleichsrentenberechnungen für den Verfolgungszeitraum nach eigenem Versicherungsverlauf, nach dem und gegebenenfalls nach dem 2. AAÜG und nimmt das für den anerkannt Verfolgten beste Ergebnis. Im hier beschriebenen Fall bedeutet dies, dass eine individuelle Rentenberechnung nach dem eigenen Versicherungsleben verglichen wurde mit einer Rentenberechnung aus den Tabellenwerten für die Durchschnittsverdienste aus Anlage 13 Sozialgesetzbuch VI ­ SGB VI (entsprechend der Angaben im Rehabilitierungsbescheid). Bei Analyse der einzelnen Verfolgungsjahre zeigte sich, dass der Rentenberechnung für den Zeitraum 1962 bis 1970 (in den Jahren wurde Herrn Y der Geldwert der abgelieferten Naturalien rechtswidrig nicht als Bruttoverdienst angerechnet) durch die Rehabilitierung auf Grund der Tabellenwerte SGB VI höhere Jahresentgelte zuerkannt wurden. Ab 1971 jedoch lagen die Entgelte von Herrn Y höher als die Tabellenwerte für die Durchschnittsverdienste des SGB VI. Nicht geklärt werden konnte, ob dies auf Grund der ab 1971 neuen Verordnung über die Sozialversicherungspflicht für Mitglieder sozialistischer Produktionsgenossenschaften der Landwirtschaften vom 15.12.1970 (GBl. der DDR II 1970 S. 767) und der Übergang von der LPG-Typ I zur Kooperationsgemeinschaft zustande kam (dann würde die Verfolgungszeit nur bis 31.12.1970 angedauert haben) oder das Entgelt von Herrn Y durch die vielen geleisteten Überstunden (Herr Y bestreitet) über dem Durchschnitt der Tabellenwerte des SGB VI für Facharbeiter in der Landwirtschaft lag. Es tritt somit der Fall ein, dass bei der Berechnung nach Rehabilitierungsbescheid der Entgeltpunktezugewinn aus dem Zeitraum 1962 bis 1970 teilweise durch ein Entgeltpunkteminus für die Jahre 1971 bis 1990 ­ in Bezug auf die Rentenberechnung aus eigenem Versicherungsleben betrachtet ­ eintritt.

Das Berufliche Rehabilitierungsgesetz sieht aber eine Aufteilung der Rehabilitierung in für die Rentenberechnung günstige und ungünstige Zeiträume nicht vor.

Die Beantragung der sozialen Ausgleichsleistung in Höhe von 102,26 EUR (200 DM) nach § 8 lehnte Herr Y ab, da diese von dem Sozialamt ausgezahlt wird.

2.10 Soziale Ausgleichsleistungen und Unterstützungsleistungen der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge

In einzelnen Fällen berichteten Bürger im Beratungsgespräch, dass ihnen nach Erhalt der Unterstützungsleistung von der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge in Bonn die Sozialhilfe oder das Wohngeld gekürzt wurden. In einem Fall erfolgte die Kürzung des Wohngeldes nach Bewilligung der sozialen Ausgleichsleistungen nach § 8 Beruflichem Rehabilitierungsgesetz. Unter Mitteilung der Rechtsgrundlagen - § 18 Häftlingshilfegesetz bzw. § 9 Berufliches Rehabilitierungsgesetz ­ an die zuständigen Behörden, konnte hier schnell Abhilfe geschaffen werden.

2.11 Die Arbeit mit den Thüringer Opferverbänden und Aufarbeitungsinitiativen

Wie in den vergangenen Jahren auch, organisierte der sechs informationelle und konzeptionelle Zusammenkünfte der in der SED-Opfer-Beratung tätigen und der die SED-Diktatur thematisierenden Verbände mit der Legislative sowie mit der betreffenden Verwaltung. (Die unveränderte Teilnehmerbzw. Protokollliste, siehe Tätigkeitsbericht von 2001.)

Wie in den vorhergehenden Jahren auch, fungierte der allgemein als Ansprechpartner für alle Beteiligten der betroffenen, gesetzgebenden und ausführenden Seite und er übernahm konkret die logistische Organisation, was die individuelle Einladung aller Teilnehmer, die Vereinbarung der Tagesordnung und die Absprache mit den entsprechenden Referenten zu gewünschten Themen betraf.

Weiterhin moderierte der die jeweilige Zusammenkunft und er half den Opferverbänden bzw. den Aufarbeitungsinitiativen bei der Organisation von weiterführenden Gesprächen mit den entsprechenden politischen Entscheidungsträgern bzw. ausführenden Ämtern. Letztlich übernahm er die Protokollführung, um alle Beteiligten über den Stand der Gespräche zu informieren.

Zu den thematischen Schwerpunkten des Berichtzeitraums sei vorab gesagt, dass vor allem von den Thüringer Opferverbänden weitere Initiativen unternommen wurden, um die Verabschiedung des Dritten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht bei der Bundesregierung wie auch bei der Opposition wieder anzustoßen. Der bemühte sich vor allem darum, die Opferberatung vor Ort in den Landkreisen personell abzusichern. Dieses Bemühen war erfolgreich, nachdem vom Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit und der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur die Beratungsinitiative 2002/2003 durch Bereitstellung der Mittel für zwei befristete Anstellungen gewährleistet wurden.

Einen weiteren Themenschwerpunkt, der nicht als geklärt betrachtet werden darf, bildet Buchenwald als ein Gedenkort von Verfolgten zweier Diktaturen. Einen dritten Schwerpunkt bildet die jeweilige organisatorische Absprache der bevorstehenden regionalen und überregionalen Tagungen sowie Weiterbildungsveranstaltungen und Informationen durch das fachkompetente Gremium auf Anfragen einzelner Verbände.

Während der insgesamt sechs Treffen des Jahres 2002 wurden folgende konkrete Tagesordnungspunkte behandelt:

Das erste Treffen am 15. Januar behandelte die Initiative Thüringens zur Verlängerung der Antragsfristen des Verwaltungsrechtlichen sowie Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes durch Frau Schrade, Referatsleiterin im TMSFG. Weiterhin informierte das TMSFG über die Ergebnisse des Berufungsverfahrens in Bezug auf die SED-Unrechtsbereinigungsgesetze. Ein Opferverband stellte seine Initiative vor, um das Thema der Opferrente wieder voran zu bringen.

Am 12. März wurde die geleistete Arbeit der Beratungsstellen ausgewertet und über die zukünftige Förderung der Beratungsstellen gesprochen. Ein weiteres Thema bildeten die Anfragen zur Zwangsaussiedlung an das Landesamt für Soziales und Familie.

Am 16. April informierte der über den bevorstehenden Bundeskongress der Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes und der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur vom 31.05. bis zum 02.06.2002 in Leipzig und wertete die zurückliegende Beratertagung in Tambach-Dietharz aus. Weiterhin informierte er die Anwesenden zum Stand der Beratungsinitiative in den Landkreisen.

Am 18. Juni stellte der die Beratungsinitiative 2002/2003 vor, gab eine Einschätzung zum Novellierungsstand des Stasi-Unterlagen-Gesetzes und berichtete über den zurückliegenden 6. Bundeskongress in Leipzig.

Am 20. August erläuterte der das Thema Dopingopfer in Bezug auf die Opferberatung.

Haushaltsrechtliche Fragen in Bezug auf die SAM-Stellen der Opferverbände wurden thematisiert, Einzelanfragen beantwortet und erneut das Thema Ehrenrente erörtert.

Am 26. November informierte der über das Projekt: Gedenkstätte für die Opfer der SED-Diktatur in Jena und beantwortete Anfragen zum Thema der politischen Bildungsarbeit.

3. Historische Aufarbeitung

Verständnis des Tätigkeitsfeldes

Im Jahr 2002 wurde an die bislang praktizierten Formen der historischen Aufarbeitung, der individuellen und allgemeinen Sachinformation und der politischen Erwachsenenbildung wiederum angeknüpft. Das Angebotsspektrum sollte verschiedenen Nutzer- und Interessentenkreisen unterschiedliche Möglichkeiten geben, sich mit politischen Fragen und Hintergründen der jüngeren Landesgeschichte oder mit prägenden Institutionen wie der Staatssicherheit zu befassen.

Im Unterschied zu politischen Bildungsträgern besteht eine Besonderheit der Behördentätigkeit in der Verknüpfung von Angeboten wie Beratung, Opferlobby, Eigenrecherchen und Stellungnahmen. Auf dem Gebiet der Aufarbeitung/Sachinformation spiegelt sich das in besonderen Möglichkeiten der Verknüpfung von Erinnerungswissen ­ Opferberatung ­ Forschung ­ Ansprechpartner und Nutzer wider.

Im Arbeitsspektrum zeigt sich das in Arbeitsbeiträgen wie:

­ Erarbeitung und allgemeine Nutzbarmachung von Zeitzeugeninformation für andere, egal ob schriftlich oder mündlich, im Sinne der Stärkung von Kenntnis über und Mitgefühl für unbekannte Lebenslagen und deren politische Dimension;

­ individuelle Erinnerungs-Aufarbeitungsprojekte Betroffener, Textarbeit als Form der Bewältigung, erstrangig zum Nutzen des Betreffenden und ­ sofern es sich ergibt ­ zweitrangig zum Nutzen für Interessierte, die Regeln dieser Zusammenarbeit bestimmt maßgeblich der betreffende Zeitzeuge, zur Zusammenarbeit gehören deshalb auch unfertige Texte;

­ ständiges breites Informationsangebot für alle Interessenten, welches sich zusammensetzt aus:

a) unbekannten Individualerlebnissen;

b) regionalgeschichtlichem Wissen, neuen Aspekten bekannter, einst aktueller Geschehnisse (heimatbezogene Info-Formen);

c) Gedanken, Phänomenen, Facetten zur Allgemeinbeurteilung von DDR-Macht/Politik, die die Beurteilungsbasis von Politik und Bürgerdasein verbreitern können (Beleuchtung allgemeiner Fragen anhand der Prägnanz politischer Konfliktsphären zu ­ Unterstützung jedweder Eigenaktivitäten von Interessenten, sich mit selbst gewählten Fragen und Antwortwegen mit Bezugspunkten zu zu beschäftigen, was nicht belehrend, sondern ermutigend und empfehlend erfolgen muss (z. B. mit Bibliotheksbesuch, Internet-Anfrage, Bitte um Materialien, Archivanfrage, Schülerprojekt o. ä.);

­ Angebote nicht nur, wenn Stellungnahmen und Antworten bereits vorhanden sind, sondern auch im Sinne des Aufwerfens von Fragen, die auch heutige politische Meinungsfindungen befördern können.

Die Formen der Behördentätigkeit auf dem Gebiet historische Aufarbeitung/Beratung und psychosoziale Betreuung/politische Bildungsarbeit bestanden in Recherchen, Eigenbeiträgen, Einzelberatungen, Publikationen, Ausstellungen, Bibliothek, Sachauskünften und Veranstaltungen.

Recherchetätigkeit

Für eine fundierte breit angelegte Tätigkeit auf dem Gebiet der historisch-politischen Aufarbeitung und Öffentlichkeitsinformation bedarf es auch einer eigenen Recherchetätigkeit, wobei nur ein kleiner Ausschnitt relevanter landesgeschichtlicher Themen aufgegriffen werden kann.

Ein Hauptbestandteil der beim in diesem Bereich geleisteten Tätigkeit bestand in der ersten Hälfte 2002 in der Auswertung von bereits recherchierten Materialien über das Themendreieck Haft ­ politische Polizei ­ Staatssicherheit in Thüringen und in Erfurt zwischen 1945 und 1952. Es geht im Prinzip um die regionale Entstehungsgeschichte des Thüringer und um das, was mit den Anfängen an Absicht,